
In nur wenigen Tagen wurde Gemünden vor 70 Jahren beinahe vollständig in Schutt und Asche gelegt. Eine kleine Feierstunde auf dem Marktplatz, 229 brennende Kerzen, die an jeden einzelnen in den letzten Kriegstagen ums Leben gekommenen Gemündener erinnerten, aber nur rund 60 Teilnehmer an der Gedenkfeier gedachten am Freitagabend des Schreckens. Mit dieser Veranstaltung sollte an die letzten Kriegstage in der am meisten zerstörten Kleinstadt Bayerns erinnert werden.
„Wir können die Zeit nicht zurückdrehen und das Unfassbare ungeschehen machen. Aber wir können – ja wir müssen sogar – die Erinnerung wachhalten und aus der Geschichte lernen, damit so etwas nie wieder geschehen kann.“ Mahnende Worte von Zweitem Bürgermeister Werner Herrbach bei der Gedenkfeier. Die günstige strategische Verkehrslage Gemündens war das, was am 26. März 1945 die besondere Aufmerksamkeit der alliierten Bomber auf sich zog. Schon am nächsten Tag lieferte sich die Kampfgruppe von Abraham Baum, die auf dem Weg ins Militär- und Gefangenenlager Hammelburg war, erste Gefechte mit deutschen Truppen. Den Todesstoß versetzte Gemünden dann der zweitägige Kampf bis zur Einnahme der Stadt durch die Amerikaner.
„Von den 410 Wohnhäusern in der Innenstadt wurden 179 vollständig zerstört, 40 auf das Schwerste und eine große Anzahl mehr oder weniger schwer beschädigt“, erinnerte Herrbach. Nicht mehr intakt war auch die Trinkwasserversorgung. Als Ersatz diente eine kleine Quelle im Grautal. Viele Menschen wurden obdachlos und mussten in Notquartiere. Unersetzliche Kulturgüter, wie das historische Rathaus auf dem Marktplatz, „das Schmuckstück unserer Stadt“, wurden vernichtet
Auf den Grundmauern dieses Gebäudes erinnerte Herrbach nun an die zahlreichen Toten, die vor allem in den eingedrückten Luftschutzstollen zu verzeichnen waren. Sie wurden in einer eigenen Abteilung im städtischen Friedhof beigesetzt. Soldaten, Männer, Frauen und Kinder, die Opfer der Kriegsereignisse wurden, haben ab 1957 auf der Kriegsgräberstätte am Einmalberg ihre letzte Ruhestätte gefunden.
Lobend erwähnte der amtierende Bürgermeister die Initiativen von Volkshochschule und des Historischen Vereins mit Lotte Bayer an der Spitze, das Engagement von Schülern und Lehrkräften der Mittelschule, die diesen Teil der Geschichte in einem Projekt aufgearbeitet haben, und den Film-Photo-Ton-Museumsverein, die allesamt die Erinnerung an die schwärzesten Tage in der Stadtgeschichte erinnern.
In einem Zeitzeugenbericht beschrieb Lotte Bayer den 26. März als einen „wunderschönen Frühlingstag“, ähnlich wie der Tag der Gedenkfeier. Schön war er, bis sich der Krieg nicht nur insgesamt seinem Ende näherte, sondern auch mit voller Macht in der Stadt an Main, Sinn und Fränkischer Saale. Bayer berichtete, wie die Geschehnisse einer damals 15-jährigen Gemündenerin in Erinnerung blieben. Angefangen vom Motorengeheule der anfliegenden Bomber, bis die ersten Häuser in sich zusammenfielen oder in Flammen aufgingen.
In Flüchtlingstrecks verließen Gemündener ihre Stadt, kamen auf den umliegenden Dörfern unter. Wieder zurück in der zerstörten Stadt, musste die junge Frau zusammen mit anderen Menschen neun Tage in einem Stollen verbringen. Kaum Nahrung, Wasser oder richtige Toiletten. Aber immer das Kriegsgeschehen vor Augen. So auch den verschütteten Nachbarstollen, in dem Menschen verschüttet wurden und schließlich erstickten.
„Ein Schicksal, stellvertretend für viele“, schloss Lotte Bayer ihren Bericht. „Hoffentlich müssen wir das nicht noch einmal erleben“, lautete nach ihren Worten einer der sehnlichsten Wünsche der Zeitzeugin. Auch, dass sich die Menschen immer wieder an diese schrecklichen Stunden erinnern – zur Mahnung.
Doch sind die Geschehnisse und die Toten nicht schon längst ein Stück vergessen, wenn sich nur eine kleine Schar Menschen und Zuhörer aus dem angrenzenden Biergarten erinnert? Selbst der 24-köpfige Stadtrat war bei dieser städtischen Feierstunde nur schwach vertreten. Neben Werner Herrbach und der Dritten Bürgermeisterin Irmgard Pröschl waren nur noch Bundestagsabgeordneter Bernd Rützel, Stefan Koberstein und Gerhard Thumes auszumachen. Beinahe genauso groß war die „Fraktion der Ehemaligen“, angeführt vom früheren Stadtrat und Bürgermeister Hans Michelbach sowie Hubert Schuster, Heinrich Hartmann, Carmen Strein und Edgar Betz.
Die Gemündener Vereine wurden durch die Fahnenabordnung der Volkstanzgruppe vertreten. Musikalisch gestaltet wurde die Gedenkfeier durch Antonia Rützel.