Der Cellist Christoph Heinlein gab unter dem Motto „Cello in concert: Freiheit!“ ein Solokonzert auf dem Violoncello in der Kirche St. Johannis in Karlstadt. Bereits zum dritten Mal konzertierte der Künstler in St. Johannis.
Heinlein legt Wert darauf, dem Publikum Hintergründe zu Werk und Interpretation auf anschauliche Art näher zu bringen. Gleich zu Beginn legte er dar, was er mit dem Begriff „Freiheit“ als Themenbogen über seinem Konzert meint. Für sein Programm hatte er Stücke ausgesucht, in denen sich Komponisten – unterschiedlichster Art von Zwängen unterworfen – Freiheiten in ihrem Werk erlaubt haben.
Bereits mit seinem ersten Stück der 1931 geborenen russischen Komponistin Sofia Gubaidulina verblüffte Heinlein die Zuhörer. Aus dem Werk „Ten Preludes for Solo Cello“ interpretierte er das Stück „Ohne Bogen, ohne Pizzicato“. Allein mit Greifen der Finger der linken Hand auf dem Griffbrett, Gleiten auf den Saiten und dem Antippen der Saiten mit der rechten Hand in Stegnähe erzeugte er ein ungeahntes Spektrum an Tönen. Die Intention der Komponistin war es, mit dem Beiseitelegen alles Gewohnten völlig neue Klänge aus dem Instrument herausholen.
Die dritte Suite für Violoncello von Johann Sebastian Bach (BWV 1009) sei mit ihren sechs Tänzen eine Komposition wie aus dem Lehrbuch, erklärte Heinlein. Die Freiheit, die sich Bach als Angestellter an einem Fürstenhof nahm, war die Wahl der Tonart C-Dur, die als frei und offen galt. Auch Sergej Prokofiev (1891 – 1953) zeigte sich als ungestümer, moderner Komponist, musste sich aber im stalinistischen Russland Beschränkungen gefallen lassen. In seiner unvollendet gebliebenen Sonate für Cello solo in cis-Moll, op. 134 nahm sich der Komponist Freiheiten, die bei der Zensur wohl nicht durchgegangen wären. Das Werk wurde von Vladimir Blok vollendet. Das Stück ist geprägt durch heftige Tonsprünge, abwechselnd gezupfte und gestrichene Passagen und zahlreiche Glissandi.
Der spanische Cellist und Komponist Pau Casals (1876 – 1973) war ein Verfechter der Demokratie und der Freiheit. Der weltweit gefragte Solist weigerte sich, nach 1933 in Deutschland aufzutreten und entzog sich dem Franko-Regime in seinem Heimatland durch freiwilliges Exil. Heinlein trug das melodische „El Cants Dels Ocells“ (Das Lied der Vögel) vor, ein Werk Casals nach einem katalanischen Volks- und Weihnachtslied, das zur Hymne an die Freiheit avancierte.
Auch der österreichisch-ungarische Komponist György Ligeti (1923 – 2006) konnte 1943 seine „Sonata for Solo Cello“ während der kommunistischen Diktatur „nur für die Schublade“ komponieren. Im ersten Teil „Dialogo“ lässt der Dialog zweier Charaktere, allein mit Mitteln des Instrumentes vorgetragen, doch Fragen offen. Erst im „Capriccio“, dem zweiten Teil, obsiegt die Freiheit mit den sehr schnellen, hektischen Sequenzen. Erst nach seiner Flucht 1956 nach Österreich konnte Ligeti ohne Zensur arbeiten und entwickelte sich zu einem Repräsentanten der Neuen Musik. Virtuos und voller Dynamik intonierte Heinlein die Werke der modernen Komponisten, gefühlvoll vorgetragen auf höchstem Niveau erklangen die Bach-Suiten. Die schöne Akustik der Kirche kam der Interpretation des Künstlers entgegen. Für den anhaltenden Applaus der kleinen Besuchergruppe bedankte sich der Künstler mit einer Zugabe.