Die Betreuungsplätze für Klein- und Kleinstkinder sind im Stadtgebiet belegt, und der Bedarf steigt absehbar weiter. Mit Erweiterungsbauten in Gemünden (1,45 Millionen Euro) und Langenprozelten (860 000 Euro) wollte die Stadt darauf reagieren. In der Stadtratssitzung am Montagabend in der Scherenberghalle stellte die Stadtverwaltung eine Alternative vor und erhielt auch gleich die einstimmige Genehmigung des Stadtrats dafür: ein Neubau des Gemündener Kindergartens St. Martin für schätzungsweise 4,15 Millionen Euro.
Zurzeit befindet sich der 1988 eröffnete und sozusagen aus allen Nähten platzende Kindergarten St. Martin südlich der Grund- und Mittelschule im Hofweg. Der neue Standort wird nördlich davon auf dem Sportplatz der Mittelschule zwischen dem Bahndamm und dem Hallenbad sein. Der Sportplatz werde kaum genutzt, sagte Bürgermeister Jürgen Lippert dazu, und außerdem stehe der ESV-Ausweichsportplatz gegenüber der Schule am östlichen Saaleufer zur Verfügung. Die Schulkindbetreuung, die bislang im ehemaligen "Haus des Gastes" der Scherenberghalle untergebracht ist, soll nach dem Neubau ins alte Kindergartengebäude umziehen.
Schlüssiges Konzept
Das Konzept schien allen Stadträten schlüssig; die Vorteile, die Bauamtsleiter Jörg Breitenbach aufgezählt hatte, waren nachvollziehbar: Eine Erweiterung am Bestandsgebäude verursacht wegen der Anpassung an die Fläche und die Versorgungsleitungen Mehrkosten und beeinträchtigt den Betrieb der Kindertagesstätte bzw. vermeidet ihre vorübergehende Auslagerung in andere Gebäude. Ein Neubau erfüllt aktuelle Vorgaben, beispielsweise kleinere Gruppen. Im Gegensatz zum alten Standort bleiben beim neuen künftige Erweiterungen möglich. Für die Schulkindbetreuung hätte wegen der anstehenden Sanierung der Scherenberghalle über kurz oder lang eine Ersatzlösung gefunden werden müssen.
Jörg Breitenbach hatte den Stadträten auch die überschlägig ermittelten Kosten für die Varianten vorgestellt: Erweiterung in Modulbauweise für 3,55 Millionen Euro (nach Abzug staatlicher Zuschüsse verbliebe ein Eigenanteil der Stadt von 2,09 Millionen Euro), konventionell erstellter Erweiterungsbau für 3,325 Millionen Euro (1,59 Millionen Euro Eigenanteil) und Neubau in Modulbauweise 4,15 Millionen Euro (1,585 Millionen Euro Eigenanteil).
Mehr Kinder zu erwarten
Den Bedarf an Betreuungsplätzen hatte Hauptamtsleiterin Belinda Köhler eingangs erläutert. In einer umfangreichen Ausarbeitung für das Stadtgebiet Gemünden zeigte sie den aktuellen und den zu prognostizierenden Bedarf der vier städtischen Kindergärten (Adelsberg, Gemünden, Langenprozelten und Seifriedsburg) und der drei in freier Trägerschaft (Hofstetten, Wernfeld und Kreuzkloster) auf. Schon jetzt ist eine Regelgruppe (Kinder im Alter von zweieinhalb Jahren bis Einschulung) mit einer befristeten Ausnahmegenehmigung ins Kreuzkloster ausgelagert. Das Neubaugebiet Mühlwiesen II werde mutmaßlich junge Familien nach Gemünden ziehen und somit den künftigen Bedarf erhöhen.
Belinda Köhlers Ausführungen zufolge leben zurzeit 151 Kinder im Alter von ein bis drei Jahren im Stadtgebiet. 129 davon haben einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz. Zwischen dem 1. Juni 2019 und dem 31. Mai 2020 wurden 93 Kinder geboren, die ebenfalls einen Betreuungsanspruch haben werden. Immer mehr Eltern machen diesen Anspruch auch geltend.
Puffer für Bedarfsspitzen
Mit einem Neubau in Gemünden bekäme die Stadtverwaltung aufgrund des besseren Raumangebots auch Luft, zeitweise Bedarfsspitzen im Stadtgebiet abzufangen; Erweiterungen oder Zwischenlösungen mit Containern blieben erspart. Die Planung für die Erweiterung des Kindergartens Langenprozelten aber sei damit "nicht vom Tisch", antwortete Bürgermeister Lippert auf eine Frage von Stadtrat Richard Rauscher.
Sein Kollege Matthias Risser folgerte, dass sich mit dem zu finanzierenden neuen Großprojekt die Aussichten für das Großprojekt Scherenberghalle (Generalsanierung für sechs Millionen Euro) verschlechtern. Der Bürgermeister gab ihm insofern recht, als der Kindergarten eine Pflichtaufgabe der Kommune ist und damit Vorrang habe, die Scherenberghalle dagegen eine freiwillige Leistung. Rissers Gedanke, "muss denn eine Scherenberghalle aufrecht erhalten werden?", könnte sie nicht in irgendeiner Form eine Alternative für den Kindergarten St. Martin sein?, wurde in der Stadtratssitzung nicht weiter diskutiert. Jürgen Lippert sagte dazu nur knapp: "Die Beschlusslage Scherenberghalle ist klar, wie haben einen Beschluss zum Planungsauftrag gefasst."