
"Blick über den Main" – den wagte man aus Südhessen schon seit langem. Unsere Region galt in früherer Zeit als ein attraktives Ziel für die Sommerfrischler aus dem Ballungsraum Rhein-Main und hat so manchen Künstler auf sich aufmerksam gemacht. Insofern nehmen acht Kunstschaffende des Berufsverbands Bildender Künstlerinnen und Künstler (BBK)– Südhessen im Marktheidenfelder Franck-Haus mit ihrer gegenwärtigen Ausstellung eine durchaus vertraute Perspektive neu auf.
Im rückwärtigen Ausstellungsbereich zeigen Dominique Chapuis, Isabel Franke, Francisca Hausch, Núria Uyà-Höhne und Angela Schäfer Gemälde, Collagen und Mixed-Media-Arbeiten an den Wänden. Das Herren-Trio Joachim Henkel, Klaus Kiefer und Lothar Steckenreiter tritt mit plastischen Arbeiten im Raum vor das Auge des Besuchers. Mit den insgesamt 65 gezeigten Werken der Gruppe wurden höchst unterschiedliche Arbeitsstile und künstlerische Positionen ansprechend zu einer vielfältigen Gemeinschaftsschau zusammengeführt.

Der BBK Südhessen gründete sich im Jahr 1992 als Netzwerk und Interessensvertretung von derzeit rund 30 Künstlern, die in erster Linie außerhalb der großstädtischen Zentren tätig sind. Dabei spielen Jahresausstellungen und gemeinsame Werkpräsentationen eine große Rolle. Durch die Corona-Pandemie ist dies seit einem Jahr zum Erliegen gekommen. "Wir sind froh und der Stadt Marktheidenfeld sehr dankbar, dass wir nun im Franck-Haus einen Neustart wagen können", betonte BBK-Vorstandsmitglied Francisca Hausch bei einem Presserundgang.

Betritt man die Ausstellung, dann ziehen zunächst vier Stahl-Plastiken von Klaus Kiefer (Darmstadt) die Aufmerksamkeit auf sich. Seine gerosteten Objekte haben den Mensch zum Thema. Durch die "biografische Brille", wie der Künstler selbst sagt, betrachtet er Trennung, Pubertät, Egoismus oder auch die europäische Perspektive. Ein Stockwerk tiefer beeindrucken die Holz-Stelen des Bildhauers und Goldschmieds Lothar Steckenreiter (Rodgau). Mit der Japansäge verleiht er massiven Eichenbalken eine nach oben strebende Leichtigkeit von Formen, die mit dem Charakter des besonderen Ausstellungsorts bestens harmoniert.

Im Obergeschoss überraschen keramische Arbeiten und Glas-Objekte von Joachim Henkel (Pfungstadt) mit eigenwilligen Nestern, in deren Vertiefungen Knochen, Embryonen oder Eierschalen zu entdecken sind. Die Malerei an den Wänden folgt auf den drei Ausstellungebenen ganz unterschiedlichen Ansätzen. Recht vertraut wirken zunächst die abstrakten Bildschöpfungen von Francisca Hausch (Babenhausen) mit einer sehr zurückhaltend, gedämpften und sanften Farbpalette. Die spontan aus dem Arbeitsprozess entstehenden Gemälde spiegeln Stimmungen wieder.
Über die gegensätzliche Bildsprache Konkreter Kunst verfügt die Frankfurterin Dominique Chapuis. Ihre Mixed-Media-Arbeiten (Papier, Acrylkleber, Wachs) zeichnet eine auf sich reduzierte, geometrisch-mathematisch berechnete Ästhetik aus, die keine Botschaften vermitteln will. Realistisch orientiert zeigt sich dagegen Angela Schäfer (Groß-Umstadt), die sich um die Konzeption der Ausstellung vor Ort gekümmert hatte. Ihre Blick-Bilder nehmen Gestik wie Mimik auf und mit dem Thema "Gefangen in Aerosolen" steht dabei auch die Gegenwart im Fokus.
Mit vielen Farbschichten arbeitet die Malerin Núria Uyà-Höhne (Groß-Umstadt), die ihre Werke als eine abstrahierende Auseinandersetzung mit der Natur und der Welt versteht. Die Kunstform Mixed Media kommt im Franck-Haus mit Isabel Franke (Frankfurt) nochmals zu Wort. Sie schöpft unter anderem mit Wachstechniken (Enkaustik), Frottagen und Alltagsmaterialen wie Fäden oder Toilettenpapier ihre kreativen Ideen aus. Dazu werden auch Bezüge zu alten Meistern wie Goya herangezogen.

Insgesamt bieten die acht Kunstschaffenden aus Südhessen dem Publikum "über den Main" eine schlüssige Gemeinschaftsleistung, unterhaltsam, anregend und auch ein wenig nachdenklich machend.
Ausstellung BBK Südhessen
