Eine neue Richtlinie sorgt bei den Ferkelzüchtern für Wirbel. Ab Januar 2019 ist es verboten, männliche Ferkel ohne Betäubung zu kastrieren. Bisher war dies in den ersten sieben Lebenstagen erlaubt und auch übliche Praxis. „Welche Lösung stattdessen kommen wird, weiß ich nicht“, sagt Ferkelzüchter Martin Stamm. Nicht kastrierte Ferkel gelten als unverkäuflich. Zu groß ist für die Metzger das Risiko, dass das Fleisch einen störenden Ebergeruch aufweist und nicht genießbar ist.
Martin Stamm leitet einen Betrieb von mittlerer Größe im Steinfelder Gemeindeteil Hausen. Sein Stall ist gut gepflegt. Gerne führt er Besucher durch seinen Betrieb, die aus Hygienegründen einen Plastikoverall und auch Überschuhe anziehen müssen, damit keine Krankheiten eingeschleppt werden. In einem Teil seines Stalls liegen Muttersauen, die gerade geworfen haben. Bis zu 18 kleine Ferkel kann es pro Wurf geben, die sich an die Zitzen der Muttersau drängen.
Verkauf an heimische Metzgereien
Stamm hat zirka 220 Muttersauen, die im Jahr zusammen rund 6200 Ferkel werfen. Zwei Drittel davon züchtet er bis zu einem Gewicht von 30 Kilo, ein Drittel mästet er selbst und verkauft sie an heimische Metzgereien. Da ist für ihn ein Glück, dass er das Vertrauen der heimischen Metzger hat. „So bin ich nicht an Schlachtkonzerne gebunden“, sagt er.
Die Metzgereien wie Pfaffenberger in Partenstein, Siegler in Wombach und Müller in Stetten nehmen gerne das Fleisch von Martin Stamm und werben auch damit, denn Stamm führt seinen Betrieb zwar konventionell, aber bemüht sich um mehr Tierwohl. Seine Ferkel und Mastschweine haben rund 40 Prozent mehr Platz als gesetzlich vorgeschrieben. Der Stall ist gut durchlüftet und die Mastschweine können nach draußen, wenn sie wollen. Spielzeug hängt von der Decke – das sind Ketten, die hin und her pendeln, wenn die Schweine diese anstupsen.
Kastration nach der Geburt
Auch im Betrieb Stamm ist es üblich, die männlichen Ferkel in den ersten Tagen nach der Geburt zu kastrieren. „Ich gebe ihnen dabei eine schmerzlindernde Spritze“, sagt Stamm. Das Tierschutzgesetz verlangt aber eine Betäubung. Ein schmerzhafter Eingriff bei einem Wirbeltier dürfe nicht ohne Betäubung durchgeführt werden, heißt es. Es lässt allerdings die Ausnahme zu, dass Ferkel bis zu ihrem siebten Lebenstag ohne Betäubung kastriert werden dürfen. Dies soll aber nur noch bis Ende dieses Jahres gelten.
Und was für eine Regelung kommt dann? Dies fragt sich nicht nur Martin Stamm, sondern der gesamte Berufsstand. Der Tierschutzbund fordert, vollständig auf die Kastration zu verzichten.
Die Alternative wäre die Ebermast, also die Haltung unkastrierter Eber. Denn nach Schätzungen ist nur das Fleisch von jedem 20. Eber mit dem störenden Ebergeruch belastet. Der Tierschutzbund schlägt daher die Entwicklung von zuverlässigen Detektoren vor, die geruchsbelastetes Fleisch eindeutig erkennen. Dann stünde der Ebermast nichts mehr im Wege.
Verbiss im Stall
Der Bauernverband verweist aber auf Probleme, die dann im Stall entstehen. Unkastrierte Eber sind aggressiver, wenn sie ihren Sexualtrieb entwickeln, da komme es zu Verbiss. Um Verbiss zu vermeiden, werden auch die Schwänze der Ferkel kupiert, so auch im Betrieb von Martin Stamm. „Das vordere Drittel ist praktisch gefühlslos“, erklärt Martin Stamm. Daher merken die Ferkel gar nicht, wenn die Artgenossen daran herumknabbern. „Fließt dann erst mal Blut, ist im Stall die Hölle los“, sagt er.
Die für die Ferkelzüchter unklare Situation beklagt auch Reinhold Wolz, Bauernobmann im Landkreis Main-Spessart. Grundsätzlich hält er es für richtig, dass die Ferkel nur unter Betäubung kastriert werden dürfen.
Aber ein solcher Eingriff verlangt nach derzeitiger Gesetzeslage den Einsatz eines Tierarztes und das sei aus zwei Gründen nicht praktikabel. Zum einen gebe es nicht so viele Tierärzte, zum anderen treibt dies die Kosten in die Höhe. Die Position des Bauernverbandes ist es daher, dass es den Landwirten selbst erlaubt sein müsse, die Ferkel mit der Spritze zu betäuben.
Schweinepreis im Keller
Eine andere Lösung sieht Wolz nicht, denn die Schweinehalter hätten es schon jetzt sehr schwer. Der Schweinepreis sei im Keller. Dies liege vor allem an einem Überangebot auf dem Weltmarkt – unter anderem weil Russland einen Importstopp erlassen hat als Antwort auf die gegen das eigene Land gerichteten Sanktionen.
Aber auch in Deutschland gebe es ein verändertes Verbraucherverhalten zu weniger Fleisch. „Mehr Vegetarier und Veganer.“ Dies will Wolz nicht verurteilen, weil jeder dies für sich selbst entscheiden soll. Doch für die Schweinehalter macht das die Sache nicht einfacher. Zudem gebe es einen gesellschaftlichen Trend zu mehr Tierschutz und tiergerechter Haltung. Auch das sei zu begrüßen, wenn dies mit der Bereitschaft einhergeht, mehr für das Fleisch zu bezahlen.
Schweinehalter: Kleine Betriebe geben auf
Die Zahl der Schweine haltenden Betriebe ist im Freistaat Bayern spürbar zurückgegangen. Nach einer vom Landesamt für Statistik durchgeführten Erhebung über die Schweinebestände gab es zum Stichtag, 3. November 2017, rund 5100 Schweine haltende Betriebe, die über mindestens 50 Schweine oder 10 Zuchtsauen verfügten. Dies ist im Vergleich zum Vorjahr ein Rückgang um 5,7 Prozent.
Zugleich ist der Schweinebestand gegenüber dem Vorjahr nur um 1,4 Prozent auf 3 303 400 Tiere gesunken. Das bedeutet, der Trend zu größeren Betrieben setzt sich fort. Viele kleine Betriebe haben aufgegeben.
Im Landkreis Main-Spessart gibt es nach aktuellen Zahlen des Landratsamtes fünf Betriebe, die 1000 bis 2000 Schweine halten. Sieben Betriebe haben 500 bis 1000 Schweine.
Viele kleinere Betriebe sind zudem noch gemeldet – alleine 168 Betriebe, die unter vier Schweine halten. (gi)