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Für den Papst, den Bischof und den BR
Tontechniker haben das Geläut der alten Pfarrkirche St. Laurentius aufgenommen. Zu hören ist es an Allerheiligen um 12 Uhr auf Bayern 1. Unser Reporter nutzte die Chance, Glocken und Turm zu inspizieren.
Für den Papst, den Bischof und den BR
Roland Pleier
 |  aktualisiert: 27.08.2014 11:37 Uhr

Am ersten Tag seiner Elternzeit lässt er es sich nicht nehmen: Küster Bernhard Nees eilt zur Laurentiuskirche. Die Sakristei aufsperren, Knöpfe drücken. Die Kirche feiert heuer Jubiläum, ist 400 Jahre alt. Ein schönes Anlass, ihre Glocken einmal bayernweit ertönen zu lassen, meinte Pfarrer Hermann Becker: nämlich beim 12-Uhr-Läuten, das der Radiosender Bayern 1 seit dem 5. Juni 1949 pflegt. Sein Ruf wurde erhört.

Ein Auto, eine Kabeltrommel, zwei Mann, zwei Mikros, zwei Funkgeräte, eine Stoppuhr: Mehr braucht's nicht für die Aufnahme. Der Nieselregen stört etwas: Es tropft aufs Glasdach vor der Sakristei. „Geht noch“, meint Toningenieur Markus Spatz aus Nürnberg.

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Die Löcher in der Decke des Kreuzgewölbes braucht es heute nicht mehr: Als die Glocken noch per Hand gezogen wurden, führten die Seile durch die Decke. Die jetzigen Glocken, 1951 gesegnet, werden von Motoren in Schwung gebracht. 14 Motive weist die „Läuteordnung“ aus: Von der Sekunde (Glocken 2 und 3) über das Te Deum (3 – 4 – 5) bis zum Salve Regina (1 – 3 – 4 – 5). Angefangen wird stets mit dem höchsten Ton, die tieferen folgen im Zehn-Sekunden-Abstand.

Die Pentatonische Reihe (1 – 2 – 3 – 4 – 5) wird nur bei Ernennung des Papstes oder Würzburger Bischofs eine Viertelstunde geläutet – oder (mit Pausen) wenn der Bayerische Rundfunk zu Gast ist. Testlauf. Nees aktiviert die Glocken im Handbetrieb. Die Glocke 3, die Martinsglocke, schwingt etwas schneller an als die gemächliche 2, die Marienglocke hinterher, stellt Tontechniker Andreas Heubner fest, mit Funkkontakt zu seinem Kollegen und der analogen Stoppuhr in der Hand. Nees soll also zuerst die schwerere Marienglocke und dann die schnellere Martinsglocke hinterher aktivieren.

Fünf Minuten am Stück wollen die Tontechniker aufnehmen. „Manchmal klappt's beim ersten Mal“, sagt Spatz. Nicht in Marktheidenfeld. Die Nebengeräusche von der Baustelle waren zwar „erträglich“, das „Abläuten“ allerdings ein „bisschen lang“. 30 Sekunden hat Heuber gestoppt, bis der letzte Ton verhallt. Prompt folgt der Hammerschlag auf die Marienglocke: Es ist eine Viertel Stunde nach elf Uhr.

Die beiden Richtmikrofone mit Windschutz sind in sechs Metern Höhe auf dem Stativ zum Läutwerk hoch gerichtet. Etwa auf selber Höhe haben in einer Fensternische des Turms im Frühjahr erst die Dohlen ihre Jungen großgezogen, dann erstmals ein Falkenpärchen seine vier Küken, erzählt Nees. Ein Stockwerk höher steht noch das Uhrwerk der alten Turmuhr. Die letzte Steige zu den Glocken unter dem Zwiebelturm, der den spitzen Echter-Turm nach einem Blitzschlag ersetzt hat, ist extrem steil. Da hängen die zentnerschweren Giganten, allesamt 63 Jahre alt, aufgehängt in nicht mehr zeitgemäßem Stahlrahmen. Die Klöppel schwingen an dicken Lederriemen.

Die Techniker lassen nochmals läuten. Nochmals fünf Minuten – auch wenn für das 12-Uhr-Läuten an Allerheiligen nur etwa zwei Minuten gebraucht werden. „Das wird archiviert“, erläutert Heuber. „Das ist ja auch ein Zeitdokument.“ Eines von über 4000 des Senders. Diesmal klappt nicht nur das Abläuten, sondern auch eine Autotür. „Tut mir leid“, entschuldigt sich Nees stellvertretend. Spatz sitzt im Auto, kontrolliert. Zwei Minuten später kommt die Entwarnung. „Wir lassen's so.“

Als beide Zeiger der Turmuhr von St. Laurentius ganz oben stehen, die Automatik die Martinsglocke anschwingt, ist der blaue Kleinbus mit den beiden Technikern schon wieder unterwegs auf der Luitpoldstraße Richtung Autobahn und Nees auf dem Weg zu seinem kleinen Jakob. Jetzt endlich beginnt seine Elternzeit.

Das Geläut der alten Pfarrkirche St. Laurentius Marktheidenfeld

Nachdem die Vorgänger-Glocken 1941 zu Kriegszwecken entnommen worden waren, läutete zehn Jahre lang nur ein kleines Glöckchen. Das neue, 111 Zentner schwere Geläut wurde am 8. Dezember 1951 gesegnet. Gegossen wurden die fünf Glocken mit Durchmessern zwischen 86 und 151 Zentimetern von der Firma F. Otto aus Hemelingen bei Bremen. Die Läutemaschinen lieferte die Firma Bokelmann & Kuhlo aus Herford.

1. Christkönigsglocke (Schlagton des): 2085 Kilogramm Gewicht, gestiften von der Pfarrgemeinde.

2. Marienglocke (es): 1385 Kilogramm, gestiftet von Adam Bähr, Emil Gresser, Hans Kissner, Udo Lermann, Alfred Ruppert, Eusebius Schäfer, Josef Scheiner, Georg Schmitt und anderen Wohltätern.

3. Martinsglocke (f): 1035 Kilogramm, gestiftet von Kommerzienrat Georg Mayr.

4. Laurentiusglocke (as): 615 Kilogramm, gestiftet von Betty Scheiber.

5. Glocke zu Ehren der drei Frankenapostel (b'): 422 Kilogramm, gestiftet von der Pfarrgemeinde.

 
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