Franz Schüßler bleibt sich treu. Zum letzten Pressetermin nach 24 Jahren als Bürgermeister, in dem es fast ein bisschen gegen seinen Willen einmal um ihn selbst geht, hat er ein Blatt Papier mit nur sieben oder acht Stichworten vorbereitet. Es sind die wichtigsten Errungenschaften Burgsinns, die in der Bilanz seiner langen Dienstzeit nicht fehlen sollen. Freilich wäre die Liste erheblich zu verlängern, aber zu protzen liegt Franz Schüßler bekanntlich nicht. Vielmehr legt er Wert auf die Feststellung: „Das war eine Gemeinschaftsleistung, des Gemeinderats, der Vereine und der Gemeinde.“
Aber natürlich: Nach der bayerischen Kommunalverfassung hat der Bürgermeister eine herausragende Stellung und ist mit enormer Machtfülle und Kompetenzen ausgestattet – eine Macht, von der Franz Schüßler wie sein Vorgänger Heinrich Müller stets unaufgeregt und in Bescheidenheit Gebrauch gemacht hat. Vielleicht erklärt das zum Teil, weshalb er seit 1990 viermal trotz einiger Gegenkandidaten immer wieder das Vertrauen seiner Mitbürger erhalten hat.
Am 30. April ist Schluss. Dann lädt der 56-Jährige seine Mitarbeiter in der Verwaltungsgemeinschaft und des Marktes Burgsinn sowie die VG-Bürgermeisterkollegen zu einer kleinen Abschiedsfeier ein. Als Motto hat er ein Zitat der FDP-Politikerin Hildegard Hamm-Brücher gewählt: „Es ist besser, den Abschied zu nehmen, wenn viele Menschen noch sagen: ,Schade!‘“
Leicht ist Schüßler diese Entscheidung nicht gefallen. Lange hat er über eine fünfte Kandidatur nachgedacht – zusammen mit der Familie, um die er sich des Amtes wegen nur bedingt kümmern konnte. „Egal, wer Bürgermeister wird, er kann sich's nicht vorstellen, was alles dranhängt“, sagt der Burgsinner und meint damit vor allem den Zeitaufwand für Termine, auch an Wochenenden. Damit wurde Schüßler konfrontiert, als er 1990 im Alter von nur 32 Jahren nach einer Stichwahl ins Amt kam. Die Erziehung der zwei kleinen Töchter musste fortan hauptsächlich seine Frau übernehmen. Jetzt will der 56-Jährige versäumtes Familienleben nachholen; im August wird der zweite Enkel erwartet.
Sabbatjahr steht bevor
Franz Schüßler hat sich erst einmal ein „Sabbatjahr“ verordnet, wenigstens ein Jahr ohne berufliche Verpflichtungen. Er hätte als früherer Mitarbeiter der VG-Bauverwaltung noch einmal in den öffentlichen Dienst zurückkehren können. Das lehnte er ab. Unzutreffend ist das Gerücht, er bewerbe sich um den Posten des Rot-Kreuz-Kreisgeschäftsführers in Gemünden. Als dritter Kreisvorsitzender und früherer langjähriger Kolonnenführer wird er seinem BRK gleichwohl erhalten bleiben.
Auch das ehrenamtliche Kreistagsmandat nimmt er wieder an, die Arbeit dort unter anderem als Vorsitzender des Rechnungsprüfungsausschusses habe er gern geleistet – „wir haben manches aufgedeckt“. Möglicherweise wird er mit seiner Frau endlich mehr Reisen unternehmen und: „Ich werde vielleicht meine Imkerei ein bisschen ausbauen.“
Bereut hat Schüßler den Schritt in die Kommunalpolitik nie, sagt er auf die Frage dazu. Im Nachhinein plagt ihn etwas das schlechte Gewissen, anfangs seine Kinder vernachlässigt zu haben. Die erste Kandidatur 1990 hatte ihm Karl Gammel, der damalige CSU-Ortsvorsitzende angetragen. Nach dem Erfolg in der Stichwahl besuchte ihn gleich Kurt Völker, Bürgermeister von Gemünden bis 1982, und brachte ihm einen Aktenordner als Geschenk: „Reden für jeden Anlass“.
Der Einstieg in die Bürgermeisterei sei ihm auch ohne das leicht gefallen, man kennt sich schließlich in der 2500-Einwohner-Gemeinde. Dennoch war der 32-Jährige gleich hart gefordert, denn der Orkan Wiebke hatte am 28. Februar auch in Burgsinn gewütet – 15 000 Festmeter Windwurfholz, mehr als der gesamte geplante Jahreseinschlag im Wald, der das große Kapital Burgsinns ist, waren aufzuarbeiten und zu vermarkten bei ins Bodenlose fallenden Preisen.
Auch politisch erlebte Schüßler durchaus stürmische Zeiten und sah sich Angriffen im Gemeinderat ausgesetzt. In der ihm eigenen Gelassenheit ging er damit um, wenngleich es ihn keineswegs kalt gelassen hat. Er habe manchen Morgen schon mit mulmigem Gefühl die Zeitung aufgeschlagen, was wohl wieder an Vorwürfen zu lesen sei. Die Wiederwahl 1996 wurde vor diesem Hintergrund zu einem großen Erfolg: 56 Prozent Zustimmung im ersten Wahlgang trotz dreier Gegenkandidaten.
Jahrhundertobjekt Trinkwasser
Bleibt die eingangs erwähnte unvollständige Liste der kommunalen Erfolge in 24 Jahren: Generalsanierung der Sinngrundschule (3,6 Millionen Euro), das gut belegte Baugebiet Kirchrain II (108 Parzellen), Hochwasserfreilegung, Kläranlage, Straßensanierungen, der „Glücksfall“ Gesindehof, die neue Wasserversorgung. „Das war fast ein Jahrhundertobjekt“, merkt der Noch-Bürgermeister an und lobt seinen Gemeinderat: „Als die Verbesserungsbeiträge beschlossen wurden, waren die gestanden wie eine Eins.“ Nicht vergessen ist ein weiteres Jahrhundertereignis: die 1000-Jahr-Feier! „Das war wirklich ein Gewinn für ganz Burgsinn“, erinnert sich Schüßler mit leuchtenden Augen und betont wieder: „Das war eine Gemeinschaftsleistung.“