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Gambach
Gambach: Wann wird die Altlast unter früherer Fabrik näher untersucht?
Seit Jahren ist bekannt, dass es im Boden unter dem früheren Emaillewerk beziehungsweise der Ziegelei Mineralölkohlenwasserstoffe gibt. Was die Behörden dazu sagen.
Blick über den Zaun in das frühere Fabrikgelände bei Gambach. Im Untergrund gibt es eine Altlast mit Mineralöl-Kohlenwasserstoffen.
Foto: Karlheinz Haase | Blick über den Zaun in das frühere Fabrikgelände bei Gambach. Im Untergrund gibt es eine Altlast mit Mineralöl-Kohlenwasserstoffen.
Karl-Heinz Haase
Karlheinz Haase
 |  aktualisiert: 10.02.2024 15:52 Uhr

Bei Gambach schlummert eine Altlast im Boden. "Auf dem Grundstück wurden Bodenverunreinigungen (Mineralölkohlenwasserstoffe) festgestellt", bestätigt das Landratsamt auf Nachfrage. Es handelt sich um das ehemalige Werksgelände an der Stelle, wo die Gambacher Bahnhofstraße in die B26 einmündet.

Mineralölkohlenwasserstoffe können Benzin- oder Dieselkraftstoffe sein, Heizöl, Schmieröl oder Lösungsmittel. Bei der Frage nach der Gefährdung, die davon ausgeht, beziehungsweise nach einer möglichen Sanierung geben sich die Behörden ausgesprochen bürokratisch. Das Eisenwerk Düker, das dort dem Vernehmen nach bis in die 1950er Jahre ein Emallierwerk betrieben hat, schweigt trotz dreier Anfragen beharrlich.

Von 1927 stammt diese Aufnahme des Fabrikgeländes bei Gambach. Der Erdweg nach Wernfeld links ist heute die B26.
Foto: Sammlung Niggemann | Von 1927 stammt diese Aufnahme des Fabrikgeländes bei Gambach. Der Erdweg nach Wernfeld links ist heute die B26.
Rechts führt der Weg hinauf nach Gambach – die heutige Bahnhofstraße.
Foto: Sammlung Niggemann | Rechts führt der Weg hinauf nach Gambach – die heutige Bahnhofstraße.

Zwei Bohrungen wurden durchgeführt

Das Landratsamt lässt außer dem oben zitierten Satz zunächst nur knapp verlauten: "Über das Ausmaß der Verunreinigungen können gegenwärtig noch keine abschließenden Angaben gemacht werden, hier sind noch weitere Untersuchungen erforderlich. Informationen zu betrieblichen Abläufen auf dem Grundstück liegen uns nicht vor."

Es gab Überlegungen, Gambach mit einer Unterführung unter der B26 und der Bahnlinie an den Maintalradweg anzubinden. Das staatliche Bauamt in Würzburg bestätigt auf Nachfrage, dass in dem Zusammenhang zwei Bohrungen durchgeführt wurden. "Dabei konnten auch die von Ihnen angesprochenen Bodenverunreinigungen festgestellt werden. Wir haben seinerzeit die Information darüber der Zuständigkeit halber an die Bodenschutzbehörde weitergegeben."

Das brachliegende frühere Werksgelände neben der Bahnlinie und der B26.
Foto: Karlheinz Haase | Das brachliegende frühere Werksgelände neben der Bahnlinie und der B26.

Das Wasserwirtschaftsamt wartet auf das Landratsamt

Auf die erste Nachfrage beim zuständigen Wasserwirtschaftsamt in Aschaffenburg räumt auch der dort für Altlasten zuständige Dr. Klaus Maslowski ein: "Der von Ihnen geschilderte Fall der Mineralöl-Kohlenwasserstoff-Verunreinigung ist dem Wasserwirtschaftsamt bekannt. Wir können Ihnen auch mitteilen, dass weitere Untersuchungen zur abschließenden Gefährdungsabschätzung erforderlich sind." Er betont aber, das Landratsamt sei laut Bodenschutzgesetz dafür zuständig, weitere Maßnahmen anzuordnen.

