Das Bild wirkt verstörend: Eine stark geschminkte, hübsche junge Frau mit Sonnenbrille, etwas snobistisch aussehend, hält einen gehäuteten Fuchs in den Händen, um ihren Hals liegen hässlich grinsende gehäutete Nerze. Zugleich ist angedeutet, dass sie einen Pelz trägt. Darüber steht ironisch: „Pelz, wie schööön“. Das Bild stammt aus der sehr persönlichen Abschlussarbeit der Langenprozeltenerin Romina Birzer, 24. Sehr persönlich ist die Bachelorarbeit mit dem Titel „In your face“ (deutsch etwa schonungslos/gerade heraus), weil die junge Illustratorin mit dem kleinen Ring in der Nasenscheidewand darin Dinge gezeichnet hat, die sie kritisch sieht, die eklig sind oder die sie gar „ankotzen“. Als Vegetarierin gehören dazu eben auch Pelze.
Ihre in dreieinhalb Monaten entstandene Arbeit umfasst über 200 Seiten. Ein Buchbinder hat sie ihr gebunden. Neben die Bilder stellt sie Tipps aus Frauenzeitschriften, die sie für „Schwachsinn“ hält. Der jungen Pelzträgerin stellt Romina Birzer ein Zitat aus „Bild der Frau“ gegenüber: „Ihrem Hund geht es gut, wenn er . . .“ Weitere Dinge, die sie auf witzige Weise illustratorisch in den Staub tritt, sind etwa Schönheitswahn, Castingshows, andauerndes Handyherumgetippe und Luftverschmutzung.
Hat sich da etwas aufgestaut in ihr, das herausmusste? Es sei tatsächlich befreiend gewesen, ihre „bösen Gedanken“ zeichnerisch umsetzen zu können. Allerdings habe sie sich diese extra für die Arbeit gemacht, erzählt Birzer, die ansonsten recht gelassen wirkt. Auf die Idee ist sie gekommen, weil sie verzweifelt war und nicht wusste, welches Thema sie für ihre Arbeit wählen sollte. Also hat sie kurzerhand ihre Verzweiflung und schlechte Laune in Kunst verwandelt. Die Arbeit ist passend dazu in acht Montage gegliedert – dem Tag der Woche, an dem viele schlecht gelaunt sind.
Gemündener hatten bereits Gelegenheit, die Bilder der mit einer glatten Eins bewerteten Abschlussarbeit zu sehen. Im September hat Romina Birzer sie im neuen Gemeinschaftsatelier „Treffpunkt Kunst“ in der Friedenstraße im ehemaligen Schlecker ausgestellt. Die Langenprozeltenerin arbeitet heute kaum noch mit Stift und Papier. Ihre Bachelorarbeit ist ganz und gar am Computer entstanden. Dafür hat sie ein Grafiktablett mit einem berührungsempfindlichen Bildschirm, auf dem sie mit einem dafür vorgesehenen Stift zeichnet. Das Bild wird dann direkt in ihren Laptop übertragen. Man könne so einfacher etwas am Bild verändern, sagt sie.
Birzers Markenzeichen ist die Farbe Rosa – ihre Lieblingsfarbe beim Zeichnen, weniger bei ihrer Kleidung. Deshalb nennt sich die Künstlerin Romina Rosa. Auch auf dem von ihr gestalteten Cover von Andreas Kümmerts Album „The Mad Hatter's Neighbour“ hat rosa Elemente: Der Gitarrenkoffer des mit Romina Birzer befreundeten Sängers ist rosa, auch die CD selbst.
Ihr Weg zur Künstlerin schien im wahrsten Sinne des Wortes vorgezeichnet: „Ich zeichne schon, seit ich ganz, ganz klein bin“, erzählt die 24-Jährige. „Im Kindergarten war ich nur in der Malecke.“ Die Kunst hat es ihr angetan, das blieb auch in der Schule so. Deshalb stehen heute kartonweise Blätter mit ihren Werken im Elternhaus in Langenprozelten. Als Künstlernatur konnte sie auf dem kaufmännisch ausgerichteten Friedrich-List-Gymnasium wenig anfangen, musste auch eine Ehrenrunde drehen. Auf der Fachoberschule in Würzburg, wo sie den gestalterischen Zweig wählte, fühlte sie sich deutlich wohler.
Danach bewarb sie sich mit einer Mappe voller Werke um einen Studienplatz in Kommunikationsdesign an der Fachhochschule Würzburg. Nur jeder Fünfte etwa wird dort genommen. Sie schaffte es. Im Studium illustrierte sie unter anderem eine Hippie-Version von Rotkäppchen, die darin ihrer Großmutter statt wie bei den Grimms Wein und Kuchen halluzinogene Pilze vorbeibringt. Außerdem besuchte sie einen Gnadenhof und zeichnete und schrieb eine Reportage darüber.
Jetzt, nach dem Bachelor, will Romina Birzer auch noch den Master machen. „Master of Arts“ (Meister der Kunst), das höre sich nach was an, findet sie. Die Langenprozeltenerin ist talentiert. Im Frühjahr gewann sie beim „Output Award“, einem internationalen Designwettbewerb für Studenten, einen Preis. Birzer setzte sich unter dem Titel „Nebelleben“ künstlerisch mit dem Thema Demenz auseinander. Dazu erstand sie alte Dokumente und Schriftstücke auf Flohmärkten und im Internet, scannte diese ein und kombinierte sie mit eigenen, zum Teil expressionistischen Zeichnungen.
Sie würde gerne Illustrationen für Magazine machen, am liebsten für „Neon“, einer Zeitschrift für junge Leute. Aber sie sieht ihre Zukunft nicht durch eine rosarote Brille: Illustratoren gibt es heute zuhauf. Zumal das Geschäft durch das Internet internationalisiert ist. Die Bezahlung ist zudem oft schlecht. „Ich ärgere mich manchmal, dass meine Arbeit nur als Hobby gesehen wird“, sagt Birzer. Deswegen will sie auch normales Grafikdesign machen, Logos, Flyer und dergleichen entwerfen.
Immerhin werden bald in zwei Magazinen Werke von ihr veröffentlicht. Angeschrieben hatte sie jedoch 70, geantwortet haben 15.