Die angekündigte "Charmante Verführer Ironie" mit Denis Wittberg und Jörg Walter Gerlach im Historischen Rathaus von Karlstadt im Rahmen der Unterfränkischen Kulturtage zeigte sich in doppelter Hinsicht aus der Zeit gefallen. Zum einen ist ein Neujahrskonzert im Sommer schon etwas ganz außergewöhnliches, doch das war der Erkrankung des Sängers im Januar geschuldet. Zum andern konnten ganz eingefleischte Feministen am hier besungenen Frauenbild der 1920er durchaus kritisch die Stirn runzeln.
"Ich bin so scharf auf Erika, wie Columbus auf Amerika" oder "Mein Herz ist ein Salon für schöne Frauen" waren die Renner in den "Roaring Twenties", Bel Ami, Donna Clara und die Salome kannte damals jeder. Die versteckten oder offenen Anspielungen erregten kaum Ärgernis – heute sähe das wahrscheinlich anders aus.
Es war also schon recht dünnes Eis, auf das sich Denis Wittberg als "Charmanter Verführer" wagte. Aber wer sich aus dem Publikum darauf einließ und die Lieder sowie den Sänger als pure Ironie und Satire verstehen konnte, hatte viel Freude an dem fast zweistündigen musikalischen Streifzug durch die frechen und provozierenden Stücken aus den "20er-Jahren", wobei Marika Rökk oder Marlene Dietrich damals ja auch keine Kinder von Traurigkeit waren.
Auch optisch eine Zeitreise
Es war schon rein optisch eine Zeitreise im Karlstadter Rathaus: der Sänger Wittberg im schwarzen Frack mit großer weißer Rose am Revers. Übertrieben steif und aufrecht, die Hare streng nach hinten gegelt, dann wieder betont lässig mit der Hand in der Hosentasche, stand er vor einem Mikrofon, das gut und gerne 100 Jahre alt hätte sein können. Ein Mann von Welt eben! Dazu kam noch die bewusst gewählte Diktion: scharf, markant, cool.
Hochmusikalisch spielte er mit Stimme und Sprache, wechselte unvermittelt ohne Übergang vom Tenor in die Kopfstimme, von weichen Tönen zu scharfen und selbst wenn er bei dem sinnlichen Lied "Ich küsse Ihre Hand, Madame" die Angebetete anschmachtet, düpiert er plötzlich scheinbar aus dem Nichts sein Publikum mit dem scharfen Endlaut: …"küss' ich Ihren roten Munt!" Das und auch die bewussten vollmundigen Vokale fordern allerdings auch einige Konzentration seitens der Zuhörerschaft.
Mit bekannten Stücken der großen Komponisten der "Roaring Twenties" wie Rudolf Nelson, Ralf Erwin und Peter Kreuder parodierte der Sänger nach Herzenslust das schwierige Verhältnis zwischen Frauen und Männern. Da war das rabenschwarze Lied von dem Gatten, der seine Frau in der Sahara loswerden wollte oder der Liebhaber als "Nachtgespenst" auf Tour und nicht zuletzt Georg Kreislers skurriles Mädchen mit den drei blauen Augen.
Wer es als Parodie nahm, kam auf seine Kosten
Wem es gelang, Wittbergs Vorträge als Parodie zu nehmen, kam hier voll auf seine Kosten. Besonders pfiffig dann auch köstliche Reime wie "Ich steh' mit Ruth gut, sie weiß was mir gut tut…!". Zum Schluss gab es noch Begegnungen mit Songs aus den letzten Jahrzehnten mit Falcos "Kommissar" oder dem "Sternenhimmel" von Hubert K. und als letzten Leckerbissen das legendäre Kaktuslied der Comedian Harmonists.
Ein besonderes Lob geht noch an den hervorragenden Jörg Walter Gerlach am Flügel.