Was ein Schaufensterbummel mit dem Besuch einer Website gemeinsam hat? Bei der Firma Mehling & Wiesmann aus Lohr sehr viel: „Es gibt keine Sackgassen, der Besucher kann sich flanierend durch die Seite bewegen, wie bei einer Einkaufstour durch die Stadt“, sagt Christian Nath. Zusammen mit seinem Kollegen Philip Grob haben die beiden Betreiber der Würzburger Agentur Shuttle Design Studio die Website des Lohrer Furnierherstellers neu gestaltet – und mit dieser gleich einen Red Dot Design Award 2015 für Communication Design gewonnen.
Eine reife Leistung – vor allem in Anbetracht der Zeit: Anfang des Jahres erst hatte Diana Paul, Assistentin der Geschäftsführung bei Mehling & Wiesmann, den Kontakt zu der Würzburger Agentur, deren Geschäftsführer übrigens beide aus Gemünden stammen, aufgenommen. Bis zur internationalen Messe für Zulieferer der Möbelindustrie und des Innenausbaus, der Interzum in Köln im Mai 2015, sollte die neue Homepage fertig sein. Wie wichtig dem Lohrer Unternehmen die weltweite Präsenz im Internet ist, erklärt sich durch den Nischenmarkt, in dem die Furnierbranche rangiert. „In Deutschland wird kaum noch mit Echtholz gearbeitet“, sagt Diana Paul. So gingen zum Beispiel im Juli 99 Prozent aller Aufträge des Lohrer Furnierherstellers ins Ausland.
Den Anstoß, die Website zu erneuern, gab aber auch die Technik. „Unser Content Management System war veraltet“, erzählt Diana Paul. Allerdings sollten auch die Inhalte der Website neu sortiert und vor allem neu präsentiert werden. „Es sollte auf den ersten Blick erkennbar sein, dass wir ein Hersteller sind“, beschreibt sie. Denn viele Anbieter ließen mittlerweile im Ausland messern. Das Lohrer Unternehmen verwendet heimisches Holz aus dem Spessart. Zudem sollte gezeigt werden, was aus Furnieren alles gemacht wird. Das sei nicht immer bekannt. Zum Beispiel, dass Furnierholz immer auf ein Trägermaterial aufgebracht werden muss. Und dass es oft als dekorative Oberfläche dient.
Wie das genau aussehen kann, sieht man auf der neuen Website: Viel Weiß mit dosiertem schwarzen Text und vielen Bilder stechen hier heraus. „Wir haben versucht, die Seite so puristisch und zurückgenommen wie möglich zu gestalten“, sagt Macher Christian Nath, „damit die Bilder wirken“. Insgesamt ist die Website grafisch sehr reduziert. Im größten Ansichtsmodus besteht sie aus einem dreispaltigen Ansichtsraster. Das dient der Lesbarkeit, damit die Zeilen nicht zu lang werden.
Und: Wenn die Seite auf einem I-Pad, Tablet oder Smartphone umgebrochen wird, passt sich das Spaltenraster an. „Responsive Webdesign“ nennt sich diese Art der Programmierung einer Seite, die auf allen Ausgabegeräten funktioniert.
Diese Einfachheit und Klarheit überzeugte auch die Jury des Red Dot Award. Musste man vorher auf der Website des Lohrer Herstellers genau wissen, was man sucht, wurden die Inhalte der Seite nun semantisch miteinander verknüpft, beschreibt Christian Nath. Wer sich zum Beispiel für eine bestimmte Holzart interessiert, kann sich im nächsten Schritt über ähnliche Sorten informieren oder Referenzen anschauen, in denen exakt dieses Holz verbaut ist oder ihm werden andere Produkte angeboten, die zu seiner Suche passen. „Die Seite hört sozusagen nie auf, es gibt keine Sackgassen, der Besucher kann durch die Seite schlendern, wie bei einem Schaufensterbummel, beschreibt Nath das Prinzip.
Die Herausforderung für die Würzburger Designer: Bei der Firma Mehling & Wiesmann handelt es sich um einen Traditionsbetrieb. „Gestalterisch ist man da ganz schnell bei den Klischees wie einer alten Schrift, dem fränkischen Rechen oben rechts in der Ecke, einem Holzhintergrund“, erklärt Christian Nath. Die Würzburger entschieden sich für den Gegensatz: Modern sollte die Seite werden. Den Charakter des Betriebes darstellen, ohne altbacken zu wirken.
Die Herausforderung für Diana Paul von Mehling & Wiesmann: Fotos von den Endprodukten besorgen, von verbauten Furnieren aus dem Lohrer Werk wie zum Beispiel in der Museumsinsel in Berlin, in Schloss Elmau oder im Bischofspalast in Limburg. Aber nicht alles darf gezeigt werden.
Das Prinzip „Weniger ist mehr“ wurde auch bei Kleinigkeiten beherzigt. So stehen bei der Mehrsprachigkeit der Seite nur noch Deutsch oder Englisch zur Auswahl. Auch auf den „Home-Button“ wurde verzichtet, zurück geht es über das Logo. Ein neuer Service: Im Downloadbereich steht auch der Katalog des Unternehmens zur Verfügung. Der Grund: „Viele nehmen so etwas auf der Messe gar nicht mehr mit“, erklärt Diana Paul.
Mit der neuen Seite verabschiedet wurde auch der Online-Shop des Unternehmens. Er lohnt sich einfach nicht. „Wenn es um Naturprodukte geht, wie bei uns, wollen die Kunden das Holz selbst in Augenschein nehmen und kommen zur Übernahme meist persönlich vorbei“, so Diana Paul.
Gemeinsam mit den Machern des Shuttle Design Studios ist man bei Mehling & Wiesmann sehr zufrieden mit der Seite – und natürlich mit dem Preis. Am 6. November findet die offizielle Preisverleihung in Berlin statt. Für beide übrigens nicht der erste Red Dot Award: 2014 wurde das Shuttle Studio für Verpackungsdesign beim Red Dot Award in der Kategorie Packaging ausgezeichnet und erhielt eine Nominierung für den German Design Award.
Mehling & Wiesmann erhielt im Jahr 2009 bereits den Red Dot „Best of the Best“ für geräucherte Eukalyptusfurniere, wie sie vor allem von italienischen und südkoreanischen Möbelherstellern wie Molteni oder Shinmyoung verarbeitet werden.
Red Dot Design Award
Der Red Dot Design Award ist ein vom Design-Zentrum Nordrhein Westfalen ausgeschriebener, international anerkannter Designwettbewerb, bei dem der „Red Dot“, ein roter Punkt, verliehen wird.
Eine internationale Jury aus Fachkundigen verleiht ihn an Arbeiten, die eine herausragende Designqualität haben. Besonders gelungene Arbeiten werden mit dem Red Dot ausgezeichnet. Herausragende Arbeiten erhalten den Titel Red Dot: Best of the Best.
Die prämierten Arbeiten werden für mindestens ein Jahr im Red Dot Design Museum, einem Designmuseum in Essen, ausgestellt. Designer und Hersteller können ihre Arbeiten für den jährlichen Wettbewerb anmelden. Die Anmeldung ist kostenpflichtig. 2015 beteiligten sich über 7000 Teilnehmer, 500 wurden ausgezeichnet. Quelle: Wikipedia