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Marktheidenfeld
Folklore, Jazz und engagierte Lieder
Instrumentales Können auf der Bühne: 'Hot & Cool' im Pfarrheim St. Laurentius
Foto: Martin Harth | Instrumentales Können auf der Bühne: "Hot & Cool" im Pfarrheim St. Laurentius
Martin Harth
Martin Harth
 |  aktualisiert: 04.08.2022 02:42 Uhr

So etwas nennt man Pech. Nachdem wochenlang kein Regen von Himmel fallen wollte, verdüsterte sich ausgerechnet am Freitagabend der Himmel. Das erste von zwei Freiluftkonzerten im Stadtgärtchen am oberen Mainkai mit der Gruppe "Hot & Cool" musste deshalb vor rund 120 Gästen im Pfarrheim St. Laurentius über die Bühne gehen. Der Spielfreude der fünf Musikerinnen und Musiker aus Würzburg tat dies freilich keinen Abbruch.

Mit einer hinreißenden Mixtur aus Glanzstücken der Klezmer-Musik, des jiddischen Lieds und des argentinischen Tangos wurde ein klangvolles und stimmungsgeladenes Programm geboten, das reichlich Applaus erntete. Tango und Klezmer verbindet so manches, so lautete das Credo dieses Abends: Leidenschaft, die alltägliche Welt aus Liebe und Trauer, Fröhlichkeit und Melancholie.

Nach dem instrumentalen Auftakt "Felicia" aus Argentinien berichtete Sängerin Claudia von der Goltz nachdrücklich "Oy Mame, bin ich farlibt", wie es einst schon die heute fast vergessenen Barry Sisters taten. Es wurde deutlich, dass die Klezmermusik in den 1930er Jahren durch die jüdische Einwanderung aus Osteuropa Einfluss auf den Swing und den Jazz in den USA gewann. Dies zeigten überzeugende Arrangements des virtuos aufspielenden Gitarristen Bernhard von der Goltz. 

Brillante Melodien auf dem Saxophon

Rainer Schwander gestaltete brillant die Melodien auf dem Sopransaxophon, wo man sonst eher eine Klarinette vermutet hätte. Auch das Akkordeon kam zum Einsatz. Von der Welt des Tangos erzählten das schmeichelnde "Por una Cabeza" von Carlos Gardel sowie Astor Piazzollas Hommage an seinen Vater "Adiós Nonino". Begeisternd und restlos überzeugend spielte Laura von der Goltz ihre sehr berührende Violine. Erstmals war Philipp Hagemann am Cello mit dabei. Er begleitete souverän und jederzeit dazu bereit, ausgesprochen ansprechende Solopassagen beizusteuern.

"Fellinis Traum" entpuppte sich als eigenwillige, feine Schöpfung von Bernhard von der Goltz. Schöne Melodien in konzentrierter Atmosphäre dominierten den Abend wie der fließende Tango-Walzer "Flores del Alma" oder der ungarische "Csárdás" zum Abschluss, denn die Schönheit vereint die Musik aus aller Welt.

Atmosphärischer Zauber

Ganz anders gestaltete sich der Samstagabend, an dem das Stadtgärtchen an einem schönen Sommerabend seinen atmosphärischen Zauber entfalten konnte. Zu Gast war die Singer-Songwriterin Sarah Straub (Gesang, Klavier) mit ihrem Begleiter an der Gitarre Andreas Ferra. Begrüßt von Bürgermeister Thomas Stamm, bedankten sie sich herzlich für die gute Aufnahme in einem "wahren Kleinod für einen solchen Auftritt" vor gut 180 Gästen.

Engagierte Lieder: Sarah Straub im Stadtgärtchen.
Foto: Martin Harth | Engagierte Lieder: Sarah Straub im Stadtgärtchen.

Sahra Straub, die sich als Psychologin am Universitätsklinikum Ulm mit dem Thema Demenz befasst und die vor kurzem ihr Buch "Wie meine Großmutter ihr Ich verlor" veröffentlichte, hat ihrem Publikum viel zu sagen. Ihre Zusammenarbeit mit dem Liedermacher Konstantin Wecker machte sie mit dessen Song "Ich singe, weil ich ein Lied hab" schon zu Beginn deutlich. 

Im Mittelpunkt des Programms der 36-Jährigen stand das kürzlich veröffentlichte Mini-Album "Tacheles". In sieben Liedern singt Straub mit großer poetischer Kraft von Glück und Liebe, aber auch von Verletzlichkeit und Scheitern. Gitarrist Andreas Ferra schaffte mit wundervollen instrumentalen Sololäufen träumerische Phasen der Besinnung und hatte mit seinem Lied "Danke sagen" selbst etwas zur Botschaft des Abends zu sagen.

Emanzipatorisches Augenzwinkern

Und da scheute sich Sarah Straub nicht, Kritik zu üben an den Maskendeals bayerischer Politiker in der Corona-Krise. Sie warb kunst- und stilvoll für mehr Verständnis und Unterstützung für Demenzkranke und ihre oft überforderten, pflegenden Angehörigen. Sehr einfühlsam trug sie dazu ihr Lied "Schwalben" vor. Konstantin Weckers "Empört Euch" und "Was keiner wagt" forderten das Engagement, um unsere Welt zu einem besseren Ort zu machen.

Mit "Junimond" von Rio Reiser oder Hannes Waders "Heute hier, morgen dort" lud die Sängerin zum Mitsingen sein und ihre eigene Schöpfungen können neben den Werken der ganz Großen durchaus bestehen, immer wieder auch mit weiblich-emanzipatorischem Augenzwinkern gepaart – "Lass es raus". Die Gäste im stimmungsvoll illuminierten Stadtgärtchen bekamen am Ende ihre Zugabe und applaudierten begeistert für einen rundum unterhaltsamen musikalischen Abend mit Tiefgang.

Stimmungsvolle Atmosphäre: Sarah Straub und Gitarrist Andreas Ferra im Stadtgärtchen.
Foto: Martin Harth | Stimmungsvolle Atmosphäre: Sarah Straub und Gitarrist Andreas Ferra im Stadtgärtchen.
 
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