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MARKTHEIDENFELD
Fischergeschichten unter dem Lügenbaum
Auf der Lügenbank: 1955 trafen sich (von links) Schmied Heinrich Naun, Adam (Adel) Ries, Otto Väth, Franz Hörnig, Adam Brod und Oskar Zöller.
| Auf der Lügenbank: 1955 trafen sich (von links) Schmied Heinrich Naun, Adam (Adel) Ries, Otto Väth, Franz Hörnig, Adam Brod und Oskar Zöller.
Martin Harth
Martin Harth
 |  aktualisiert: 27.04.2023 00:12 Uhr

Mit den quicklebendigen Meefischli hatte Bürgermeisterin Helga Schmidt-Neder die Hädefelder bei der Eröffnung der Unterfränkischen Kulturtage verglichen. Da mochte ihr Amtsvorgänger Dr. Leonhard Scherg bei seinem gut besuchten Vortrag über die Fischer und Schiffer in der Volkshochschule keineswegs nachstehen.

Die Marktheidenfelder zeichneten sich durch das Traditionsbewusstsein der ortsgebundenen Fischer und zugleich durch die weltmännische Offenheit der weit gereisten Schiffer aus. Augenzwinkernd fügte der Altbürgermeister hinzu, dass es früher dafür auch einen symbolischen Ort gegeben habe. Es war die Bank am so genannten Lügenbaum am unteren Mainkai, an dem Fischer und Schiffer zusammenkamen und sich gegenseitig ihre Geschichten erzählten.

Scherg gab einen profunden Einblick in die Geschichte Marktheidenfelds, das lange Zeit von Fischern und Schiffern geprägt worden sei. Ihr verbindendes Element sei das Flusswasser gewesen und anfänglich hätte man mit den Schelchen neben der Fischerei sicher auch den Transport von Gütern bewältigt.

Als der Würzburger Bischof nach den Wirren des Dreißigjährigen Kriegs den wirtschaftlichen Wiederaufbau seines Hochstifts betrieb, entstand in Marktheidenfeld 1649 zur Regelung der Angelegenheiten der Fischer die Zunft. Im Gründungsprivileg wurde „Markt Heidenfeld“ erstmals zur besseren Unterscheidung von Kloster Heidenfeld bei Schweinfurt mit dem Begriff „Markt“ bezeichnet. Schon 1683 entstand dann eine gemeinsame Zunft der Fischer und Schiffer.

Fischerverein „Gute Fahrt“

Erst 1948 erfolgte die Gründung des Schiffervereins „Gute Fahrt“. Maßgeblich hierfür waren unterschiedliche Interessen beim Ausbau des Mains. Was für die einen ein besseres Transportgeschäft versprach, wurde für die anderen durch die Bedrohung des Fischreichtums zum Existenzproblem. Dies kann in der Ausstellung über Marktheidenfelds Fischer- und Schiffer im städtischen Kulturzentrum Franck-Haus nachvollzogen werden. Der Vortrag sollte zur inhaltlichen Vertiefung dienen.

Der Historiker beleuchtete den Wandel der Binnenschiffe. Er begann mit den kleinen Schelchen und Holzschiffen oder Flößen, die anfänglich mit Gütern wie Wein, Bauholz und Bruchsteinen den Main Richtung Frankfurt trieben und mainaufwärts von Pferden auf dem Leinritt gezogen werden mussten.

Auch das Franck-Haus, erbaut um die Mitte des 18. Jahrhunderts durch den wohlhabenden Weinhändler Franz Valentin Franck, ging bald in den Besitz vermögender Schifferfamilien über.

Aus dem 19. Jahrhundert gibt es frühe Fotoaufnahmen, auf denen Lastsegler mainaufwärts vor der Stadt zu erkennen sind. Es folgte eine kurze Periode der Dampfschleppschifffahrt auf dem Main, die bald durch den Eisenbahnbau Konkurrenz bekam. Schließlich kam das Kettenschleppschiff „Mainkuh“ in Gebrauch. Der Main wurde durch Buhnen und Bauwerke in ein engeres Bett gepresst. Neue Uferpartien und Länden entstanden auf beiden Seiten. In den dreißiger Jahren wurde der Main durch den Schleusenbau reguliert und ausgebaut. Die garantierte Wassertiefe wuchs in der Fahrrinne von 90 Zentimetern auf 2,50 Meter an. Nun konnten Dieselschleppschiffe Lastkähne mit weit höherer Tonnage ziehen. Immer immer mehr setzte sich auch das moderne Gütermotorschiff durch.

Zwischen 1996 und 1998 erfolgte der erstmals von ökologischen Ausgleichmaßnahmen begleitete Ausbau des Mains zu einer europäischen Binnenwasserstraße. Eine Fahrrinne mit 40 Metern Breite und 2,90 Metern Tiefe erlaubt heute den Begegnungsverkehr von Koppelverbänden mit 4000 Tonnen Ladung.

Nostalgischer Rückblick

Trotz so viel Modernisierung blickte Scherg nostalgisch zurück. Zum Beispiel stellte er den längst vergessenen Beruf des Sandschöpfers am Main vor, mit dem wohl kein Reichtum zu gewinnen war. Ältere Bürger werden sich an die Zeiten erinnern können, in denen, wie alte Fotografien zeigen, die Fischer ihre Netze zum Trocknen am Mainkai aufhängten und -stellten. Auch wenn sich vieles seitdem verändert hat. Fischer und Schiffer gehören auch heute noch unverzichtbar zu Marktheidenfeld.

Die Ausstellung „Fischer und Schiffer in Marktheidenfeld“ ist bis zum 1. November im städtischen Kulturzentrum Franck-Haus (Untertorstraße 6) in Marktheidenfeld von Mittwoch bis Samstag von 14 bis 18 Uhr sowie an Sonn- und Feiertagen von 10 bis 18 Uhr zu sehen. Führungen durch die Ausstellung werden an den Sonntagen 4. und 11. Oktober um 14 Uhr angeboten. Infos im Internet: www.marktheidenfeld.de.

Fischer und Schiffer prägten seit jeher das Bild der Stadt: Lange verband neben der Alten Mainbrücke eine Personenfähre beide Mainufer in Marktheidenfeld.
Foto: ArchivFotos (2): Martin HArth | Fischer und Schiffer prägten seit jeher das Bild der Stadt: Lange verband neben der Alten Mainbrücke eine Personenfähre beide Mainufer in Marktheidenfeld.
Im Thema: Altbürgermeister Leonhard Scherg sprach in der Volkshochschule über die Fischer und Schiffer in Marktheidenfeld.
Foto: MArtin Harth | Im Thema: Altbürgermeister Leonhard Scherg sprach in der Volkshochschule über die Fischer und Schiffer in Marktheidenfeld.
 
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