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Gambach
Fund aus der Urzeit: Der Unterkiefer eines Amphibiums
Aus der Geschichte Main-Spessarts (2): Über 240 Millionen Jahre alt ist der Unterkiefer eines Mastodonsaurus, der in einem Steinbruch in Gambach gefunden wurde. Ein Blick in die Erdgeschichte.
Eine Botschaft aus der Urzeit: Das Gipsmodell ist von einem Unterkiefer eines Mastodonsaurus, der vor über 240 Millionen Jahren gelebt hat. Dieser wurde in einem Steinbruch bei Gambach entdeckt. Professor Dr. Gerd Geyer hält ihn in der Hand.
Foto: Klaus Gimmler | Eine Botschaft aus der Urzeit: Das Gipsmodell ist von einem Unterkiefer eines Mastodonsaurus, der vor über 240 Millionen Jahren gelebt hat. Dieser wurde in einem Steinbruch bei Gambach entdeckt. Professor Dr.
Klaus Gimmler
 |  aktualisiert: 27.04.2023 10:08 Uhr

Eigentlich war es eine kleine Sensation, die aber zum Zeitpunkt ihrer Entdeckung nicht die angemessene Würdigung fand. Jedenfalls weiß man nichts davon, unter welchen Umständen im 18. oder 19. Jahrhundert der Unterkiefer eines Mastodonsaurus im Steinbruch bei Gambach gefunden wurde. "Dabei ist es vermutlich das weltweit größte bekannte Amphibium, von dem Überreste bekannt sind", sagt Dr. Gerd Geyer, Professor für Geologie und Paläontologie an der Universität Würzburg. 

Es handelt sich um einen Unterkiefer eines enorm großen Amphibiums, das zu Lebzeiten etwa dreieinhalb Meter in der Länge maß. Korrekt muss man sagen, nicht der Unterkiefer wurde gefunden. Dieser hat sich aufgelöst, aber im Fels ist die Form des Unterkiefers als Hohlraum erhalten. Gießt man Gips hinein, so bekommt man den Unterkiefer des Urwesens in der Originalgröße. Der Fund war bis 2007 noch im Foyer des Geologischen Instituts in Würzburg ausgestellt. Seitdem befindet er sich in der Bayerische Staatssammlung für Paläontologie und Geologie in München, weil die Universität Würzburg an der paläontologischen Sammlung kein Interesse hatte, bedauert Geyer, der ein Experte für die Geologie und Paläontologie in Unterfranken ist. „Dort liegt er im Archiv.“ 

Sicher ist, das Amphibium muss in der Zeit vor etwa 245 Millionen Jahren gelebt haben, als die Region, die heute Unterfranken genannt wird, eine ausgedehnte Flusslandschaft war. „Die Region lag zu dieser Zeit wenig nördlich des Äquators", erklärt Geyer. Das Amphibium sollte man sich in seiner Lebensweise wie ein Krokodil vorstellen. Es war ein Fleischfresser und wird in einer Flusslandschaft gelebt haben, die von episodischen Regenfällen gespeist worden ist.

Der Winzer- und Bürgerverein Gambach hat im Naturschutzgebiet Grainberg-Kalbenstein einen Geologischen Lehrpfad angelegt. 
Foto: Gerd Geyer | Der Winzer- und Bürgerverein Gambach hat im Naturschutzgebiet Grainberg-Kalbenstein einen Geologischen Lehrpfad angelegt. 

Der Kadaver des Tieres driftete vermutlich im Fluss, bis er verweste und seine Einzelteile von Sand bedeckt wurden, erklärt Geyer. Die eingebetteten Knochen lösten sich mit der Zeit durch chemische Prozesse im Gestein auf, blieben aber als Hohlraum erhalten, bis ein Arbeiter im Steinbruch Gambach beim Aufbrechen des Steins die Form ungewöhnlich fand und es für wert hielt, diese Entdeckung zu sichern. Gewürdigt wird dieser aufsehenerregende Fund auch in einem Geologischen Lehrpfad, der 2017 vom Winzer- und Bürgerverein Gambach im Naturschutzgebiet Grainberg-Kalbenstein mit Unterstützung von Geyer angelegt worden ist.

