„Ich bin einfach nur überwältigt“, sagt Richard Winter in der Pressekonferenz am Sonntag zum ersten Lohrer Filmwochenende. Das erste Filmwochenende wohlgemerkt in diesem Jahrtausend, denn es gab schon frühere Auflagen: Zuletzt fand dieses im Jahr 1982 statt. Die Veranstalter waren damals und sind heute Richard Winter und seine Frau Renate.
Sohn Carlo als die treibende Kraft
In diesem Jahr hatten sie die Unterstützung ihres Sohnes Carlo, der selber im Filmgeschäft tätig ist. „Ohne seine Kontakte hätten wir uns gar nicht daran getraut“, erklärt Richard Winter und verweist auf seinen Sohn als die treibende Kraft. In der Runde sitzen neben den aus Deutschland und dem europäischen Ausland angereisten Filmemachern auch Schüler des Lohrer Franz-Ludwig- von-Erthal-Gymnasiums. Im Rahmen des seit einigen Jahren stattfindenden „English Film Clubs“ entstand ein enger Kontakt zum StattKino der Familie Winter.
Das Lehrer-Ehepaar Emrich ist stolz auf den filmbegeisterten Nachwuchs, „ohne die wir logistisch unser Filmwochenende gar nicht hätten ausrichten können“, wie Richard Winter betont. „Matthias Mehling hat uns gefragt, ob wir nicht wieder aktiv werden können,“ erinnert der ehemalige Betreiber des Bavaria Kinos in Lohr an den Start des StattKinos vor zwei Jahren im Kulturkeller des Weinhauses Mehling.
Voll des Lobes für die „Filmstadt Lohr“
Drehbuchautoren, Regisseure, und Produzenten standen nach den Filmen für Diskussionen zu ihren Beiträgen dem Publikum zur Verfügung. Diese schütten in der Pressekonferenz ein Füllhorn des Lobes über die neue Filmstadt Lohr aus. Bürgermeister Mario Paul betont, auch als Nicht-Cineast stolz auf die Anstrengungen in seiner Stadt zu sein und verspricht auch in Zukunft „volle Unterstützung Seitens der Stadt.“
Eine Neuauflage im kommenden Jahr? Richard Winter möchte darüber nachdenken. Seine Frau Renate fällt ihm in das Wort: „Ich würde mich freuen, wenn Lohr eine Filmstadt wird.“
Insgesamt rund 400 Besucher in 16 Filmen
Etwa 400 Besucher begeisterten sich über das Wochenende für 16 Filme, die kaum unterschiedlicher hätten ausgewählt werden können. Dokumentation, Arthouse, bis zum abendfüllenden Kinofilm: für jeden Filmfan war etwas dabei. Die Resonanz über das Publikum bringt der Drehbuchautor Burkard Wunderlich aus Berlin auf den Punkt, der Lohr zum ersten Mal besuchte: „Diese Herzlichkeit und dieses Lächeln – das gibt es in Berlin nicht.“
Die Besucher selber waren von den Beiträgen durchweg begeistert. Sie ließen sich von surrealistischen Beiträgen wie dem des deutsch- vietnamesischen Filmemachers Wong Kar-wei inspirieren. Da dieser selber gerade an einem Projekt in Saigon arbeitet, wurde eine Live- Schaltung auf die große Leinwand hergestellt. Sein Kurzfilm „At the end of the world“, der von Renate Winter als verfilmtes Gedicht vorgestellt wurde, regte die Diskussion an. Als ein junger Mann dem Regisseur erläutert, er tue sich schwer den Inhalt zu verstehen, lacht Kar-wei und sagt: „Da gibt es nichts zu verstehen – das ist Interpretation.“
Lohrer Filmemacherin Henrici zu Gast
Am Sonntag war die Lohrer Filmemacherin Sonja Henrici zu Gast in ihrer alten Heimat. Seit vielen Jahren arbeitet sie als Filmproduzentin in Schottland. Ihr Beitrag „Donkeyote“ brachte die Zuschauer herzhaft zum lachen – und auch zum nachdenken. Der Dokumentarfilm mit Spielfilmcharakter begleitet den 73-jähringen Spanier Manuel, der sich mit seiner Hündin Zafrana und seinem Esel Gorrion seinen großen Traum erfüllen möchte: den Pfad der Tränen in Amerika zu durchqueren. Er begibt sich mit seinem Esel zu einem medizinischen Check, versucht mühsam die Papiere von Behörden zu beschaffen und lernt englisch. Den Überseehafen möchte er zu Fuß erreichen.
Eine bildgewaltige und emotionale Reise mit seinen beiden Begleitern beginnt, die kaum ein größeres Abenteuer hätte sein können. Zwischen seinem Esel Gorrion und ihm entsteht eine tiefe Verbundenheit. Gorrion hat Panik vor Wasser und kann nur mit viel Geduld über Brücken bugsiert werden. Nach Wochen, endlich am Meer angekommen, das Gorrion nur widerwillig betreten möchte, sieht Manuel die riesigen Containerschiffe, die ihn und seinen Begleiter nach Amerika bringen sollen. Er kommt ins zweifeln. „Gorrion, möchtest Du in einem Container wie eine Sardine eingequetscht sein?“, fragt er seinen Esel. Er macht sich auf den Rückweg, die Amerikareise wird spontan abgeblasen. Der Weg ist das Ziel – das wird zur Kernaussage.
Fortsetzung erscheint wahrscheinlich
Sonja Henrici steht auf der Bühne und beantwortet Fragen. Auch die Produzentin schwärmt vom Filmwochenende und vom tollen Publikum: „Das hier ist eine super schöne Wohnzimmeratmosphäre.“ Für Renate Winter ist das Kino ein Ort der Begegnung, an dem neue Freundschaften entstehen. Mit Sohn Carlo Winter als Programmdirektor wird es 2019 sicherlich die erwartete Fortsetzung des Lohrer Filmwochenendes geben. Darüber wird Richard Winter nicht mehr allzu lange nachdenken müssen.