In einer weiteren Anfrage gibt das Landratsamt bekannt, es habe zunächst eine sogenannte "historische Erkundung" durchgeführt. Daran anschließend habe das Wasserwirtschaftsamt Aschaffenburg als zuständige Fachbehörde eine "orientierende Untersuchung" vorgenommen. "Die Ergebnisse dieser ,orientierenden Untersuchung' hatten zur Folge, dass eine Detailuntersuchung vom Verursacher beziehungsweise Grundstückseigentümer zu veranlassen war. Nach Vorlage der Untersuchungsergebnisse der Detailuntersuchung war eine abschließende Beurteilung des Gefährdungspotenzials aber noch nicht möglich." Grundstückseigentümer und offenbar auch Verursacher sind die Eisenwerke Düker. Diese müssten die weiteren Untersuchungen veranlassen.

Wann kommt die Beurteilung des Gefährdungspotenzials?

Aber wann könnte eine solche Beurteilung vorliegen? Schließlich informiert das Landratsamt, dass verschiedene Untersuchungen zwischen 2007 und 2010 durchgeführt wurden – also vor zwölf bis 15 Jahren. Nicht jeder versteht beim ersten Lesen die folgende Auskunft: "Eine abschließende horizontale Eingrenzung der Bodenverunreinigung zur Plausibilisierung von Ergebnissen steht nach unserer Kenntnis noch aus." Im Klartext heißt das wohl: Rund um die Altlast ist an verschiedenen Stellen noch zu bohren, um festzustellen, wie weit die Verunreinigung reicht.

Undatierte Aufnahme des Werksgeländes bei Gambach
Foto: Sammlung Niggemann | Undatierte Aufnahme des Werksgeländes bei Gambach

Schließlich schreibt das Landratsamt: "Es ergab sich bis dahin kein Sanierungsbedarf, sodass der Vorgang im Altlastenkataster auch nicht vordringlich priorisiert wurde." Wenn dem so ist, wäre eine Begründung dafür interessant. Schließlich wurde die "horizontale Eingrenzung" noch nicht vorgenommen. Das Landratsamt dämpft Hoffnungen, dass dies bald geschehen wird: "Eine Beauftragung entsprechender Untersuchungen, deren Durchführung und Auswertung nehmen erfahrungsgemäß einige Zeit in Anspruch. Deshalb ist hier nicht mit baldigen (End-)Ergebnissen zu rechnen."

Woher kommt eigentlich die Verunreinigung? Die Vermutung legt nahe, dass es möglicherweise eine Betriebstankstelle gab oder anderweitig Öl umgefüllt wurde. Früher wurde nicht so sehr darauf geachtet, was von solchen Einrichtungen aus im Boden versickert. Der Karlstadter Geologe Holger Wilke, der viel mit der Sanierung von Altlasten zu tun hat, weiß, dass bei sehr vielen Tankstellen der Boden mit Mineralöl belastet ist.

Winzer protestierten gegen die Emissionen

Verursacher könnte die ehemalige, von Düker in den 1930er Jahren gegründete Emaille-Fabrik gewesen sein. Sie musste stillgelegt werden, weil die Weinstöcke der Gambacher Winzer das nicht vertrugen, was aus dem Schlot der Fabrik herauskam. Was das genau war, ließ sich nicht recherchieren. Beispielsweise aber ist bekannt, dass bei der Emailleproduktion Blei und Fluor im Spiel waren.

