Wenn die Europäische Union eine neue Verordnung erlässt, ist hin und wieder Unruhe in manchen Mitgliedsländern zu spüren. Vor kurzem war es aber nicht einmal eine neue Vorschrift, sondern eine Empfehlung, die für Unmut sorgte, und zwar in der Gastronomie. In ihrer neuen Trinkwasserrichtlinie schlägt die EU-Kommission vor, dass in Restaurants kostenlos Trinkwasser ausgeschenkt werden soll. Was halten Marktheidenfelder Gastronomen diese Idee? Wir haben den Vorstand des Hotel- und Gaststättenvereins (HGM) gefragt.
"Geiz ist geil"-Mentalität
"Ich glaube, in Deutschland gibt das Probleme", sagt Norbert Becker, einer der Vorsitzenden und Besitzer des Bistros Madeleine und des Restaurants La Cabaña Cantina. Er fürchtet, dass, wenn er Wasser kostenlos ausschenken würde, nicht wenige Gäste auch nichts anderes zu Trinken bestellen würden. Es gäbe in Deutschland schon eine gewisse Tendenz zur "Geiz ist geil"-Mentalität, meint Becker, "auch wenn das sicher nicht für alle Gäste gilt". Auch wäre die Umsetzung des Vorschlags wohl ein Mehraufwand für den gastronomischen Betrieb. Es müssten beispielsweise immer volle Karaffen mit Leitungswasser an den Tischen stehen, die müssten nachgefüllt und Gläser müssten gespült werden – all das seien Leistungen, für die er als Gastronom in dem Fall kein Geld bekommt. Ihn kostete es aber beispielsweise Energie, Wasser, Spülmittel. "Das ist für den einzelnen Gast und das einzelne Glas Wasser sehr wenig, wenn man es auf das Jahr hochrechnet, kommt schon was zusammen", sagt Becker.
Einer der Gedanken der EU hinter dem Vorschlag, nämlich Wasser aus der Leitung statt in Plastikflaschen abgefüllt zum Trinken zu nehmen, findet Becker dagegen gut. Er selbst versucht auch, in seiner Gastronomie den Verbrauch von Wasser und Energie zu reduzieren, "und eben nicht nur, um Geld zu sparen", sagt Norbert Becker, sondern auch um Ressourcen zu schonen.
Dienstleistungen können nicht umsonst sein
Ebenfalls wenig begeistert von dem EU-Vorschlag ist der Wirt des Bräustüble in Marktheidenfeld, Thomas Karpf. Gastronomie sei Dienstleistung und Dienstleitung kostet nun mal Geld, sagt der Mitvorsitzende des HGM. "Es kann nicht immer alles umsonst sein, das geht nicht", sagt Karpf. Es ginge ihm nicht um ein Glas Leitungswasser. "Wer heute zum Beispiel ein Glas Wasser will, um eine Tablette zu nehmen, der bekommt natürlich einfach so eines, das ist bei uns völlig selbstverständlich", sagt der Chef des Bräustüble.
Franzosen geben eher Geld für Essen und Trinken aus
Er wüsste nicht, dass jemals ein Gast nach verlangt hätte, dass er kostenlos mit Leitungswasser versorgt werden will, sagt Josef Deppisch, Eigentümer des Weinhauses Anker und ebenfalls HGM-Vorsitzender. Auch er hält den Vorschlag für keine gute Idee. "In Frankreich kann so etwas funktionieren, dort ist die Bereitschaft der Menschen viel höher, Geld für Essen und Trinken auszugeben", erklärt Deppisch. Darum sei es in Frankreich für die Gastronomen auch kein Problem, dass man dort als Gast ein Recht auf kostenloses Leitungswasser zum Trinken hat. "Aber hier in Deutschland ist das nicht der Fall." Er sieht aber bisher auch nicht, dass so ein Angebot den Menschen fehlt.