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HÄDEFELD
Fischers Fritz: Jou, wir schaffen das!
Fischers Fritz       -  Ihr lieben Leut!  In meinem Alter entfernt man sich wohl oder übel immer mehr von der Jugend – auch sprachlich.  Da tröstet mich nur wenig, dass im Jugendbeirat der Stadt Hädefeld auch keine Backfische (das ist die Sprache meines Alters) mehr sitzen – eher das gesetztere Alter.   Aber immerhin: Die jung gebliebenen Beiräte haben mich dann doch überrascht, wie souverän sie mit Jugendausdrücken umzugehen vermögen.   In einer Fragebogenaktion haben sie die Heranwachsenden (noch so ein altertümlicher Ausdruck für „Kids“) gefragt, was sie sich denn auf dem Mehrgenerationenspielplatz so wünschen würden. Es hat sich nämlich herausgestellt, dass der zwar für Kinder zum Spielen und für Eltern und Großeltern zum Ratschen taugt, aber eine Generation komplett überspringt: die Jugend.  Da haben die jungen Leut freiweg von der Leber ihre Wünsche geäußert: Sie hätten gern eine Chillout-Zone und einen Hotspot.  Ich übersetze euch das mal: eine Fläche zum Entspannen und eine zum Toben. Jetzt könnte ich gelassen kontern, dass die Rothenbücher Wiese per se schon immer eine der ruhigsten Entspannungszonen der Stadt ist. Und wer dort kickt bis zum Umfallen, hat sich ausgetobt genug.   Aber das wäre nicht cool. Ne, die Kids wünschen sich einen Stadtstrand mit Shisha-Lounge zum Abhängen. Weil das jetzt aber nur den Wunsch nach Entspannung widerspiegelt, hat der jugendaffine Jugendbeirat überlegt, wie er das Jungvolk in Bewegung bringen könnte. Fußball geht immer. Beach-Volleyball wäre noch besser, weil ziemlich „in“. Richtig modern wären aber interaktive Spiele – digital, versteht sich.   Da kann man auf Torwände mit Lichtanzeigen ballern, um leuchtende Spiel- und Rate-Säulen herumrennen oder mit dem Handy aktuelle Hits auf die ganzjährig geöffnete Open-Air-Disco-Anlage runterladen. Das wäre ein Hotspot!  Das hat den Stadtrat so bewegt, dass er schon ganz heiß war, die Pläne umzusetzen. Jedenfalls hat er sich vor Lob für den Beirat richtig überschlagen. Nur einmal hat die Bürgermeisterin verschämt auf die fünfstelligen Beträge hingewiesen, die solche interaktiven Digitalspielzeuge fürs Freie kosten könnten. . .  Aber wie heißt es in meiner antiquierten Sprache? Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird.  Euer Fischers Fritz
| Ihr lieben Leut! In meinem Alter entfernt man sich wohl oder übel immer mehr von der Jugend – auch sprachlich.
Roland Pleier
 |  aktualisiert: 28.10.2015 03:27 Uhr

Fischers Fritz

Ihr lieben Leut!

Heute will ich euch mal was verraten: Ich hab Ahnenforschung betrieben – und dabei festgestellt, dass ich Migrationshintergrund habe. Und das in einer alteingesessenen Hädefelder Fischer-Familie! Stammt doch einer meiner Urahnen aus Holland. Schiffer war er, so hab ich herausgefunden, war erst auf dem Rhein, in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts dann mit dem Kettendampfschiff auf dem Main unterwegs. Dabei ist er wohl auch an Hädefeld vorbeigeschippert und hat da am Ufer die Vroni stehen sehen, die Tochter vom Fischer Karl. Es hat gefunkt. Der Fall war klar. Die Kinder sprachen schon astrein hädefelderisch, die Enkel sowieso.

Einer der Urenkel aber hat dann eine geheiratet, die wieder anders sprach. Egerlandrisch nämlich. Eine Flüchtlingstochter hatte ihm schöne Augen gemacht, da konnte er nicht widerstehen. Halb Hädefeld hat geguckt. So eine aus der Düsseldorfer Siedlung heiraten, das geht ja gar nicht, hieß es. „Die hat doch nix!“ Nun, er hat sich durchgesetzt. Er wurde nicht verstoßen, wie das damals in manchen Familien vorgekommen ist.

Das muss man sich mal vorstellen: Vor 75 Jahren zählte der Landkreis Marktheidenfeld 30 000 Einwohner, zehn Jahre später ein Drittel mehr. Jeder zweite Hädefelder war Flüchtling oder Heimatvertriebener. In Zimmern und Billingshausen lag der Anteil der Fremden sogar noch höher. Und wir heute haben Angst, dass uns die Flüchtlinge aus Asien und Afrika überfordern? Rund 1000 Asylsuchende sind derzeit im Landkreis Main-Spessart. Sollten es 2000 oder 3000 werden – das wären nicht einmal drei Prozent der Bevölkerung hier.

Als alter Hädefelder sage ich: Das sollten wir hinbekommen. Von einer Krise sind wir weit entfernt. Nach dem Krieg, als es selbst Alteingesessenen nicht sonderlich gut ging, war die Herausforderung ungleich höher. Dass wir gefordert sind, sei unbestritten, dass wir uns sorgen, keine Frage. Aber Angst? Angst ist ein schlechter Ratgeber! Denn die größte Angst, das ist die Angst vor dem Unbekannten. Und Letzteres lässt sich schnell ändern – dann nämlich, wenn man auf Menschen zugeht, auch oder gerade wenn sie einem noch völlig fremd sind.

Wir in Hädefeld haben ja schon öfter bewiesen, dass wir ein offenes Völkchen sind und dass wir mit den Krakeelern und Hetzern, wie sie jetzt wieder landauf, landab zu hören sind, nichts zu tun haben wollen. Als vor ein paar Jahren die Neonazis bei uns aufmarschiert sind, haben wir friedlich gegen sie protestiert. Ich habe damals, nachdem sie wieder abgezogen waren, sogar persönlich den Besen geschwungen, um unsere Straßen symbolisch von den Spuren der rechten Wirrköpfe zu reinigen.

„Marktheidenfeld ist bunt“ nannte sich unser Bündnis – und genau diese offenherzige Einstellung sollte sich jetzt wieder überall breit machen, da wir in unserer Stadt schon bald eine Vielzahl an Flüchtlingen aufnehmen werden. Ich erinnere gerne auch an die Worte von Bob, dem Baumeister, die später von Barack Obama und nun auch Angela Merkel übernommen wurden: „Wir schaffen das!“ Euer Fischers Fritz

 
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