Die Winzer protestierten damals gegen das Werk. Der Produktionsstopp soll gegen Ende der 1950er Jahre erfolgt sein, berichten zwei Informanten übereinstimmend. Ein Gambacher weiß aus Erzählungen, dass einst Eisenspäne in der Emaille gefunden wurden. Es habe geheißen, dass das ein Sabotageversuch gewesen sein könnte. Nach dem Stopp bei Gambach ging die Herstellung von Emaille in Hanau weiter.

"Rollwägeli" brachten Ton zur Ziegelei

Vor dem Emaillewerk gab es an dem Standort eine Ziegelei. Ein paar Angaben zu dieser Fabrik finden sich auf Infotafeln in der Nähe der früheren Wernfelder Tongruben. So sei die Ziegelei  1901/02 errichtet worden. Von den hoch gelegenen Wernfelder Gruben aus wurde der Ton mit Loren über Schienen auf dem kürzesten Weg bis hinunter zu dem Werk transportiert. Diese Route nennen die Gambacher heute noch "Die Rollwägeli". Beim Sportplatzbau habe der TSV die Loren noch eingesetzt, berichtet der TSV-Vorsitzende Herbert Werthmann. Die damals produzierten Ziegel trugen die Aufschrift "Thonwerk Gambach". Einer davon ist nahe der Wernfelder Tongruben an einem "Denkmal", das an den Tonabbau erinnert, "ausgestellt".

Gambach: Wann wird die Altlast unter früherer Fabrik näher untersucht?

Auch das Karlstadter Zementwerk nutzte Wernfelder Ton zur Zementherstellung. Er soll mit Pferdefuhrwerken nach Karlstadt gefahren worden sein. Nach einer anderen Information wurde er mit Loren ins Backsteinwerk Gambach gebracht und von dort per Eisenbahn weiter ins Zementwerk. Das ist vorstellbar, denn 1898 bekam Gambach einen Bahnhof und ein Verladegleis. Doch schon im Jahr darauf kaufte das Zementwerk in Sterbfritz Tonvorkommen, sodass Ton von dort aus direkt mit der Bahn ins Werk nach Karlstadt transportiert werden konnte.

Dr. Humm's Blinkpaste

Nach dem Ende des Emaillewerks wurden die Hallen teilweise als Lager genutzt, in den 70er-Jahren zum Beispiel von der Firma Gummi-Mayer. Der Gambacher Bildhauer Olaf Taeuberhahn produzierte bis kurz vor seinem Tod im Jahr 2002 in einem der Gebäude "Dr. Humm's Blinkpaste". Erste Anfänge dieser Reinigungsmittel gab es schon 1953. Taeuberhahn schrieb in einer Broschüre, Dr. Humm sei der seinerzeitige Laborleiter des Eisenwerks gewesen. Nach einer anderen Information gehörte einen gewissen Humm das Areal der Ziegelei und des anschließenden Hangs. All dies habe Düker ihm abgekauft.

'Dr. Humm's Blinkpaste' wurde auf dem Gelände des einstigen Emaillewerks produziert.
Foto: Karlheinz Haase | "Dr. Humm's Blinkpaste" wurde auf dem Gelände des einstigen Emaillewerks produziert.

Wie mehrere Quellen berichten, habe das Eisenwerk Interesse, das einstige Werksgelände zu verkaufen. Könnte dort etwas Neues entstehen? Das Landratsamt dazu: "Aus bodenschutzrechlicher Sicht ist eine Bebauung von Altlastenflächen in Abhängigkeit von den geplanten Maßnahmen nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Gegebenenfalls sind vorab Sanierungsmaßnahmen durchzuführen. Aus baurechtlicher Sicht wäre die Zulässigkeit einer neuen Nutzung auf dem Grundstück in einem Baugenehmigungsverfahren zu klären."

 
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Kommentare
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  • jennifer_weidle@gmx.net
    Vielleicht braucht es für gescheite Untersuchungen und mehr einfach mal eine Anzeige von Privat oder einen Umweltverband/-verein. Genug Gesetze haben wir ja, aber wo kein Kläger da kein Richter.
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