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LOHR
Forensik erneut Thema vor Gericht
Fortsetzung: Die gerichtliche Aufarbeitung von Unregelmäßigkeiten in der Lohrer Forensik geht am 2. Juli vor dem Amtsgericht Gemünden in eine nächste Runde. Foto: Johannes Ungemach
| Fortsetzung: Die gerichtliche Aufarbeitung von Unregelmäßigkeiten in der Lohrer Forensik geht am 2. Juli vor dem Amtsgericht Gemünden in eine nächste Runde. Foto: Johannes Ungemach
Von unserem Redaktionsmitglied Johannes Ungemach
 |  aktualisiert: 11.12.2019 19:52 Uhr

Die Lohrer Rupert-Mayer-Klinik für Forensische Psychiatrie beschäftigt in wenigen Tagen erneut die Justiz. Am 2. Juli soll um 9 Uhr vor dem Amtsgericht Gemünden der Fall einer Krankenpflegerin verhandelt werden, der die Staatsanwaltschaft nach verschiedenen Vorfällen aus dem Herbst 2008 „versuchte Gefangenenbefreiung“ vorwirft.

Die Frau soll zwei damals in der Forensik therapierten Straftätern unerlaubt Ausgang aus der gefängnisähnlich gesicherten Klinik gewährt haben. Das wegen der gleichen Vorgänge gegen einen weiteren Krankenpfleger eingeleitete Strafverfahren war im August 2012 gegen eine Geldauflage von 400 Euro ebenfalls vor dem Amtsgericht Gemünden eingestellt worden.

Zu Beginn dieser Verhandlung saß auch die damals 53-jährige Krankenpflegerin auf der Anklagebank. Nachdem ihr der Amtsarzt jedoch Verhandlungsunfähigkeit attestierte, wurde das Verfahren ausgesetzt. Die Frau hatte damals ebenso wie ihr mitangeklagter Arbeitskollege alle Vorwürfe bestritten. Sie kritisierte vor allem, dass die Anklage allein auf den Aussagen der Straftäter basierte, die jedoch kein exaktes Datum für die Tage nennen konnten, an denen sie angeblich entgegen der für sie geltenden Lockerungsstufen Freigänge erhalten hatten. Durch das Benennen eines nur vagen Zeitraums sei jedoch ein Entkräften der Vorwürfe unmöglich, kritisierte die Angeklagte damals.

Auch dass der zum Zeitpunkt der angeklagten Vorgänge amtierende Chefarzt der Klinik bei der Verhandlung nicht zur Aufklärung der Zustände in den Zeugenstand treten musste, missfiel der Angeklagten. Der Chefarzt hatte ein Attest vorgelegt, das ihm seinerseits Verhandlungsunfähigkeit bescheinigte.

Früherer Chefarzt im Zeugenstand

Bei der nun bevorstehenden Verhandlung soll der ehemalige Leiter der Klinik, der später beurlaubt wurde und mittlerweile nicht mehr im Amt ist, allerdings als Zeuge erscheinen. Das erklärte Richter Dr. Alexander Milkau gegenüber der Main-Post.

Es könnte sein, dass sich der ehemalige Chefarzt im Zeugenstand unangenehme Fragen gefallen lassen muss. Sprach doch der Krankenpfleger, gegen den das Verfahren mittlerweile eingestellt ist, in der Verhandlung 2012 von „mysteriösen Zuständen“ in der Forensik. Statt klare Regelverstöße des später vor Gericht als Hauptbelastungszeuge auftretenden Patienten zu ahnden, habe der Chefarzt dem Straftäter unübliche Privilegien bis hin zu Urlaub gewährt. Das Pflegepersonal habe gar keine Möglichkeit gehabt, Patienten eigenmächtig aus der Klinik zu entlassen, so die Darstellung des Krankenpflegers während der damaligen Gerichtsverhandlung.

Dem standen jedoch die Aussagen der beiden Forensik-Patienten entgegen. Diese hatten geschildert, dass sie nur das Personal um Freigang bitten mussten, um entgegen der Lockerungsstufe Ausgang zu erhalten.

Dass es in der Forensik im Jahr 2008 kurios zugegangen sein könnte, lässt die Tatsache vermuten, dass nach langwierigen Ermittlungen 2010 gleich gegen sieben Mitarbeiter der Einrichtung Strafbefehle verhängt wurden. Neben dem Vorwurf der versuchten Gefangenenbefreiung standen dabei auch Nötigung und in einem Fall Bestechlichkeit im Raum. So wird einem Pfleger vorgeworfen, einen Patienten, der die Klinik nicht hätte verlassen dürfen, sogar zu dessen Frau gefahren und ihn dort mehrere Stunden alleine gelassen zu haben.

Andere Mitarbeiter sollen Patienten unter Druck gesetzt haben, um zu verhindern, dass ein sexuelles Verhältnis einer Mitarbeiterin zu einem Patienten bekannt wird. Eine weitere Pflegekraft soll einem Patienten Vergünstigungen versprochen haben, wenn dieser ihm günstig Brennholz besorgt. Die Strafbefehle gegen insgesamt sieben Forensik-Mitarbeiter waren mit Geldauflagen zwischen 1000 und 7200 Euro verbunden. Zunächst hatten alle Beschuldigte Widerspruch eingelegt.

Wie der Würzburger Oberstaatsanwalt Boris Raufeisen sagte, hat mittlerweile einer der Beschuldigten den Strafbefehl akzeptiert. Weil der Beschuldigte „lange Zeit mit dem Strafverfahren belastet war“ – die Strafbefehle wurden bereits 2010 erlassen –, wurde die ursprünglich beantragte Geldstrafe reduziert.

Ein Verfahren gegen einen weiteren Pflegemitarbeiter wurde laut Raufeisen inzwischen eingestellt, ebenso das gegen den damals 51-Jährigen im vergangenen August vor Gericht. Offen sind neben dem Fall der Krankenpflegerin, der in wenigen Tagen verhandelt wird, noch drei Strafbefehle. Ob und wann es in diesen Fällen zu Gerichtsverhandlungen kommen wird, ist nach Aussage von Richter Milkau offen.

 
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