Der Besuch einer Stadtratssitzung ist in Hädefeld immer lohnenswert. Das ist besser als Fernsehen, das ist wie viele Sendungen gleichzeitig schauen. Drama, Komödie, Fantasyfilm, Kinderstunde, Quizshow und Telekolleg in einem, da kann das echte Fernsehen einpacken.
Am Donnerstag habe ich gelernt, das etwas im gleichen Augenblick formell zulässig, aber materiell unzulässig sein kann. Diese Information bekommt man im Fernsehen nur in der Sendung „Jura für Fortgeschrittene“. Oder vermutlich auch in der Sendung „Physik für Fortgeschrittene“, wo es um die Quantentheorie geht, in der die Elementarteilchen ja auch irgendwie existieren, dann auch auch materiell irgendwie nicht. Oder so ähnlich. Ja, nicht nur das wirkliche Universum wirkt für den menschlichen Verstand verrückt, wenn man ins kleinste Detail geht, auch das Phantasieuniversum Recht und Verwaltung. Irgendwie hat in der Sitzung Professor Harald Lesch gefehlt, der einem zumindest das Gefühl einflößt, dass das alles irgendwie einen Sinn ergibt.
Also innerlich lieber auf ein anderes Programm schalten. Wie ein TV-Western aus der Mitte des vergangenen Jahrhunderts wirkte auch der Schauplatz der Stadtratssitzung. In der Mitte eine Wagenburg und außenrum die Indianer. Bloß dass die Indianer nicht auf Pferden ritten, sondern auf Stühlen saßen. Und dass die Wagenburg aus Cowboys mit verschiedenfarbenen Hüten besteht, die sich schon mal gegenseitig vor die Füße schossen. Auf den rettenden John Wayne hoffte ich vergebens.
Dann wieder drückte ich im Kopf die Fernbedienung und war in einer Wiederholung der „Supernanny“, wo ich nur darauf wartete, dass ein trotziges Kind auf die stille Treppe gesetzt wird. Passierte aber leider nicht.
Zapp, umschalten – „Wer wird Millionär“, bei der Eine-Million-Euro-Frage. Und der Saal ist voll mit Telefonjokern. Und das Schlimme ist: Nicht nur alle wissen alles, sondern alle wissen alles besser als alle anderen. Auf welchen Telefonjoker soll man sich verlassen? Ich habe den Eindruck, dass da ganz oft lieber auf den Fifty-Fifty-Joker zurückgegriffen wird. Man muss nicht alles wissen, man muss nur gut genug raten.
Ob ich damit zu sehr auf den Stadtrat einprügle? Mag sein, aber ich nehme da die Bürger gar nicht aus. Und mich selbst manchmal auch nicht, wie ich zugeben muss. Selbst diese Zeilen sind mehr geraten und fabuliert, als dass sie auf einem allwissenden Telefonjoker basieren. Aber was will ich machen? In die Köpfe möchte ich ja manchmal schon schauen können. Aber Hellseher-Sendungen gibt es im Fernsehen Gott sei Dank nicht mehr – außer auf Astro-TV –, und für den Namen Uri Geller brauchen viele Menschen mittlerweile auch schon einen Telefonjoker.
Ich wünsche mir den Stadtrat wie die Sendung mit der Maus. Elefant, Maus und Ente haben sich immer lieb und alles wird gut erklärt. Nur den Käpt'n Blaubär macht jetzt
Euer Fischers Fritz