Fröhlich pfeifend habe ich in dieser Woche meinen Platz zur Frühstücksrunde vor dem Café in Hädefeld eingenommen. Mein Kumpel Hannes saß schon dort – mit hängenden Mundwinkeln, die einer Bundeskanzlerin würdig wären. Zeit für mich, ihn mit guten Nachrichten aufzumuntern.
„Schon gehört“, fragte ich Hannes, „die BR-Radltour kommt wieder nach Hädefeld. Das gibt einen Hädespaß!“ Hannes' Gesicht verfinsterte sich wie eine Neumondnacht. „Der Untergang Hädefelds, ausgerechnet im Jubiläumsjahr der Stadterhebung“, knurrte er. Ungläubig schaute ich ihn an. „Was hast du denn? Statt Tausenden von Autofahrern, die sich missmutig durch die Straßen schieben, kommen tausend gut gelaunte Radfahrer. Das ist doch schön“, erklärte ich ihm.
„Eben, tausend Radfahrer“, sagte Hannes in dem gleichen Tonfall, in dem wohl Moses dem Pharao die zehn biblischen Plagen angekündigt hat. „Radfahrer, die den ganzen Tag gefahren sind und dementsprechend schwitzen“, fuhr mein Kumpel mit seiner Erklärung fort. „Ich habe gelesen, dass Sportler in Aktion bis zu zehn Liter Schweiß verlieren können.“ Obwohl ich den Irrsinn in seinen Augen flackern sah, ließ ich mich zu einem „Ja und?“ hinreißen.
„Fritz, überleg doch mal“, sagte Hannes und holte tief Luft. „Wir reden hier von über zehntausend Litern Schweiß, stell dir das mal vor.“ Ich stellte es mir vor und setzte daraufhin leicht zitternd meine Cappuccinotasse wieder ab – plötzlich schmeckte der Kaffee nicht mehr. Nichts wird je wieder schmecken, solange ich dieses Bild im Kopf habe.
„Nun können zwei Sachen passieren“, führte Hannes weiter aus. „Zum einen könnte alles in den Main fließen und wir dürften wieder alle unsere Autos vom Mainkai umparken.“ Nur meine leichte Übelkeit hinderte mich daran, meinem Kumpel zu sagen, dass auch zehntausend Liter zusätzliche Flüssigkeit kein Hochwasser auslösen werden. Wobei ich Hannes wohl auch kaum hätte bremsen können. Heimlich habe ich schon immer vermutet, dass er Professor an der Hädefelder Schule für Verschwörungstheorien und post-faktische Kunst ist.
„Schlimmer aber wäre es, wenn es richtig warm an dem Tag ist und der Schweiß verdunstet“, sagte Hannes. „Wolken werden sich daraus bilden, die Sonne wird sich verfinstern“, wahnsinnierte er weiter vor sich hin. „Dicker Nebel wird über dem Main hängen, ein Kreuzfahrtschiff wird wegen schlechter Sicht endgültig einen Pfeiler aus der alten Mainbrücke herausrammen und die Flutwelle wird Hädefeld und alle Einwohner hinwegspülen“, rief er mit einer Stimme, auf die selbst Nostradamus neidisch gewesen wäre.
„Aber es wird wahrscheinlich auch Bier, Cocktails, Bratwürscht und ein Konzert geben“, erwiderte ich leise und zaghaft. „Ach echt?“, fragte Hannes erstaunt und seine Fratze fiel wieder in sich zusammen. „Da freue ich mich aber darauf. Toll, diese Radltour“, sagte mein Kumpel nun munter, nahm einen Schluck von seinem Kaffee und begann fröhlich zu pfeifen.