Der Tag ist grau, die Luft kalt. Petra Hausners Grundstück in Altfeld mit dem Haus und den dahinterliegenden Stallungen wirkt still. Eine braune und zwei schwarze Katzen streunen in der Einfahrt herum. Schließlich kommt die 51-Jährige durch die Haustür, biegt rechts ab und geht in den Stall. Beim Näherkommen hört man das Wiehern und das Klackern von Huf auf Stein. Es riecht nach Heu und Stroh.
Insgesamt sechs Pferde nennt die Marktheidenfelderin ihr eigen. Fünf davon leben bei ihr zuhause. Nur der kleine Hiro, ein Freiberger Fohlen, steht auf dem Kilianshof in Sandberg im Landkreis Rhön-Grabenfeld. Den jungen Hengst hat Hausner vor dem Schlachthof gerettet – genau wie zwei Jahre zuvor ihre Stute Leona. „Ich wollte einmal im Leben etwas Gutes tun und uneigennützig ein Pferd kaufen“, sagt sie und lächelt.
Für die Wurst gezüchtet
Beide Tiere kommen aus der Schweiz, wo die Freiberger als heimische Rasse vom Staat subventioniert werden. Dadurch werden mehr Fohlen gezüchtet, als verkauft werden können. Vom Metzger bekommen die Züchter aber genauso viel Geld wie von einem privaten Käufer, weshalb die meisten Freiberger direkt für die Wurst oder den Sauerbraten gezüchtet werden. Dieses Schicksal blieb Hiro und Leona dank der Pferdeliebhaberin erspart. Ihr Grund für die Rettung ist persönlich: „Die Pferde haben mir das Leben gerettet und so wollte ich im Gegenzug auch ein Leben retten.“
Von dem Moment an, in dem die Tiere in ihr Leben traten, sei alles besser geworden. Sie fand wieder Freunde, konnte wieder ein normales Leben führen. „Mein Leben hat sich durch die Pferde total verändert“, blickt sie heute zurück. Seitdem hatte sie immer Pferde; noch nie hat sie eins verkauft. „Ich hatte die Tiere immer bis zum Ende.“
Der Traum vom Therapiepferd
Hausner hat einen Schlüsseldienst und ein Sicherheitsfachgeschäft in Marktheidenfeld. Wenn es nach ihren Träumen ginge, würde sie allerdings mit Menschen und Pferden arbeiten. Deshalb soll Leona auch zum Therapiepferd ausgebildet werden.
Am liebsten möchte die Pferdenärrin das selbst tun, aber sie hat andernfalls auch Kontakt zu jemandem in Berlin, der dort ein Therapiezentrum für traumatisierte Flüchtlinge aufbauen möchte. Da könnte Leona ebenfalls unterkommen – und den Menschen dort helfen. Die Marktheidenfelderin würde die Stute dann weggeben, nachdem sie sie bei sich aufgezogen hat. „Ich glaube, wenn die Pferde gut aufwachsen, dann können sie selbst später Gutes tun“, erklärt sie.
Auf die Idee, die Pferde zu retten, kam sie über den Tierschutzverein Komet aus Köln. Da die Einzelhandelskauffrau dort regelmäßig spendet, fragte der Verein sie 2014 das erste Mal, ob sie nicht ein Fohlen retten würde. Damals war Hausner noch unsicher, weil sie nicht wusste, in welchem Zustand das Pferd war. „Ich habe mich auch irgendwann gefragt, was es für einen Unterschied macht, wenn ich das eine Fohlen rette, aber 1000 weitere sterben“, erzählt sie.
Als sie dann mit den zwei Möglichkeiten für Leona konfrontiert wurde – die Rettung oder die Schlachtbank – hat sie schließlich eingewilligt. Bei Hiro war die Überwindung viel leichter, „weil ich gesehen habe, wie viel Lebensfreude diese Pferde ausstrahlen.“
Kosten von über 1500 Euro
Der kleine Hengst hat 1500 Euro gekostet. Dazu kommen der Transport aus der Schweiz, Mehrwertsteuer und Arztkosten. Im Unterhalt müsse man außerdem mit etwa 200 Euro im Monat für ein Pferd rechnen, je nach Unterbringung. Hausner nahm diese Investition gerne in Kauf.
„Ich habe mir schon Vorwürfe gemacht, weil ich eigentlich noch ein zweites Pferd retten wollte“, sagt sie. Das zweite Fohlen ist jedoch an einer Wurmkolik gestorben. Das sei ein weiteres Problem bei den Freibergern. Da sie meist jung geschlachtet werden, legten die Züchter wohl nicht so viel Wert auf regelmäßige Arztbesuche.
Gut aufwachsen auf der Weide
Die 51-Jährige möchte, dass Hiro auf dem Kilianshof aufwächst, weil sie selbst keinen Hengst aufziehen kann – schließlich stehen bei ihr nur Stuten und ein Wallach. Bei Susan Kleinhenz auf dem Hof habe er tolle Bedingungen, eine große Koppel und gleichaltrige Pferde. Eigentlich würde sie ihn verkaufen, aber „wenn ich ihn noch eine Weile behalte, ist er mir zu sehr ans Herz gewachsen, um ihn wegzugeben.“
„Ich hatte die Tiere immer bis zum Ende.“ Petra Hausner über ihre Pferde
Vielleicht findet sie einen Weg, um Hiro zu sich zu holen. Dann könnte er mit Leona, Jule, Sunny, Beauty und Eddie in ihren Stallungen in Altfeld leben. Dort wohnen mittlerweile auch neun Katzen, die der Pferdeliebhaberin fast alle zugelaufen sind.
Und womöglich kommt früher oder später auch noch ein weiteres Fohlen dazu, denn Petra Hausner macht klar: „Ob ich noch mal ein Pferd retten würde? Auf jeden Fall!“