Schichten von 300 bis 400 Meter

Unterfranken wird geprägt von den Gesteinen der Trias, zusammengesetzt aus den drei Abschnitten Buntsandstein, Muschelkalk und Keuper. In dem Zeitraum, in dem der Buntsandstein gebildet wurde (vor etwa 251 bis 245 Millionen Jahren), "war es sehr heiß“, erklärt Geyer, aber die extrem dicke Abfolge von Sandsteine (300 bis 400 Metern) entstanden in Flusssystemen. Für die muss es genügend Regenfälle gegeben haben, weil sonst die Mengen an Sand nicht abgelagert worden wären, die im Laufe der Millionen Jahre die Schichten aufgetürmt haben. Leider finden sich in der Region sehr wenige Fossilien, weil sich die Flussläufe fast ständig verlagerten und deshalb die Organismenreste zerstörten.

Der Sockel, auf dem auch der Buntsandstein liegt, ist das kristalline Grundgebirge. Die Wissenschaft geht davon aus, dass dieses sich aus Gesteinen zusammensetzt, die im späten Präkambrium und im Altpaläozoikum (vor ca. 700 bis 350 Millionen Jahren) entstanden sind. Dieses kristalline Grundgebirge tritt im nordwestlichen Spessart zutage. Es entstand in seiner heutigen Zusammensetzung aus Gneisen, Glimmerschiefern und Quarziten, daneben auch Diorit, durch eine Gebirgsbildung vor rund 330 Millionen Jahren, ähnlich der der Alpen. Das entstandene Gebirge wurde aber im Laufe der folgenden knapp 100 Millionen Jahre fast vollständig abgetragen.

Zeugnis davon ist das sogenannte Rotliegend. Während der Zeit des frühen und mittleren Perms (vor ca. 300 bis 265 Millionen Jahren) wurden die Abtragungsprodukte des entstandenen Gebirges in riesige Täler transportiert, wo sie als rote Sande und Kiese, aber auch Tone abgelagert wurden. Als sich das heutige Mitteleuropa gegen Ende des Perms deutlich absenkte (258 bis 251 Millionen Jahren vor heute), überflutete das Meer von Nordwesten her weite Teile und erreichte auch noch die Region des heutigen Unterfrankens, wie man bei Rottenberg nahe Aschaffenburg sehen kann. In diesem Zechsteinmeer wurden in Norddeutschland die wirtschaftlich wichtigen Kali- und Steinsalze gebildet. Dieses Zechsteinmeer entwickelte sich zu dem für die folgende Trias charakteristische Germanische Ablagerungsbecken.

Das Meer zog sich wieder zurück

Hebungen des Kontinents und das resultierende Sinken des Meeresspiegels sorgten dafür, dass das Meer verschwand und die kontinentale Zeit des Buntsandsteins begann. Nicht nur der oben genannte Mastodonsaurier lebte damals in der Region. Es gibt im Landkreis Main-Spessart auch noch andere Zeugnisse von Tieren aus dieser Zeit. Erst 2011 hatte Jürgen Lang aus Gemünden die Fährte eines Archosauriers bei Gössenheim gefunden, der dort vor etwa 245 Millionen Jahren gelebt hat. Übrig blieben drei handtellergroße Trittsiegel auf einem Steinblock. Die Archosaurier waren eine im Erdzeitalter Trias weltweit verbreitete Reptiliengruppe.

Steinerne Visitenkarte: Der Gössenheimer Steinblock weist eine Reihe urzeitlicher Spuren auf.
Foto: Ferdinand Heilgenthal | Steinerne Visitenkarte: Der Gössenheimer Steinblock weist eine Reihe urzeitlicher Spuren auf.

Auch Professor Geyer hatte zur Zeit ihrer Entdeckung die Abdrücke in Augenschein genommen und die Identifikation bestätigt. Vermutlich handelt es sich um Abdrücke von Vorder- und Hinterextremitäten, die unterschiedlich groß sind. Geyer vermutet, dass dort mehrere dieser Pflanzenfresser über die gleiche Stelle gelaufen sind. Skelette dieser Saurier sind aber bisher nicht gefunden worden. Nahezu gleiche Fährten sind aber seit langem aus der Gegend von Gemünden bekannt, ähnliche auch aus den Steinbrüchen bei Gambach.

