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GEMÜNDEN
Für einen legalen Rausch ist kein Kraut gewachsen
Michael Fillies
Michael Fillies
 |  aktualisiert: 11.12.2019 18:42 Uhr

Die alte Regel „Unwissenheit schützt vor Strafe nicht“ gilt immer noch. Nach dem Grundsatz verurteilte Strafrichter Jan Teubel am Donnerstag am Amtsgericht einen 28-jährigen Arbeiter wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz.

Es ging um eine der sogenannten Kräutermischungen, die als Haschischersatz im Umlauf sind. „Bonzai Winter Boost“ heißt das Zeug, von dem sich der wegen Drogenkonsums und -handels vorbestrafte Gemündener drei Gramm über das Internet bestellt hatte. Am 8. Juni 2016 ist diese Mischung in die Listen des deutschen Betäubungsmittelgesetzes aufgenommen worden. Weil sein Päckchen zwei Tage zuvor per Post geliefert und außerdem die getrockneten Kräuter als legal beworben worden waren, gab der 28-Jährige vor, sich nicht bewusst gewesen zu sein, etwas Verbotenes zu tun. Das nahmen ihm als Profi in Sachen Drogen weder der Staatsanwalt noch der Richter ab.

„. . . . dass das so reinhaut!“

Warum „Bonzai Winter Boost“ verboten ist und wie gefährlich solche Mischungen sind, hatte der Gemündener am Freitag, 10. Juni 2016, selbst zu spüren bekommen. Da rauchte er zum „Abschalten im Wochenende“ etwas von den Krümeln. Er habe gewusst, dass die Kräuter stärker wirken als Cannabis, deswegen habe er eine geringe Menge verwendet: „Vielleicht nur 0,1 Gramm. Hab aber dumm geglotzt, dass das so reinhaut!“ Völlig benebelt fing der Mann an, in seiner Wohnung zu randalieren. Seine Freundin und ein Besucher bekamen es mit der Angst zu tun; sie riefen den Rettungsdienst und die Sanitäter wiederum die Polizei zu Hilfe.

Erst randaliert, dann bewusstlos

Als die Beamten kamen, wurde der Randalierer einige Zeit bewusstlos, dann ließ er sich widerstandslos ins Krankenhaus bringen. Das Bayerische Landeskriminalamt meldet für das vergangene Jahr 33 Todesfälle durch sogenannte „Legal Highs“, was der Oberbegriff für die als Badesalze, Lufterfrischer oder Kräutermischungen bezeichneten Ersatzdrogen ist. Insgesamt kamen 2016 in Bayern 273 Menschen durch Drogenkonsum ums Leben.

Kreislaufkollaps

Auch der Kreislaufkollaps des Gemündeners hätte tödlich enden können, deswegen beteuert er vor Gericht, nie wieder Kräuter probieren zu wollen. „Ich hatte eine schlechte Zeit, wollte abschalten, da hat mich gleich Gott dafür gestraft.“ Im Weiteren kommt zur Sprache, dass der 28-Jährige unter Bewährung steht und als Auflage regelmäßig Urinproben abzugeben hat, um zu belegen, dass er keine Drogen mehr nimmt. Manche Testergebnisse sprechen gegen ihn, wobei der Mann mit der Kurzhaarfrisur heftig leugnet, rückfällig geworden zu sein. Zum Beweis legt er das Ergebnis einer Blutprobe vor, die er auf eigene Kosten hat untersuchen lassen und die Fehler beim Urintest belegen soll.

Belastendes Wissen

Die genauen Kenntnisse der Wirkstoffe in Drogen legen der Staatsanwalt und später auch der Einzelrichter dem Angeklagten belastend aus: Wer sich so gut auskenne, unter Bewährung stehe, sich von Drogen fern halten müsse, der wisse, dass in solchen, als berauschend angebotenen Mixturen nichts Erlaubtes sein könne. „Er hat mit dem Feuer gespielt und sich jetzt letztlich verbrannt“, sagt der Staatsanwalt und fordert eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen a 50 Euro.

Hohe Geldstrafe

Der Verteidiger mag der Logik des Staatsanwalts nicht folgen, der zufolge Berauschendes automatisch verboten sei, das gelte schließlich nicht für Alkohol. Er wiederholt, dass sein Mandant gutgläubig von der Legalität der Kräutermischung ausgegangen sei, und sieht deswegen einen Freispruch geboten. Allenfalls sollte eine Geldstrafe verhängt werden. Zum zweiten entscheidet sich Strafrichter Teubel, und zwar zwar in der vom Staatsanwalt verlangten Höhe von 4500 Euro. Die Beteiligten nehmen das Urteil an, das damit rechtskräftig ist.

Im Internet werden übrigens „Bonzai Winter Boost“ und ähnliches immer noch als legal zum Kauf angeboten – allerdings als „nicht zur Anwendung am oder im Körper vorgesehen“.

 
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