Darf er das? Darf Günther Felbinger auf seiner Homepage aus dem Petitionsausschuss berichten, dass Severin Kiesl eine Bootshütte am Chiemsee erworben und erneuert hat, sie aber nicht abreißen muss, obwohl das Landratsamt Traunstein in einem ähnlich gelagerten Fall anders entschieden hat?
Darf der Landtagsabgeordnete (Freie Wähler) aus Gemünden sagen, dass Severin Kiesl der Sohn des früheren Münchner Oberbürgermeisters und CSU-Politikers Erich Kiesl ist? Und darf er seine ehemalige Fraktionskollegin Claudia Jung zitieren, die im Ausschuss meinte: „Da wird ordentlich gewulfft“?
Felbinger darf das. Dies meint zumindest das Landgericht Hamburg, vor dem Severin Kiesl auf Unterlassung geklagt hatte. „Die Klage ist unzulässig, sie ist aber auch in der Sache nicht begründet“, heißt es im Urteil der Zivilkammer. Bemerkenswert dabei: Das Gericht erklärt sich für die Entscheidung des Rechtsstreits für „örtlich gar nicht zuständig“, bedeutet Kiesl darüber hinaus dennoch, dass ihm „auch unter keinem denkbaren Gesichtspunkt ein Unterlassungsanspruch“ zustehe.
Felbinger hatte den Blog-Eintrag auf seiner Homepage vom 6. Februar 2012 überschrieben mit: „Auch in Bayern wird ,gewulfft'“. Im Petitionsausschuss saß er als Gast, weil sich dieser unter anderem mit einer öffentlichen Toilettenanlage in Gemünden befasste. Felbinger setzte sich dafür ein, dass diese barrierefrei gebaut wird (was letztlich trotz Nachbesserung nicht in vollen Umfang zu verwirklichen war). Dass er so die Kiesl-Geschichte mitbekam, war also gewissermaßen Zufall.
Die Petition eingereicht hatte ein Gemeinderat aus Rimsting. Diesem war aufgestoßen, dass seine Gemeinde auf Geheiß des Landratsamts eine Bootshütte am See habe abreißen müssen, Kiesl hingegen nicht.
Kiesl mahnte Felbinger zunächst ab, geht aus den Gerichtsunterlagen hervor. Doch Felbinger lehnte dies ab. Also strengte Kiesl die Zivilklage an. Dass er sich für das Landgericht Hamburg entschied, begründete er damit, dass dieses „in anderer Sache mit dem Kläger in ähnlichen Rechtsfragen befasst“ sei. Da er bundesweit als Insolvenzverwalter tätig sei, so Kiesl, sei er „mehrfach aus Hamburg auf den umstrittenen Beitrag angesprochen worden“.
Felbingers Rechtsanwalt in dieser Sache vermutet einen anderen Grund: In Hamburg habe sich Kiesl wohl größere Erfolgsaussichten ausgerechnet, so Bernhard Pohl, zugleich stellvertretender Vorsitzender der Freie-Wähler-Fraktion im Landtag.
Dass sein Name veröffentlich wurde und auch, dass der Bezug zu seinem Vater hergestellt wurde, empfand Severin Kiesl laut Gerichtsprotokoll als diskriminierend. Er fühle sich zum Objekt politischer Machtspiele herabgewürdigt, habe nie politische Beziehungen gehabt oder genutzt, begründete er seine Klage.
Was die Zuständigkeit angeht, stellte das Landgericht Hamburg fest: Die Geschichte sei „regional in Bayern verankert“. Also gehöre sie auch dort verhandelt, muss man sich dazudenken. Inhaltlich stellt sich das Gericht hinter Felbinger: Das Thema sei „von erheblichem öffentlichen Interesse“, eine Berichterstattung „ohne Nennung des Namens des Klägers und seiner Verbindung zur Bootshütte nicht vorstellbar“. Die Bezeichnung „wulffen“ betrachtet das Gericht als Meinungsäußerung.
Einzig den Satz Felbingers, „Kiesl junior darf sich nun für seine Bootshütte bei der Partei seines Vaters bedanken“ biete einen Anknüpfungspunkt. Nur darin werde der Bezug zwischen dem Kläger und der CSU hergestellt. Dadurch werde jedoch „keineswegs der (zwingende) Verdacht vermittelt, der Kläger habe sich an die CSU gewandt, damit er seine Bootshütte nicht abreißen muss“.
München urteilte ähnlich
Auch das Oberlandesgericht München hatte bei einer Klage in gleicher Sache 2012 schon entschieden, dass die Namensnennung des Vaters „zu einer kritischen Berichterstattung“ gehört, wenn es um die Frage geht, „ob dem Kläger als Sohn eines ehemaligen hochrangigen CSU-Politikers Privilegien gewährt wurden“.
Kiesl kann nun freilich Berufung gegen dieses Urteil einlegen, über die dann das Oberlandesgericht Hamburg zu entscheiden hätte. Oder aber er wendet sich an ein Gericht, das sich für zuständig hält. Aus Sicht der Hamburger Richterin müsste dies dann ein bayerisches sein.
Kiesls Anwalt in dieser Sache, Gerold Skrabal aus München, reagierte auf mehrfache Anfragen der Redaktion seit Montag nicht.