Auf den Buntsandstein folgte der Muschelkalk (knapp 245 bis 235 Millionen Jahre vor heute). Das Germanische Becken wurde damals durch ein flaches Binnenmeer überflutet. In diesem Meer bildeten sich vor allem Kalkschlämme, aus denen die heutigen Kalksteine entstanden. In dem sehr warmen Meereswasser gediehen zahlreiche Meerestiere. Die Schichten des Muschelkalks erreichen in Unterfranken eine Mächtigkeit von mehr als 250 Metern. Im Landkreis Main-Spessart tritt der Muschelkalk an vielen Stellen zutage, besonders deutlich entlang der Hänge des Mains zwischen Gemünden und Retzbach, aber auch am Kallmuth bei Homburg. Im benachbarten Lengfurt und bei Karlstadt wird er zur Gewinnung von Zement abgebaut.

Besonders der Obere Muschelkalk speichert die Wärme

Anders als der Name Muschelkalk vermuten lässt, enthalten die fossilreichen Gesteine dieser Einheit nicht nur Muscheln, sondern vor allem auch die den Muscheln äußerlich ähnlichen Armfüßer, erklärt Geyer. In vielen Schichten sind sie sogar häufiger als Muscheln. In manchen Intervallen des Muschelkalks sind auch Reste von Stachelhäutern sehr häufig. Besonders charakteristisch für den Oberen Muschelkalk sind die spiralig aufgerollten Gehäuse von Tintenfisch-artigen Tieren, die als Ceratiten bekannt sind. Die Muschelkalk-Gesteine bilden aber auch ein gutes Substrat für Weinanbau. Besonders der Obere Muschelkalk speichert die Wärme, die eine Rebe braucht, um eine fruchtige Traube wachsen zu lassen.

Fund aus der Urzeit: Der Unterkiefer eines Amphibiums

Die Geschichte der Trias ist eine Aufeinanderfolge von Hebungen, Senkungen und Verkippungen der mitteleuropäischen Kontinentalplatte. Das germanische Becken war im Buntsandstein Festland, wurde während der Muschelkalk-Zeit vom Meer überflutet. Vor etwa 235 Millionen Jahren zog sich das Meer wiederum zurück. Es entstanden in der Folge die Gesteine des Keupers, die heutzutage im Osten Unterfrankens dominieren und vor allem im Steigerwald und den Haßbergen zutage treten.

Auf die Trias folgte der Jura, der wiederum durch Meeresablagerungen dominiert wird. Danach fanden die Ablagerungen in unserer Region vor spätestens 150 Millionen Jahren ihren Abschluss. Seit dieser Zeit unterliegt die Region einer beständigen Abtragung, und vom Jura sind in Unterfranken nur noch winzige Reste erhalten.

Wer Unterfranken auf der Autobahn von Aschaffenburg nach Nürnberg durchfährt, quert von Nordwesten nach Südosten immer jüngere Schichten. Diese Schichten wurden bei ihrer Entstehung horizontal abgelagert. Erst der Einfluss der Alpenbildung, die vor etwa 50 Millionen Jahren begann, sorgte dafür, dass die Kontinentalplatte in Mitteleuropa mit etwa fünf Grad verkippt wurden und die Schichten in Nordbayern entsprechend nach Osten abfallen, so Geyer weiter. Die Erosion planierte das Terrain, so dass das westliche Unterfranken nicht besonders herausgehoben ist, und sie sorgte dafür, dass ursprünglich übereinander liegende Schichten jetzt an der Erdoberfläche nebeneinander zu sehen sind.

Der Prozess der Auffaltung der Alpen ist zwar noch immer im Gang, da die von Süden heranrückende Platten auf die mitteleuropäische Kontinentalplatte drücken. Daher wird in den nächsten Millionen Jahren mit weiteren Erdbeben und Krustenbewegungen zu rechnen sein. Aber Geyer ist sich sicher, die Menschheit wird das Ende der alpinen Gebirgsbildung nicht mehr erleben.

Literatur: Gerd Geyer: Gerd Geyer: Die Geologie von Unterfranken und angrenzenden Regionen.
Gerd Geyer, Hermann Schmidt-Kaler:
Wanderungen in die Erdgeschichte: Den Main entlang durch das Fränkische Schichtstufenland.

Lesetipp: Den Einstieg in die Serie verpasst? Die bisher erschienenen Serienteile finden Sie unter www.mainpost.de/geschichte_mspL.

 
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