
Die Tour begann vor dem Historischen Rathaus, wo Manfred Lauter die Ortsgeschichte übernahm. Er hat die Entwicklung seines Heimatortes in vielen Funktionen mitgestaltet. Der Zweite im Bunde war Gerhard Luber, ein kompetenter Sachkenner zur Ikonologie der Marienfiguren.
Auf dem "Spätzplatz" versammelten sich früher die Bürger. Ist er auch heute noch das Zentrum des Marktes? Der Blick hinauf bleibt an den ersten Marienfiguren hängen. Wir sehen eine Himmelskönigin, eine Mondsichelmadonna und am Zehntgerichtshaus eine farbige "Immaculata". Die Schlange, die sich um ihren Fuß wickelt, hat einen Apfel im Maul. Beispielhaft hat Gerhard Luber auf die theologischen Grundlagen hingewiesen. Mit der Schlange und dem Apfel befinden sich eigentlich zwei gegensätzliche Frauentypen im Bild. Während Eva die Schwäche der Menschen gegenüber der Lust darstellt, zeigt sich Maria als aller Sünden frei.
Ursprünglich eine Wehrkirche ist der Platz vor der Pfarrkirche bis heute von einer Mauer umgeben. Auf der einen Seite lagen vermutlich Gaden. Die Maulbeerbäume auf der anderen Seite bedecken den früheren Friedhof. Vehement bestand Manfred Lauter darauf, in Balthasar Neumann den Schöpfer dieser Kirche zu sehen. Im Inneren können wir eine wundervolle Pietá bewundern, eine Darstellungsform der Maria, die es nicht auf den Hausfassaden zu entdecken gibt.
Der rauschende Faltenwurf des Gewandes der großen Sandsteinmadonna beim Weingut Weisenberger ist bildhafter Ausdruck einer tiefen Ergriffenheit im Inneren. Immerhin steht die Madonna jetzt unter einem schützenden Dach, auch wenn keine Panzerkolonnen mehr die Oberdorfstraße entlang donnern.
Den Abschluss des Spaziergangs bildeten die lebensgroßen Holzfiguren beim Pfister. Die an der Hauswand ist zwar eine Neuschöpfung, doch sie ist ebenso erhaben wie das Original in der Heckenwirtschaft. Dieses wird Balthasar Esterbauer zugeschrieben, einem der führenden Bildhauer des Hochbarock. Und in der Tat finden sich hier Krone, Zepter, das Kind, der Faltenwurf, die Weltkugel und jetzt der Drache. Wer aufgepasst hat, hat alle diese Details wieder entdeckt und konnte mit einem weiteren Gläschen Wein und vielen neuen Eindrücken den Rundgang beenden.
Von: Rainer Maas (Vorsitzender, Historisches Rathaus Markt Retzbach e.V.)
