Ihr lieben Leut!
Neulich musste ich meinem Enkel erklären, dass eine Wählscheibe nichts mit der Bundestagswahl zu tun hat. Aber woher soll Fritzchen das auch wissen? Sein Telefon hat ja nicht mal mehr Tasten, er wischt nur mit seinen fettigen Fingern darauf herum. Dass man mit einer Wählscheibe andere Leute anrufen konnte, deren Telefonnummer sogar auswendig kannte, das kann der Kleine nicht verstehen.
Genauso wenig, dass die Welt seit 50 Jahren erst bunt ist. Die echte Welt, also die im Fernsehen. Vorher gab es nur Schwarz und Weiß – und ein wenig Grau. Plötzlich waren in der Glotze das Gras grün und der Himmel blau – und damit war für mich der Reiz des Fernsehens dahin. In meiner Fantasie waren in den Spielfilmen vor der Farb-Ära der Himmel gelb und das Gras rot, das alles hatte etwas Aufregendes, etwas von fremden Welten und unentdeckten Weiten. Plötzlich sah es in der Flimmerkiste aus wie bei mir vor der Haustür in Hädefeld – dafür muss ich die Kiste doch nicht mehr einschalten.
In Schwarz-weiß sahen auch alle Leute geschmackvoll und stilsicher gekleidet aus. Wie groß war der Schock einer ganzen Fernsehgeneration, dass die Typen in der Glotze ein genauso furchtbares Modeempfinden hatten wie der Rest der Nation. Schaut euch doch mal die Bilder aus Hädefeld aus der Zeit an, was das für Farbkombinationen waren. Grün und Blau, schmückt die Sau! Diese tiefe modische Verunsicherung, die durch dieses mediale Ereignis entstanden ist, konnte man noch bis in die späten 80er Jahre spüren – und manchmal heute noch. Damals drehte man den Farbregler am Fernseher gern wieder auf Null, um den Augen etwas Trost und Ruhe zu gönnen.
Doch wie soll ich Fritzchen diese Faszination erklären? Sein Smartphone kann 16 Millionen Farben anzeigen, behauptet er. So viele Namen für Farben fallen mir gar nicht ein. Leuchtet ein Pixel dann in einem leicht ins Violett gehenden Blassblaudunkelgrün? Mein Wasserfarbkasten hatte sechs Farben und plötzlich gibt es Millionen? Da ist doch zu irgendeinem Zeitpunkt etwas Komisches mit der Welt passiert.
Fritzchen kennt solche Umbrucherlebnisse gar nicht. Für ihn ist Mark keine Währung, sondern das Innere des Suppenknochens. Dass das dass daß geschrieben wurde, ist ihm dank der Rechtschreibreform völlig unbekannt. Die hat ohnehin viel mir bis dahin Unbekanntes auf den deutschen Sprachmarkt gebracht. Immer wieder gibt es neue Worte, die sich mir erst nach längerem Nachdenken erschließen. So kann man auf dem Schild einer Gastwirtschaft in Bischbrunn lesen: „Pension Monteuer Zimmer“. Seht selbst:
Monteuer ... hmmmm. Gut, teuer ist klar. Gibt es auch Mongünstig? Oder ist das das Eigenschaftswort, wenn ein Zimmer wegen der großen Nachfrage am Montag einen Aufpreis kostet? Aber dann wären ja Zimmer, die tagsüber günstig sind, abenteuer. Aber wenigstens ist das Schild in Schwarz und Weiß gestaltet, denn das Ganze noch in Grün und Blau wäre zu viel für
Euren Fischers Fritz