Ihr lieben Leut!
Für die Politiker sind wir momentan so wertvoll wie kaum jemals zuvor. Nie durften wir Bürger so viel mitreden wie heute, aber wenn's drauf ankommt, haben wir trotzdem nichts zu sagen. Das nennt man Demokratie. Schon die ollen Griechen, die diese Herrschaft des Volkes erfunden haben, wussten, dass das Volk weder dazu geeignet ist, noch Lust hat, selbst zu regieren. Also wählten sie Volksvertreter, die das in ihrem Namen erledigten. Oft machten die dann eher, was sie wollten als das, was das Volk wünschte. Heißt aber trotzdem Demokratie, heute noch. Nur, wenn sie's übertreiben, wird daraus eine Oligarchie – sowas wie in Russland, aber ich schweife ab...
In unseren Dörfchen und Städtchen sind wir Bürger den Politkern gerade besonders wert und teuer, weil es neue Förderprogramme von Vater Staat gibt. Sie haben so wohlklingende Namen wie ISEK, ILEK, GEK. Was diese Buchstaben bedeuten, könnt Ihr in der Main-Post immer wieder lesen. Ich beschränke mich heute mal auf das K wie Konzept. Will heißen, die Bürger sollen mitreden, wie sich ihre Stadt, ihr Dorf künftig entwickeln, ja sogar, wie die Zusammenarbeit über den Kirchturm hinaus klappen soll.
Folglich müssen uns unsere Lokalpolitiker ständig in Lokalitäten einladen, um sich unsere Meinungen und Vorschläge anzuhören. Weil die Politiker aber auch nicht so recht wissen, über was sie mit uns dauernd reden sollen, engagieren sie Berater, die das für sie übernehmen. So was wie die Vertreter der Volksvertreter.
Die Berater schreiben unsere Vorschläge dann für teures Geld auf bunte Karteikarten, fotografieren die Karteikarten und fassen zusammen, was wir dahergeredet haben. Daraus machen sie schließlich das K wie Konzept. Weil das so kompliziert ist, dass das weder Politker noch Gemeindeverwaltungen können, also das Zuhören und Aufschreiben, bekommen diese Berater einen Haufen Geld. Macht aber nichts: zahlt ja der Staat – nicht wir...
Blöd für die Politiker ist nur, dass sie wenigstens ein paar von unseren Bürgerideen auch umsetzen müssen. Sonst würden wir uns ja veräppelt fühlen und beim nächsten Mal nicht mehr mitmachen. Und dann bekäme unser Städtchen oder Dörfchen keine staatlichen Zuschüsse mehr.
Dabei ist es eh schon schwer, genug Bürger zu finden, die mitreden wollen. Vielleicht ist das der Grund, warum ich fast bei jedem dieser Bürgertreffen dieselben Leute sehe. Die haben auch immer dieselben Ideen. Der eine will Plastiktüten verbieten, der andere mehr kostenlose Parkplätze – und neulich traf ich jemanden, der unbedingt möchte, dass in Hädefeld ein Baumarkt gebaut wird. Er kam gleich mit mehreren Leuten, die auch alle auf diese Idee gekommen waren. Ich wette, ich habe diesen Herrn schon irgendwo gesehen. Aber im Moment ist mein Kopf leer, Mann.
Egal: Ich würde mich freuen, wenn ich auch mal andere Leute kennenlernen würde als immer die üblichen Verdächtigen.
Hättet ihr nicht eine Idee?, fragt
Euer Fischers Fritz