Ein außergewöhnliches Bild eröffnet sich dem Betrachter in der geräumigen Werkstatt der Metall-Grundausbildung im Ausbildungszentrum von Rexroth am Eisengießer in Lohr. 16 Mädchen haben das Kommando über Fräsen, Lötkolben und Schaltpläne übernommen. Auf einer Werkbank steht eine Armada in Detailarbeit gefertigter Segelboote aus Holz. Gusseiserne Uhrrahmen aus der eigenen Gießerei werden bearbeitet.
Angeleitet werden die Schülerinnen von acht Auszubildenden der Firma. Bereits zum 16. Mal lud die Rexroth- Bosch Group interessierte Mädchen, egal aus welcher Schule, zum „Technik- Camp“ ein. Möglich macht dies das Bildungswerk der bayerischen Wirtschaft (BBW). Dort können sich die Siebtklässlerinnen bewerben um einen Einblick in das sie eventuell zu erwartende technische Handwerk zu erhalten.
Die beiden Betreuerinnen Lara Madre und Mira Wimmer vom BBW begleiten die Mädchen während dieser Woche und organisieren auch das Freizeitprogramm nach den Arbeitsstunden. Die zwölf- bis 14-jährigen Teilnehmerinnen sind im Hotel Adler in Lohr untergebracht. „Wir wollen auch, dass die Mädels als Team zusammenwachsen“ erklärt die Lehrerin einer Berufsoberschule Mira Wimmer.
Frauen- Power in einer Männerdomäne? Andrea Göbbels wünscht sich, dass „die Frauenquote unbedingt weiter steigt.“ Bei 25 Prozent liege diese zur Zeit in den Lohrer Werken. „Frauen spielen bei uns eine große Rolle“, sagt die Leiterin der Aus- und Weiterbildung bei Rexroth.
Den Ausführungen pflichtet der einzige männliche Vertreter Joachim Englert bei. Der Ausbildungsmeister erklärt den Schülerinnen die komplexen Geräte und betreut auch seine Auszubildenden, von denen sieben vor ihrem beruflichen Einstieg in die Firma ebenso das „Technik- Camp“ besuchten. „Die Gruppe der Azubis arbeitet mit Mädchen einfach harmonischer zusammen“, weiß Englert, der seit acht Jahren in der Ausbildung tätig ist, aus seiner Erfahrung zu berichten.
„Unbewusst übernehmen die Mädchen Verantwortung und führen das Team.“ Auch wenn sich die Leistungen zwischen den Jungen und Mädchen Englerts Meinung nach die Waage halten, führten die weiblichen Azubis das ganze Team zu mehr Selbstbewusstsein und Kommunikation.
Die Auszubildende zur Zerspanungsmechanikerin Livien Schenkelberger, vor vier Jahren noch selber Praktikantin, findet ihre Aufgabe als Betreuerin sehr interessant. „Wir helfen und beraten, die Mädels machen aber alles selbstständig“, lobt die 17-Jährige das Geschick der Praktikantinnen. Kurz unterbricht die Frammersbacherin das Gespräch und richtet ihren Blick zur nebenan stehenden Fräsmaschine. „Pia, bekommst Du das hin, oder soll ich helfen?“
Die 13-jährige Pia versucht sich indes alleine an den vielen Tasten. Sie kennt bereits am zweiten Tag die Bedienungsabläufe. Hannah Ruppert, im ersten Lehrjahr zur Elektronikerin für Geräte und Systeme, sieht „die Vorteile eines großen Betriebes.“ „Hier hat jeder immer ein offenes Ohr.“
Viel Lob für die Ausbildungsstätte der Lohrer Firma ist von den weiblichen Auszubildenden zu hören. Praktikantin Dina aus Marktheidenfeld, die geschickt LED?s verlötet, war schon immer an Technik interessiert. „Meinem Vater habe ich immer über die Schulter geschaut.“ Dass sich die 13-jährige Realschülerin für einen Ausbildungsplatz bei Rexroth bewirbt, sei sehr wahrscheinlich, erklärt sie.
Auch Katharina aus Karlstadt ist begeistert vom Angebot des BBW. „Super, dass wir so ein tolles Programm kostenlos angeboten bekommen“, freut sich die Gymnasiastin. Ob es für sie hart sei, eine Woche Ferien für das „Technik-Camp“ zu opfern? „Das macht doch Spaß. Als ,opfern‘ würde ich das nicht bezeichnen“, entgegnet die Schülerin resolut.
Durch die Möglichkeit, einen Einblick in die zu erwartende Ausbildung zu erhaschen, könnte sich der Wunsch von Andrea Göbbels nach einer höheren Frauenquote unter den Auszubildenden noch erfüllen. Darüber, dass sich technische Fähigkeiten nicht genetisch auf Männer festlegen lassen, sind sich sowieso alle einig.