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LOHR
Film gibt Einblick in die rechte Szene
Ein unter dem Pseudonym Thomas Kuban arbeitender Journalist recherchierte seit Mitte der 1990er Jahre bis 2011 in der rechtsextremen Musikszene und besuchte dazu zahlreiche Rechtsrock-Konzerte in Deutschland und im europäischen Ausland. Seit 2003 filmte er dabei heimlich. Auf dieser Basis produzierte Regisseur Peter Ohlendorf den 2012 fertiggestellten, knapp anderthalb Stunden dauernden Dokumentarfilm „Blut muss fließen – Undercover unter Nazis“, der am Donnerstag im Nägelsee-Schulzentrum in Lohr gezeigt wurde.
Foto: DEHM | Ein unter dem Pseudonym Thomas Kuban arbeitender Journalist recherchierte seit Mitte der 1990er Jahre bis 2011 in der rechtsextremen Musikszene und besuchte dazu zahlreiche Rechtsrock-Konzerte in Deutschland und im ...
Wolfgang Dehm
 |  aktualisiert: 03.12.2019 08:42 Uhr

Vor rund 60 Zuschauern, größtenteils handelte es sich um Schüler des Lohrer Gymnasiums, zeigte der politische Filmemacher Peter Ohlendorf am Donnerstagabend im Demosaal des Nägelsee-Schulzentrums seinen Dokumentarfilm „Blut muss fließen – Undercover unter Nazis“. Veranstalter war das Gymnasium in Zusammenarbeit mit dem Kreisjugendring.

Der Hauptteil des knapp anderthalbstündigen Films gibt Einblick in Rechtsrock-Konzerte. Die Mitschnitte machte ein unter dem Pseudonym Thomas Kuban arbeitender Journalist zwischen 2003 und 2011 in Deutschland und dem europäischen Ausland heimlich mit einer Knopflochkamera.

In den Konzerten sind hauptsächlich volksverhetzende, hasserfüllte und zu Gewalt aufrufende Texte zu hören. Kleine Kostprobe: „In Auschwitz weiß ein jedes Kind, dass Juden nur zum Heizen sind. . .“. Dazu wird seitens des Publikums dann auch gerne mal der Hitlergruß gezeigt. Als Rahmenhandlung werden die verdeckten Dreharbeiten und gesellschaftlichen und politischen Hintergründe dokumentiert. Der Film kritisiert unter anderem Sicherheitsbehörden, die selten einschreiten, stellt aber auch Bürgerinitiativen vor, die sich erfolgreich gegen Rechtsrock gewehrt haben.

Kuban tritt dabei als Protagonist auf, der zum eigenen Schutz aber nicht erkennbar gezeigt wird.

Film entstand ohne Förderung

Der Film „Blut muss fließen“ wurde privat vorfinanziert und weder von Filmförderung noch einem Fernsehsender unterstützt. Bisher wurde der Film nicht veröffentlicht, wird aber von Regisseur Peter Ohlendorf auf einer Tournee aufgeführt. 2012 wurde der Film auf der Berlinale gezeigt und erhielt den zweiten Preis des Alternativen Medienpreises.

Mit Blick auf den in der rechtsextremen Szene vorhandenen Ausländerhass erinnerte Filmemacher Peter Ohlendorf (Jahrgang 1952) daran, dass die vor 40 Jahren nach Deutschland geholten Ausländer wesentlich zur heutigen Wirtschaftskraft Deutschlands beigetragen hätten. Laut Ohlendorf greift die Polizei bei Rechtsrock-Konzerten nur selten ein. Verstehen kann er das nicht. Aber verstehen kann er mittlerweile auch die eigene Branche, die Medien, immer weniger. Zwei Jahre lang habe Kuban versucht, seine Undercover-Recherchen in rechtsextremen Läden bei Fernsehsendern anzubringen – vergebens. Einige öffentlich-rechtliche Sender hätten gerade mal einige „Schnipsel“ davon gezeigt.

Laut Ohlendorf sind gerade die Laden-Szenen „ein ganz wichtiger Punkt“ des Films; denn von den Läden, in denen es unter anderem Szeneklamotten und Musik-CDs mit rechtsextremen Inhalten zu kaufen gibt, würden die Kunden in die Konzertszene reingezogen, in der auch die beiden NSU-Terroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt „groß geworden“ seien.

Wie die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender ihre ablehnende Haltung gegenüber dem Film begründeten, interessierte einen Zuschauer. Von einer Redaktion habe er zu hören bekommen, man habe schon was zum Thema Nationalsozialismus gemacht, so Ohlendorf. Bei einem anderen Sender habe man wissen wollen, ob für die im Film zu sehenden Konzerte Gema zu zahlen sei. In letzterem Fall habe er sehr schnell „dicht gemacht“, sagte Ohlendorf, der viele Jahre für öffentlich rechtliche Sender gearbeitet hatte, bevor er sich als Filmemacher selbstständig machte. Besondere Schwierigkeiten habe der Kultur- und Europasender Arte gemacht.

Fernsehsender setzen auf Quote

Ohlendorf machte deutlich, dass er langsam den Glauben daran verliere, dass die öffentlich-rechtlichen Sender wirklich inhaltliche Auseinandersetzung in ihren Programmen wollten; sie seien mittlerweile stark quotenorientiert.

Christian Conradi, der Leiter des Lohrer Gymnasiums, wollte wissen, inwieweit die im Film zu hörenden Texte Werbeträger für den Rechtsextremismus seien. Diese Gefahr sei „durchaus da“, räumte Ohlendorf ein. Aus diesem Grunde sei der Film bislang noch nie unbegleitet gezeigt worden, im Internet sei er nicht zu finden, auf DVD nicht zu kaufen. „Ich hoffe, wir können das halten“, so Ohlendorf.

Szene aus dem Anti-Nazi-Film „Blut muss fließen – Undercover unter Nazis“.DEHM
Foto: Foto: | Szene aus dem Anti-Nazi-Film „Blut muss fließen – Undercover unter Nazis“.DEHM
 
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