Fischers Fritz
Ihr lieben Leut!
Heute will ich euch mal was verraten: Ich hab Ahnenforschung betrieben – und dabei festgestellt, dass ich Migrationshintergrund habe. Und das in einer alteingesessenen Hädefelder Fischer-Familie! Stammt doch einer meiner Urahnen aus Holland. Schiffer war er, so hab ich herausgefunden, war erst auf dem Rhein, in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts dann mit dem Kettendampfschiff auf dem Main unterwegs. Dabei ist er wohl auch an Hädefeld vorbeigeschippert und hat da am Ufer die Vroni stehen sehen, die Tochter vom Fischer Karl. Es hat gefunkt. Der Fall war klar. Die Kinder sprachen schon astrein hädefelderisch, die Enkel sowieso.
Einer der Urenkel aber hat dann eine geheiratet, die wieder anders sprach. Egerlandrisch nämlich. Eine Flüchtlingstochter hatte ihm schöne Augen gemacht, da konnte er nicht widerstehen. Halb Hädefeld hat geguckt. So eine aus der Düsseldorfer Siedlung heiraten, das geht ja gar nicht, hieß es. „Die hat doch nix!“ Nun, er hat sich durchgesetzt. Er wurde nicht verstoßen, wie das damals in manchen Familien vorgekommen ist.
Das muss man sich mal vorstellen: Vor 75 Jahren zählte der Landkreis Marktheidenfeld 30 000 Einwohner, zehn Jahre später ein Drittel mehr. Jeder zweite Hädefelder war Flüchtling oder Heimatvertriebener. In Zimmern und Billingshausen lag der Anteil der Fremden sogar noch höher. Und wir heute haben Angst, dass uns die Flüchtlinge aus Asien und Afrika überfordern? Rund 1000 Asylsuchende sind derzeit im Landkreis Main-Spessart. Sollten es 2000 oder 3000 werden – das wären nicht einmal drei Prozent der Bevölkerung hier.
Als alter Hädefelder sage ich: Das sollten wir hinbekommen. Von einer Krise sind wir weit entfernt. Nach dem Krieg, als es selbst Alteingesessenen nicht sonderlich gut ging, war die Herausforderung ungleich höher. Dass wir gefordert sind, sei unbestritten, dass wir uns sorgen, keine Frage. Aber Angst? Angst ist ein schlechter Ratgeber! Denn die größte Angst, das ist die Angst vor dem Unbekannten. Und Letzteres lässt sich schnell ändern – dann nämlich, wenn man auf Menschen zugeht, auch oder gerade wenn sie einem noch völlig fremd sind.
Wir in Hädefeld haben ja schon öfter bewiesen, dass wir ein offenes Völkchen sind und dass wir mit den Krakeelern und Hetzern, wie sie jetzt wieder landauf, landab zu hören sind, nichts zu tun haben wollen. Als vor ein paar Jahren die Neonazis bei uns aufmarschiert sind, haben wir friedlich gegen sie protestiert. Ich habe damals, nachdem sie wieder abgezogen waren, sogar persönlich den Besen geschwungen, um unsere Straßen symbolisch von den Spuren der rechten Wirrköpfe zu reinigen.
„Marktheidenfeld ist bunt“ nannte sich unser Bündnis – und genau diese offenherzige Einstellung sollte sich jetzt wieder überall breit machen, da wir in unserer Stadt schon bald eine Vielzahl an Flüchtlingen aufnehmen werden. Ich erinnere gerne auch an die Worte von Bob, dem Baumeister, die später von Barack Obama und nun auch Angela Merkel übernommen wurden: „Wir schaffen das!“ Euer Fischers Fritz