Ein Imam ruft in einer katholischen Kirche zum Gebet. Neben ungewöhnlichen musikalischen Einfällen war dies wohl der überraschendste Moment für die wohl 600 Zuhörer beim diesjährigen Jahreskonzert der Katholischen Kantorei Marktheidenfeld.
Vor sechs Jahren hatte man schon einmal gemeinsam das anspruchsvolle Werk "The Armed Man: A Mass for Peace" des Walisers Karl Jenkins gemeinsam mit der Russischen Kammerphilharmonie St. Petersburg (Leitung: Juri Gilbo) in der katholischen Pfarrkirche St. Josef aufgeführt. Seitdem ist die Welt nicht stehen geblieben und nicht alles hat sich zum Besseren entwickelt. Neue Kriege und Krisen haben Millionen von Menschen zur Flucht bewegt. Auch in Deutschland haben Intoleranz und Hass seitdem nicht abgenommen, treten offener denn je zutage.
Hoffnung auf die weihnachtliche Friedensbotschaft
So fragte Dekan Hermann Becker in seiner Begrüßung, was denn eigentlich von der weihnachtlichen Botschaft des Friedens geblieben sei. Der Geistliche sah dennoch Hoffnung, denn täglich würden Menschen aufbrechen, um Gegensätze zu überwinden und Versöhnung zu erreichen.
Ganz in diesem Sinne war dann auch der Konzertabend mit seinen musikalischen Leistungen unter der Gesamtleitung von Hermann Grollmann zu verstehen. Als Solistinnen meisterten Cornelia Lanz (Mezzosopran), Simone Sommer (Sopran) und Kerstin Mayer (Alt) die ihnen bei der Aufführung gestellten Aufgaben bestens.
Martheidenfelds Imam rief zum Gebet
"The Armed Man: A Mass for Peace" ist eine Komposition mit dem Charakter eines großen Oratoriums, obwohl es sich im Kern an den vertrauten Bestandteilen der Liturgie einer Messe orientiert. Nach dem militärisch wirkenden Auftakt mit "The Armed Man" nach einer Marschmelodie aus dem 15. Jahrhundert, trat Halil Sanli, Iman der Türkisch-Islamischen Gemeinde in Marktheidenfeld, vor das Publikum und sang den traditionellen Aufruf zum Gebet.
Komponist Karl Jenkins schrieb sein im Jahr 2000 uraufgeführtes Werk unter dem Eindruck des Kosovo-Kriegs, der vor allem auch von den Zügen einer religiösen Auseinandersetzung geprägt war. Die Botschaft des Chorwerkes ist der Ruf nach Frieden und die Erkenntnis, dass jeder Tote eines Kriegs ein sinnlos vernichtetes Menschleben ist.
Musikalisch wurde dies in einem Dialog und im Zusammenklang mit dem Chor, der glänzenden Solistin Cornelia Lanz und dem engagiert und dynamisch wirkenden Orchester dargeboten. Hermann Grollmann führte dies alles harmonisch zusammen, selbst wenn sich im sich immer mehr steigernden Chaos der Töne gegen Ende des ersten Teils Vernichtung und Untergang Bahn brechen.
Nach kriegerischem Zusammenbruch und eingetretener Stille wünschte sich der Chor im Agnus Dei sehnsuchtsvoll Vergebung herbei. Die Hoffnung auf Frieden begann harmonisch aufzukeimen, um in einem hymnischen Gotteslob zu enden. Die Zuschauer spendeten großen Applaus für eine besondere musikalischer Leistung, bevor sie im zweiten Teil des Konzerts eine Uraufführung miterleben durften.
Premiere der Vertonung des Vereinten-Nationen-Gebets
Hermann Grollmann war vom Gebet der Vereinten Nationen "God of the Free" so beeindruckt, dass er sich zu einer Vertonung in fünf Sätzen entschloss. Sein in Marktheidenfeld erstmals aufgeführtes Werk schloss sich nun bestens in einem Programm an, dass man in besonderer Weise den Toten des vor vierhundert Jahren begonnen Dreißigjährigen Kriegs und des vor 100 Jahren beendeten Ersten Weltkriegs sowie der 1948 verabschiedeten Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte gewidmet hatte.
Grollmanns Komposition, das an vielen Stellen von originellen, dem Jazz verpflichteten Einfällen geprägt ist, erwies sich als schlüssig und spannend. So waren neben dem Chor die Stimmen der drei Sängerinnen gefragt und einzelne Solo-Instrumente sorgten für Einprägsamkeit wie das Cello in "Grant Us Victory". Besonders gefordert waren ein einem bisweilen überwältigendem Klangbild die Bläser und die Rhythmusgruppe.
Der Schlussatz beschwor hymnisch die Brüderlichkeit und verklang mit der Hoffnung auf eine bessere Welt. Am Ende des zweistündigen Konzerts erhoben sich die Zuhörer applaudierend von den Kirchenbänken und zeigten so, dass die Musik und die Botschaft bei ihnen auf offene Ohren getroffen war.