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Lohr
Franz Engert bekommt das Bundesverdienstkreuz
Mehr als sein halbes Leben für die Caritas aktiv: Franz Engert aus Sackenbach hat am Freitag in Aschaffenburg das Bundesverdienstkreuz für sein Engagement im Caritas-Kreisverband Main-Spessart bekommen. Der 73-Jährige arbeitet noch als Rechtsanwalt in Lohr. 
Foto: Boris Dauber | Mehr als sein halbes Leben für die Caritas aktiv: Franz Engert aus Sackenbach hat am Freitag in Aschaffenburg das Bundesverdienstkreuz für sein Engagement im Caritas-Kreisverband Main-Spessart bekommen.
Bearbeitet von Boris Dauber
 |  aktualisiert: 30.07.2022 02:37 Uhr

Franz Engert aus Sackenbach hat am Freitag das Bundesverdienstkreuz für sein außergewöhnliches Engagement bei der Caritas verliehen bekommen. Den Orden überreichte Bayerns Digitalministerin Judith Gerlach in Aschaffenburg. Der 73-Jährige war von 1981 bis 2016 Vorsitzender des Caritas-Verbands für den Landkreis Main-Spessart. Seit mittlerweile 40 Jahren ist er zudem im Caritasverband der Diözese Würzburg tätig.

Zu seinem Ehrenamt als Caritas-Kreisvorsitzender kam der Lohrer Rechtsanwalt wie die Jungfrau zum Kind. Sein Vorgänger Dekan Joachim Korbacher hatte zuerst Engerts Kollegen Rudolf Rachor als Nachfolger im Auge. Weil dieser sich aber schon als stellvertretender Vorsitzender des Roten Kreuzes engagierte, verwies er auf den jungen Anwalt in seiner Kanzlei.

Aus dem Stand Vorsitzender

Obwohl Engert erst zwei Jahre zuvor nach Sackenbach gezogen und vorher nicht in der Caritas aktiv war, übernahm er aus dem Stand den Kreisvorsitz im Wohlfahrtsverband. Die damalige Geschäftsführerin Dorothea Goßmann habe ihn damit geködert, dass die Caritas in Lohr ein sehr kleiner Verein und der zeitliche Aufwand gering sei, erzählt der 73-Jährige drei Tage vor der Ordensverleihung im Gespräch mit dieser Redaktion. "Das habe ich dann geglaubt", fügt er lächelnd hinzu.

Mit dem heutigen Kreisverband und seiner Fülle an Mitarbeitern und Hilfsangeboten ist die Caritas des Jahres 1981 nicht zu vergleichen: "Ich habe damals erst lernen müssen, dass die Caritas in Lohr im Wesentlichen das Altenheim Sankt Martin war", sagt Engert. Erst allmählich merkte der Rechtsanwalt, welche Verantwortung mit dem Seniorenheim auf ihn zugekommen war.

Der Altenheim-Verwaltungsrat habe zwar das Alltagsgeschäft unterstützt, aber relativ wenig damit zu tun gehabt, wie sich die Einrichtung weiterentwickeln sollte, erläutert Engert. "Das Caritas-Seniorenzentrum hat mich wohl die meiste Zeit gekostet und den größten Aufwand gebracht, weil fast immer gebaut wurde", betont der 73-Jährige.

Millionen-Bauprojekt gewuppt

Den Um- und Neubau Mitte der 90er Jahre bezeichnet er als die größte Herausforderung seiner 35-jährigen Amtszeit. Für das gesamte Projekt waren Kosten von 35 Millionen Mark vorgesehen, erinnert er sich. "Das war eine Investition, bei der ich rückblickend sage: Mein Gott, was bist du da für ein Risiko mit eingegangen. Was hätte dabei alles schief gehen können", sagt er. Doch der Bau, der sich über fünf Jahre hinzog, blieb laut Engert mit 17,6 Millionen Euro "fast im Rahmen".

Am Konzept hat er nach eigener Aussage nie gezweifelt, da der Bedarf an Pflegeplätzen in Lohr und Umgebung vorhanden war. "Es gab hier damals auch noch keine Tagespflege. Wir waren die ersten, die gesagt haben, Tagespflege ist etwas, das die Familien entlastet", betont er. Als wesentliche Aufgabe sah er es an, sich als Kreisvorsitzender um die wirtschaftliche Seite des Verbandes zu kümmern. "Die Caritas muss ihr Engagement auch finanzieren können", sagt Engert.

Sein Beruf als Anwalt hat ihm im Ehrenamt geholfen, weil er dadurch über umfassende rechtliche Kenntnisse verfügte, die er laut Pressemitteilung des Ministeriums "dem Verband und den Mitarbeitern bei Bedarf ehrenamtlich zur Verfügung stellte". Noch mehr aber nutzte ihm sein privates Interesse für Betriebswirtschaft, wie er sagt. In Ferienjobs habe er sich Wissen über Buchhaltung angeeignet und etwa gelernt, einen Jahresabschluss aufzustellen oder eine Bilanz zu lesen.

Wichtiges Thema: Migration

Das Thema Migration beschäftigte die Caritas während der gesamten Amtszeit Engerts und darüber hinaus: Erst kümmerte sich der Wohlfahrtsverband um Aussiedler, die überwiegend als Russlanddeutsche aus Kasachstan gekommen waren. Dann flüchteten die Menschen vor den Kriegen auf dem Balkan und wurden "vom Sozialdienst beraten, versorgt und in die Gesellschaft eingeführt", wie es der ehemalige Kreisvorsitzende formuliert.

