"Mein Neffe hat selbst Kühe, deshalb helfe ich mit", sagt Hilde Larösch (73) aus Mittelsinn. Die Mittelsinnerin und fünf weitere Freiwillige rücken mit Torsten Ruf, Gebietsbetreuer für Grünland im Naturpark Spessart, auf den berühmten Schachblumenwiesen im Sinngrund dem Wasserkreuzkraut mit Unkrautstechern zu Leibe. Ein paar interessierte Radfahrer schließen sich spontan der Aktion an.
"Um die Wurzel zu erwischen, suchen sie die Blattrosette, stechen ein und ziehen mit Hebelwirkung wieder raus", erklärt Torsten Ruf den Vorgang. Die Pflanze kommt dann in einen Müllsack, der später als Restmüll verbrannt wird. Nur so wird sichergestellt, dass keine Samen ausreifen können. Die Pflanze ist derzeit gut an den kleinen gelben Blüten erkennbar.
Zehn Müllsäcke voll
"Wir haben 240-Liter-Müllsäcke. Zehn werden wohl mindestens voll werden", sagt Ruf. Er hat die Wiesen im Naturschutzgebiet (NSG) Sinngrund im März kartiert. Acht Tage lang ist er in Schleifen über die Wiesen gestapft, hat im Abstand von zwei Meter seine Bahnen gezogen.
Die betroffenen Wiesen hat er auf einer Karte eingeteilt: Gibt es nur wenige Pflanzen, werden sie von Hand ausgestochen. Dichte Bestände werden vor der Samenreife gemäht – dann kommt das Mähgut nach Burgjoss in die Biogasanlage. Weil die Pflanze neue Blüten nachtreibt, muss dies mehrfach durchgeführt werden. Während Torsten Ruf heute das Ausstechen leitet, koordiniert sein Gebietsbetreuer-Kollege Christian Salomon auf anderen Teilflächen die Mäharbeiten.
Klimawandel denkbare Ursache
Das Wasserkreuzkraut ist gefährlich für Rinder, Pferde und Schafe – besonders im Heu, wo die Tiere es nicht von ungiftigem Futter unterscheiden können. Dass sich das Kreuzkraut so stark ausgebreitet hat, haben die Naturpark-Mitarbeiter 2020 festgestellt. "Es dürfte am Klimawandel liegen, aber genau wissen wir es noch nicht", so Ruf.
Der Grünlandbetreuer erhebt erneut den Unkrautstecher, dann zögert er. Einige Tagfalter und Käfer haben sich auf dem Blütenstand des Wasserkreuzkrauts versammelt. "Da schlagen schon zwei Herzen in meiner Brust", meint er, denn für viele Insekten erfülle es durchaus eine Funktion. Die Blüten werden gerne angeflogen und wenn es nicht um die Tiere ginge, könne man es für die Insekten sogar stehen lassen, meint er. Allerdings sei das Gift auch in den Blütenpollen und in geringen Mengen sogar im Honig nachweisbar.
Ein Schmetterling hat sich sogar auf die giftigen Kreuzkrautpflanzen spezialisiert. Die Raupen des Blutbärs (Tyria jacobeaea) fressen die Blüten von Kreuzkrautarten und lagern das Gift als Fraßschutz ein; ihre orange-schwarze Zeichnung warnt vor ihrer Giftigkeit. Christian Salomon hat dieser Tage erstmals die Raupen des Blutbären im NSG Sinngrund gefunden. Eine große Unterstützung bei der Rückdrängung des Kreuzkrautes erwartet er von den Schmetterlingen aber nicht. "Der Einfluss dürfte leider zu vernachlässigen sein", meint Salomon.
Die Helfenden an diesem Tag eint, dass sie alle etwas gegen die Ausbreitung des Wasserkreuzkrautes tun möchten. "Ich war schon öfter dabei", sagt Moni Steger (58) aus Schaippach, "weil ich es wichtig und richtig finde." Am Anfang habe sie sich schwergetan, "irgendwann hat man es dann raus."
Peter Voss (65) aus Mittelsinn möchte sein hier erworbenes Wissen nutzen, um in seiner Gemeinde aktiv zu werden. Es gebe einen Biobauern im Ort, der voraussichtlich eine ebensolche Aktion organisieren. "Außerdem ist es eine sinnvolle Betätigung in der Natur", meint er.
"Bullen bisher immer brav"
Die gemeinschaftliche Aktion macht den Teilnehmenden sichtlich Spaß. In der Mittagspause sitzen die Helferinnen und Helfern im Schatten der Bäume und machen Mittagspause. Nach der Pause gehen die Engagierten weiter zu den nächsten Flächen. "Die Bullenweide fehlt dann auch noch", sagt Ruf. Trotz Wasserkreuzkraut können die Flächen nämlich beweidet werden – auf der Weide fressen die Tiere um die giftigen Pflanzen herum. "Dort finden wir die Pflanzen auch am leichtesten und die Bullen waren bisher immer brav."