Fast wäre man dem schrägen Quartett aus dem westmittelfränkischen Dietenhofen auf den Leim gegangen: Volksmusik mit Gitarre, Akkordeon, Schlagzeug, Klarinette und Saxofon hatten sie versprochen und die ersten Akkorde ließen sich auch tatsächlich ganz zart und vorsichtig an – fast schon esoterisch. Doch wer die Chaoten des „Gankino Circus“ kennt, wusste bereits vorher um diese falsche Fährte. Das Stück steigerte sich, nahm Fahrt auf, bis es in einem furiosen bayerischen Dreivierteltakt-Veitstanz endete. Das gab die ersten Jauchzer und Jubel beim Publikum im voll besetzten Karlstadter Rathaussaal.
Im Acht-Elftel-Takt
Mit dieser irren Schlagzahl – oft im Acht-Elftel-Takt – geht es dann über zwei Stunden mit aberwitziger und verrückter Musik weiter. Ver-rückt, weil sowohl das Arrangement der Stücke, das Tempo und die Rhythmen nicht selten weit jenseits des Gewohnten sind.
Da legt der brillante Gitarrist Ralf Wieland tatsächlich einen griechischen Sirtaki mit einer Akku-Bohrmaschine hin, da „schwebt“ und sitzt Simon Schorndanner auf den Füßen seines Kumpels Wieland und spielt dort auf der auf der Klarinette „Horch was kommt von draußen rein“. Das ist „Franken-Yoga“ in Reinform.
Der rasende Johannes Sens raubt seinen Zuhörern fast den Atem mit seinen irren Läufen auf dem Schlagzeug und der singende Akkordeonist Maximilian Eder bringt das wohl schrägste Requiem, das jemals in Karlstadt zu hören war: mit dem „Bonofon“ aus den Knochen des Weizen-Charly, dem Wirt der „Heiligen Gans“ von Dietenhofen.
Der Weizen-Charly und seine „Heilige Gans“ haben ja nach ihrer selbstverfassten Legende die Jugendzeit der vier Westmittelfranken angeblich nachhaltig geprägt. Weil in dem öden Nest „nix war“, haben sie das Wirtshaus nur im Notfall verlassen. Und nachdem eben dieser Wirt eines Abends in seinem eigenen Weizenbierglas ertrank, widmeten sie ihm den aberwitzigen Totentanz „Hat si denn der Wirt erhängt, weil er uns ka Bier ausschenkt“. Ausgerechnet Florian Silbereisen ist der einzige Fremde, der je nach Dietenhofen gekommen ist, erzählt Ralf Wieland. Er war dort zu Kur, wegen seines Burnouts – denn Ruhe gibt es genug hier im Niemandsland – und natürlich Franken-Yoga!
Die Musik der Gankinos ist von infernalischer Power, ihre Gags auch. Nicht gerade feinsinnig oder hochgeistig, aber auf ihre Art schon wieder genial. Da ist zum Beispiel die unglaubliche Idee vom „Herpel“, einer westmittelfränkischen Kreuzung aus Henne und Erpel, die „morgens für Spiegeleier und abends für eine Peking-Ente geeignet“ ist. Um den Blödsinn auf die Spitze zu treiben, führt Simon Schorndanner seine Spezialzüchtung im gelben Ölzeug und Taucherflossen vor. Selbstverständlich begleitet von anarchischer Musik, gegen die sogar die berüchtigte Guggenmusik kaum ankommen kann.
Tumultähnlich
Das Publikum sitzt jetzt längst nicht mehr, es bahnt sich tumultähnliche Begeisterung an. Die Gankinos mischen Karlstadt gnadenlos auf. Einfach Klasse.
Nicht ganz so toll gelingt das Musik-Ratespiel, bei dem Zuhörer im Elf-Achteltakt verfremdete Stücke erkennen sollen. Einmal verrechnet sich der Dietenhöfer kräftig, als er meint, das Werk sei so alt wie alle hier im Saal zusammen. Danach hätte Vivaldi seine „Vier Jahreszeiten“ im frühen Mittelalter komponiert. Insgesamt sinkt die Stimmung hier etwas ab.
Noch ein Wermutstropfen: In der Pause musste man feststellen, dass die Dietenhöfer wirklich reine „Bier-Köpf'“ sind. Für die Mainfranken gab es keine Schoppen!