
Nein, Bürgermeister Horst Fuhrmann schüttelt den Kopf. Als eine „boomende Gemeinde“ würde er Kreuzwertheim nicht bezeichnen. Sicher, die Gemeinde stehe wirtschaftlich gut da, aber boomend – das sei übertrieben, winkt er ab, denn auch in Kreuzwertheim hat die Gemeinde mit allen Problemen zu kämpfen, die der demografische Wandel mit sich bringt.
Dabei sind die Kennzahlen, mit denen man auf den ersten Blick die finanzielle Lage einer Gemeinde beurteilen kann, in Kreuzwertheim hervorragend. Die Pro-Kopf-Verschuldung liegt derzeit bei 60 Euro, was schon sehr niedrig ist. Zudem hat die Gemeinde Rücklagen in vergleichbarer Höhe ihrer Schulden. Sie ist also praktisch schuldenfrei. Kreuzwertheim erhält keine Schlüsselzuweisungen vom Staat, was für ein großes Gewerbesteueraufkommen spricht. Keine Frage, die südlichste Gemeinde im Landkreis Main-Spessart steht vergleichsweise sehr gut da.
Dies verdankt sie ihrer günstigen Lage. Das Gewerbegebiet im Gemeindeteil Wiebelbach liegt direkt an der A 3. Potente Firmen wie Kurtz ersa, Seho systems und die Peter Wahl GmbH haben sich hier niedergelassen. Dort werden unter anderem Lötmaschinen und Stanz- und Biegeteile für den Weltmarkt produziert. Zudem profitierte die Gemeinde von der Nähe zu Wertheim. Die Orte gehörten früher mal zusammen, jetzt trennt der Main Bayern von Baden-Württemberg. Aber dies habe kaum Einfluss auf den Alltag, sagt Bürgermeister Fuhrmann.
Die Bilanz ist gut, dennoch muss sich auch die Gemeinde Kreuzwertheim auf sinkende Bevölkerungszahlen einstellen. Eine Studie des Landkreises weist für das Jahr 2035 nur noch 2665 Einwohner für Kreuzwertheim mit seinen Gemeindeteilen Röttbach, Unterwittbach und Wiebelbach aus. Dies sind zirka 1000 Einwohner weniger als derzeit (siehe Grafik). Wenn dies so eintritt, hätte dies enorme Konsequenzen für das Dorfleben.
Die Antwort von Bürgermeister Horst Fuhrmann darauf ist wie die von vielen anderen Bürgermeistern auch: „Wir müssen so attraktiv wie möglich werden“, sagt er, „damit die Bürger sich hier wohl fühlen und hier bleiben“. Aufhalten könne man den demografischen Wandel nicht, ist er sich bewusst. Aber man könne ihn bremsen.
Und da hat die Gemeinde aufgrund ihrer finanziellen Kraft größere Möglichkeiten als eine vergleichsweise arme Gemeinde im Sinngrund. Beispiel: Leerstände im Altort. Hier tritt die Gemeinde, wenn es nötig ist, als Immobilienmakler auf – nicht mit dem Ziel, Geld zu verdienen, sondern um leer stehende Anwesen so vorzubereiten, dass sich wieder ein Käufer findet. „Da haben wir schon einige Erfolge gehabt“, sagt Fuhrmann. „Aber man braucht einen langen Atem.“ Denn trotzdem findet sich bei manchen Objekten kein Interessent. Das Ziel ist es, einer Verödung des Ortskerns entgegenzuwirken.
Wichtig ist für Fuhrmann, dass die Infrastruktur auf dem neusten Stand gehalten wird. Mit Supermärkten ist die Gemeinde gut versorgt, einer der drei Kindergärten wird derzeit um eine Kleinkindgruppe erweitert und Grundschüler haben gemäß der Regel „kurze Beine, kurze Wege“ ihre Schule noch im Ort. Aber auch nach dem Verlassen der Grundschule haben es die Schüler nicht weit. Wertheim ist leicht über die historische Mainbrücke zu erreichen, wo alle Schularten angeboten werden. Auch für die Senioren ist gesorgt. Wer pflegebedürftig ist, findet einen Platz im Pflegeheim „Rosenglück“.
Doch die Auswirkungen des Geburtenrückgangs sind auch in Kreuzwertheim zu spüren. Fuhrmann beschreibt das Vereinsleben als intakt, aber es fehlt nicht nur dem Männergesangverein an Nachwuchs. Die Fußballer-Jugend muss sich zu Spielgemeinschaften zusammenschließen, um noch eine Mannschaft bilden zu können. Aufgelöst hat sich ein Jet-Ski-Verein, weiß Fuhrmann. Das sind die, die mit einer Art Motorschlitten auf dem Main herumfahren.
Klar ist, dass der prognostizierte Bevölkerungsrückgang die Probleme des fehlenden Nachwuchses in den Vereinen verschärfen wird. Die Folge könnte eine Verarmung des Vereinslebens sein. Es kämen aber auch höhere Ausgaben auf die Menschen zu, sagt Fuhrmann. Schließlich entstehen durch die Aufrechterhaltung der nötigen Infrastruktur Fixkosten, die dann von weniger Menschen getragen werden müssen.
Die Antwort ist, die Gemeinde im Rahmen der finanziellen Mittel so attraktiv wie möglich zu gestalten. Dazu passt ein Projekt, das die Gemeinde in Kürze in Angriff nehmen will. Das Main-Vorland direkt gegenüberliegend von Wertheim soll umgestaltet werden. Über eine Million Euro will die Gemeinde in die Hand nehmen, um diesen attraktiv gelegenen Platz zu einem Naherholungsgebiet auszubauen.
„Es soll ein Platz für alle Generationen sein“, sagt Horst Fuhrmann. Er stellt sich eine Kombination von Spielgeräten, Bolzplatz, Biotop und Rastmöglichkeiten sowie Spazierwegen für Senioren vor. Eine Ideenwerkstatt hat bereits Vorschläge dafür erarbeitet. Mit in der Planung ist auch ein Biergarten entlang des hier verlaufenden Maintal-Radwanderweges. Die Radler können dann von dort den Blick auf die Wertheimer Burg genießen.
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