„Faust ist langweilig, geistiger Dünnschiss, dreht sich um rattige Männer in der Midlife-Crisis und dann ist noch der Teufel drin!“ So sieht heutzutage mancher Schüler Goethes Meisterwerk. Dass es sich aber genial in die heutige Zeit projizieren lässt, bewies die Theatergruppe der Realschule Karlstadt unter der Regie von Kristina Ackermann mit „Faust – Doppelt oder nichts“ im Theater in der Gerbergasse bravourös.
Wie soll ein Lehrer dieses Meisterwerk einer chaotischen Klasse näher bringen, die keinerlei Achtung vor Klassikern hat? Da sind Mandy, Sandy, und Sarah, die „Glitzerfraktion“, die mit Fashion-Schnickschnack YouTube-Stars werden wollen. Und dann ist noch Joe, der Nullchecker, der von der Oma pausenlos mit Fruchtzwergen versorgt wird.
Glatt verzweifeln könnte man da als Lehrer, gäbe es nicht einige Lichtblicke, zum Beispiel Helena, die Oberstreberin, die es ihrer ehrgeizigen Mutter recht machen will, aber von allen übel gedisst wird und nur von Esmeralda, der Haushälterin, Zuneigung erfährt. Und da ist Benni, der „Fußabtreter“ der Klasse, der von Sarah, einem Ausbund an Minusintelligenz, ständig gedemütigt wird. Und gerade Joe, Helena und Benni, die Klassenaußenseiter, werden von Gott für eine Wette mit seiner Widersacherin, der teuflischen Femisto bzw. ihrem Alter Ego Mephisto auserwählt: „Drei Seelen musst du verführen, keine weniger!“
Femisto verspricht sich, mit Unterstützung der gerissenen Hexe, die für jeden Zweck den passenden Drogencocktail parat hat, leichtes Spiel bei den Losern. Sie unterbreitet ihnen ihren diabolischen Deal. „Was ich für euch habe, ist wie Weihnachten – nur eben von der Konkurrenzfirma: Reichtum, ewige Schönheit, und die Erfüllung all eurer Wünsche, völlig unverbindlich zum Ausprobieren bis zum Abschlussball um Mitternacht!“ Die Drei schlagen ein und schlagartig ändert sich ihr Leben.
Das ehemalige Mauerblümchen Helena lässt fortan die Puppen tanzen, wildfremde Menschen machen sich auf ihr Kommando zum Affen. Joe, der vorher höchstens „Big Mac“ unfallfrei aussprechen konnte, spricht jetzt perfekt Englisch, und der einst geschundene Benni kann mit übernatürlichen Kräften nicht nur Fußballstars transferieren. Seine Rache an Sarah jedoch bekommt immer mehr an Eigendynamik und führt zu einem tragischen Ende. Noch tragischer endet es für seine Schwester Emily.
Der Einzige, der in diesem teuflischen Spiel halbwegs klar sieht, ist Joe. Immer wieder konfrontiert er Helena und Benni mit den Folgen ihres herzlosen Handelns. Femisto muss mit einer Intrige verhindern, dass sie seinetwegen die Wette verliert. Der Abschlussball naht – und mit ihm die Nacht der Entscheidung. Werden sie den Pakt mit dem Teufel besiegeln für den Preis ihrer Seele? Wollen sie Hammer oder Amboss sein?
Nicht nur für Schüler höchst unterhaltsam ist diese mitreißende Faustversion vom Autorenkollektiv „Mephis Crew“. Sie ist gespickt mit originellen Einfällen. Schon die Videoeinspielung zur Vorstellung der Protagonisten ist ein echter Knaller. Die jungen Schauspieler präsentieren sich allesamt überzeugend und textsicher. Und für ihre Spielfreude bekommen sie immer wieder Szenenapplaus. Sie haben den ultimativen Beweis dafür geliefert, dass Klassiker echt klasse sein können!
Die letzte Vorstellung von „Faust – Doppelt oder nichts“ ist an diesem Freitag, 6. Juli, ab 19.30 Uhr im Theater in der Gerbergasse zu sehen. Der Eintritt ist frei. Spenden werden angenommen.