2015 stieg die Caritas in der Flüchtlingskrise verstärkt in die Asylsozialberatung ein, baute dort Stellen aus und richtete auch eine Wohngruppe für minderjährige Flüchtlinge in Altfeld ein. Von hoher Bedeutung für den Kreis Main-Spessart und als Herzensangelegenheit bezeichnet der 73-Jährige auch die Psychosoziale Beratungsstelle, die ursprünglich nur für alkoholkranke Menschen zuständig war, später aber auch die Drogenberatung im Landkreis übernommen hat.

Jugendarbeit hat ihm gefehlt

Auf die Frage, was ihn angetrieben hat, den Vorsitz der Caritas in Main-Spessart 35 Jahre lang zu bekleiden, antwortet Engert: "Ich habe gesehen, dass sich etwas entwickelt und vorwärts geht." In seiner aktiven Zeit habe ihm allerdings die Jugendarbeit gefehlt, da der Schwerpunkt der Caritas im Landkreis vor allem auf der Seniorenarbeit gelegen habe. "Mich freut, dass die Caritas im Kreis mittlerweile auch hier tätig ist."

Defizite sieht er in Main-Spessart bei den Hilfsangeboten für Eltern und Kinder. Die schlimmsten Verfahren sind für den Fachanwalt für Familienrecht eigener Aussage jene, "in denen die Eltern um die Kinder streiten oder nicht in der Lage sind, ihre Kinder zu versorgen und zu betreuen". Er plädiert deshalb für einen Ausbau der Beratungsstelle für Eltern, Jugendliche und Kinder und eine Verstärkung des Jugendamts. "Das ist ein Feld, wo ich meine, dass man nicht genug tun kann", betont der vierfache Vater.

Viel Zeit ins Ehrenamt investiert

Engerts langjähriger Einsatz für die Caritas nahm sehr viel Zeit in Anspruch: "In der Regel sind die Termine in die Arbeitszeit gefallen, so dass die in der Kanzlei liegen gebliebene Arbeit in die Freizeit gewandert ist", berichtet der Sackenbacher. Seine Frau Margarete unterstützte ihn als Schriftführerin. "So habe ich gewusst, dass sie immer hinter der Sache mitgestanden hat. Sie war ja die Leidtragende, wenn ich wieder für die Caritas unterwegs war und sie mit den vier Kindern alleine zuhause war."

Wie hochgeschätzt Franz Engert bei seinen Weggefährten war, wird im Gespräch mit Ursula Franz-Marr deutlich, die das Caritas-Seniorenzentrum in Lohr leitet. "Wir haben zusammen Neues entwickelt und auch schwierige Situationen gemeinsam durchgestanden. Er hat uns immer den Rücken gestärkt und war uns nie im Nacken gesessen", sagt die 65-Jährige.

Sie erzählt auch, dass Engert als Caritas-Kreisvorsitzender Wege abseits des Üblichen gegangen sei. Zur zeit des Neu- und Umbau des Seniorenheims in den Neunzigern sei Outsourcing das große Thema gewesen: Während andere Einrichtungen Küche, Wäscherei und Hausreinigung ausgegliedert hätten, sei man in Lohr den umgekehrten Weg gegangen und habe wieder alles im Haus angesiedelt. "Das war recht erfolgreich, weil die Menschen sich uns als Mitarbeiter verbunden fühlen und nicht als Fremddienstleister."

Über Orden überrascht

Im Dezember erfuhr Franz Engert durch einen Brief vom Ministerpräsidenten, dass er das Bundesverdienstkreuz bekommt. "Ich war überrascht", sagt er. Ehrungen hat er laut eigenen Angaben schon immer eher über sich ergehen lassen als genossen. Die Auszeichnung nimmt der 73-Jährige für die Caritas an. "Mein Wohlfahrtsverband, für den ich tätig war, wird damit geehrt", sagt er bescheiden. Groß gefeiert wird die Ordensverleihung nicht. Im Anschluss will er mit der Familie einen Kaffee trinken gehen.

Zur Person

Der am Freitag von Bayerns Digitalministerin, Judith Gerlach, mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnete Franz Engert setzt sich seit 40 Jahren in der Caritas ein. Der aus Kitzingen stammende 73-Jährige begann im Herbst 1975 als Anwalt in der Kanzlei von Rudolf Rachor in Lohr und zog vier Jahre später nach Sackenbach.
Von 1981 bis 2016 war Engert Kreisvorsitzender des Caritasverbands Main-Spessart.Danach zog er sich nach eigener Aussage komplett aus den Caritas-Gremien in Lohr zurück. Bis heute engagiert er sich noch im Caritasrat, einer Art Aufsichtsrat, der über die Geschäftsführung des Diözesan-Caritasverbands Würzburg wacht, den Haushalt beschließt, Jahresabschlüsse genehmigt und die wesentlichen Entscheidungen mitbestimmt. Dort ist er stellvertretender Vorsitzender in der Finanzkommission.
"Ich stamme aus einer katholischen Familie und stehe in meinem Glauben", sagt Engert. Von Kindesbeinen an fühlte er sich der Kirche verbunden, war in Kitzingen Ministrant, sang im Kirchenchor, machte in der katholischen Jugend mit und im Pfarrgemeinderat. In Lohr engagierte er sich als 2. Vorsitzender des Fördervereins der Pfarrkirche St. Michael.
Franz Engert hat vier Kinder und acht Enkel. "Die Familie ist mittlerweile die wichtigste Beschäftigung geworden", betont er. Während andere in Engerts Alter schon seit Jahren im Ruhestand sind, arbeitet der 73-Jährige noch immer viereinhalb Tage die Woche in seiner Lohrer Kanzlei. Rechtsanwalt zu sein, ist für ihn nicht nur ein Beruf, sondern seine Berufung.
(medau)
 
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