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Würzburg
Gefälschter Militärausweis? Polizei ging davon aus, dass angeklagter Afghane einwandfrei Deutsch kann
Der Mann aus dem Raum Lohr spricht praktisch kein Wort Deutsch, eine Vernehmung bei der Polizei lief aber auf Deutsch. Ein abgeliefertes Geständnis ist deshalb unwirksam, ärgerte sich der Richter.
Ein Afghane musste sich in Würzburg wegen eines gefälschten Militärausweises verantworten.
Foto: Silvia Gralla | Ein Afghane musste sich in Würzburg wegen eines gefälschten Militärausweises verantworten.
Christian Ammon
 |  aktualisiert: 02.12.2024 02:33 Uhr

Die Gerichte tun sich schwer mit asylrechtlichen Verfahren. Auch Vorsitzender Richter Rene Uehlin hat damit Erfahrungen gesammelt. "Das Verfahren läuft mal wieder so richtig besch... – wie so häufig", stellte er nach wenigen Minuten Verhandlung gegen einen jungen Afghanen fest und blickte dabei auf die Staatsanwältin. Ein 27-Jähriger hatte gegen einen Strafbefehl des Amtsgerichts Gemünden wegen Urkundenfälschung Einspruch erhoben. Der Einspruch, der dem Gericht schriftlich vorlag, richtete sich jedoch nur gegen die Höhe der Tagessätze, nicht jedoch gegen den Strafbefehl und das von ihm vermeintlich abgegebene Schuldeingeständnis. Schon bald zeigte sich in der Hauptverhandlung vor dem Würzburger Amtsgericht, dass der junge Mann ein solches überhaupt nicht abgegeben hatte.

Der arbeitslose junge Mann soll im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) in Schweinfurt im September 2022 wissentlich einen komplett gefälschten, afghanischen Militärausweis vorgelegt haben. Das Original will er noch in seinem Heimatland verloren habe. Davor soll er eine Kopie angefertigt haben, die er vorlegte. Im September erhielt der Mann, der derzeit in einer Unterkunft im Raum Lohr lebt, einen Strafbefehl.

Einspruchsschreiben war in "feinstem Deutsch" abgefasst

Gleich zu Beginn der Verhandlung zeigte sich, dass der junge Mann kaum mehr als das Wort "Dolmetscher" auf Deutsch herausbekommt. Als seine Muttersprache gab er Paschtu an. Das Einspruchsschreiben sei jedoch in "feinstem Deutsch" abgefasst, so der Richter: "Vom Angeklagten kommt es offensichtlich nicht", folgerte er. Es sei ein altes Dilemma, dass sich der Verfasser nicht zu erkennen gebe. Der Richter versuchte es kurz in leichter Sprache. Wieder ohne Ergebnis. Dem Richter blieb keine andere Wahl, als die Verhandlung zu unterbrechen und auf einen kurzfristig bestellten Dolmetscher zu warten. Das Gericht sei anhand der vorliegenden Akten davon ausgegangen, dass der 27-Jährige ausreichend Deutsch versteht.

Mittags ging es in die zweite Runde. Nun genügten jedoch wenige Worte, um Klarheit zu schaffen. Die Fortsetzung war für zehn Minuten später angesetzt. Offensichtlich ahnte das Gericht bereits, in welche Richtung das Verfahren läuft. Rasch zeigte sich, dass der Afghane das Einspruchsschreiben, das er offensichtlich gemeinsam mit einem Integrationshelfer der Caritas verfasst und persönlich unterschrieben hatte, überhaupt nicht verstanden hatte und dass es auch inhaltlich falsch war. In dem Schreiben, das dem Gericht vorliegt, hatte er lediglich darauf hingewiesen, dass er mittellos sei und er mit dem Einspruch eine Senkung und eine Ratenzahlung der Tagessätze beantragt. Nun trug er vor Gericht jedoch vor, dass er mit der Fälschung nichts zu tun habe. Es gehe ihm nicht um die Strafe, er erkenne den Schuldspruch nicht an.

Geständnis unwirksam, da Angeklagter kein Wort Deutsch versteht

Auch davor scheint schon einiges schief gelaufen zu sein. Bereits bei der polizeilichen Vernehmung soll er, so die Akten, ein Geständnis abgegeben haben. In den Unterlagen sei, so der Richter, ausdrücklich aufgeführt, dass die Vernehmung auf Deutsch stattgefunden und dass der Mann den Sachverhalt ausreichend verstanden habe. Der Angeklagte verstehe jedoch kein Wort Deutsch, er wisse nicht einmal, worum es geht.

Entweder sei der Angeklagte ein "hervorragender Schauspieler oder es ist ein Skandal, was in der Akte steht", folgerte der Richter. Deutschland sei jedoch ein Rechtsstaat. Das ganze Verfahren sei falsch abgelaufen, des Geständnis unwirksam. Es müsse nochmals von vorne aufgerollt werden. Der Angeklagte solle nun auf einen neuen Strafbefehl warten, der dann in Paschtu abgefasst sei. Dann könne er wiederum Einspruch erheben. Auch hatte er noch einen wichtigen Hinweis für den Mann: "Für die Zukunft, unterschreiben Sie nichts, was Sie nicht verstehen. Das kann böse ausgehen."

 
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  • Walter Seubert
    Schön das sich die christlichen Hilfsorganisationen um diese Menschen kümmern und ihnen sogar Briefe etc. verfasse.
    Für in Not geratene Frauen oder durch häusliche Gewalt bedrohte haben sie leider erst nächstes Jahr (wenn überhaupt) einen Termin. Hilf dir selbst ist dass Motto. Irgendetwas läuft nicht ganz richtig in diesem Land.
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