zurück
Wernfeld
Falsch befüllte Biotonnen könnten künftig stehen bleiben
Eigentlich sind die braunen Biotonnen für kompostierbare Garten- und Küchenabfälle gedacht. Tatsächlich landen darin viel zu viele Abfälle, die eigentlich Restmüll sind.
Bei den Siebrückständen fallen vor allem Kunststofffolien ins Auge. Dies Störstoffe haben zur Folgen dass das Holz nicht in weiteren Durchläufen kompostiert werden kann.
Foto: Jürgen Kamm | Bei den Siebrückständen fallen vor allem Kunststofffolien ins Auge. Dies Störstoffe haben zur Folgen dass das Holz nicht in weiteren Durchläufen kompostiert werden kann.
Jürgen Kamm
 |  aktualisiert: 03.12.2019 11:23 Uhr

Eigentlich sind die braunen Biotonnen für kompostierbare Garten- und Küchenabfälle gedacht. Tatsächlich landen darin viel zu viele Abfälle, die eigentlich Restmüll sind. Anfang Januar wies das Humuswerk Main-Spessart sogar zunächst eine Anlieferung zurück, weil sie über fünf Prozent an "Störstoffen" enthielt, wie eine spätere Analyse ergab. Das Problem: Aus derart verunreinigtem Biomaterial lässt sich kein Kompost erzeugen, der die Düngemittelverordnung erfüllt. Die technische Grenze dafür liegt unter drei Prozent, die Bundesarbeitsgemeinschaft Kompost empfiehlt ein Prozent.

Verantwortlich für die Qualität ist letztlich der Landkreis Main-Spessart, weil er die Sammlung von Abfällen zu organisieren hat. Die Kreispolitik will nun gegensteuern, der Umweltausschuss empfiehlt dem Kreistag einstimmig, die Verwaltung mit der Erstellung eines Konzepts sowie der Einführung von Kontrollen zu beauftragen. Das könnte soweit gehen, dass falsch befüllte Biotonnen nicht geleert und im Wiederholungsfall weggenommen werden.

Vom Bocksbeutel bis zu Windeln

Montagmorgen in der Anlieferungshalle des Humuswerks Main-Spessart bei Wernfeld: Geschäftsführer Thomas von der Saal zeigt den Haufen mit Biomüll. Auf den ersten Blick sticht eine rote Ketchupflasche heraus, daneben ein Bocksbeutel, etwas weiter unten ein Stück Stoff. Bei genauerem Hinsehen finden sich auch gebrauchte Windeln, PET-Flaschen und unzählige Folien. Neben dem Tor liegen Haufen mit in der letzten Zeit aussortierten Störstoffen. Darunter viele Beutel mit Müll, einige Polster, Styropor und sogar ein alter Saugkopf einer Wasserpumpe. Da könne man nicht mehr von Fehlwürfen sprechen, so Thomas von der Saal. Die gäbe es auch noch, das seien "reingerutschte" Küchenmesser oder Gartenscheren.

Mit dieser Maschine wird der Kompost nach dem Rotteprozess gesiebt. Die beiden Siebtrommeln holen etwa 95 Prozent der Störstoffe heraus. 
Foto: Jürgen Kamm | Mit dieser Maschine wird der Kompost nach dem Rotteprozess gesiebt. Die beiden Siebtrommeln holen etwa 95 Prozent der Störstoffe heraus. 

Händisch lässt sich freilich nur das Gröbste Aussortieren, ehe der Bioabfall für zehn Tage in die geschlossenen Rotteboxen zwecks Hygienisierung kommt und danach für drei bis vier Wochen unter einem Dach für die Nachrotte zu Mieten aufgesetzt wird. Diese maximal sechs Wochen sind übrigens auch zu kurz für die vielfach angebotenen und auch genutzten Bioabfallsäcke aus verrottbaren Kunststoff. Diese brauchen mindestens doppelt so lange um sich aufzulösen.

Am Ende wird der fertige Kompost in einer Maschine mit zwei großen Siebtrommeln gesiebt. Das herausgeholte Gemisch aus allerlei Holz (Äste und Zweige) und vor allem Folien muss über die Müllverbrennung entsorgt werden. Eigentlich wäre das Holz als Strukturmaterial in weiteren Durchläufen gut, doch dann würden die Folienschnipsel immer kleiner und letztlich erst im Kompost und dann auf dem Acker oder im Garten landen.

Düngemittelverordnung verschärft

Seit die Düngemittelverordnung im Jahr 2018 verschärft wurde, dürfen im fertigen Kompost nur insgesamt 0,4 Prozent Fremdstoffe und 0,1 Prozent Folienkunststoffe, bezogen auf das Gewicht, enthalten sein. Um das zu erreichen, hast sich die Länderarbeitsgemeinschaft Abfall schon im Januar 2017 dafür ausgesprochen, das Bioabfälle aus getrennten Sammlungen unter einem Prozent Fremdstoffe (Jahresdurchschnitt) enthalten sollen. Die Störstoffe zu entfernen, ist aufwändig und teuer, technisch gelingt das maximal zu 95 Prozent. Bei drei Prozent Störstoffen im Ausgangsmaterial würde das im fertigen Kompost noch zu 0,5 Prozent führen – mehr als die aktuelle Düngemittelverordnung erlaubt. Haben will einen solchen Kompost eher niemand, hieß es.

Ganz neu ist das inzwischen bundesweit bekannte Problem nicht: Das Humuswerk schlug schon im Februar 2018 mit einem Brief an das Landratsamt Alarm. Im Landkreis Kitzingen wird schon seit 2016 stichprobenartig kontrolliert und es gibt Sanktionen. Da schauen dann morgens Zweier-Teams an Abfuhrtagen in die Biotonnen und kleben gelbe oder rote Aufkleber auf, wenn sie falsche Stoffe finden. Im letzteren Fall wird die Tonne nicht geleert und der Hausbesitzer muss nachsortieren, im Wiederholungsfall gibt es eine kostenpflichtige zusätzliche Restmülltonne.

Als Alternative zu den händischen Kontrollen gibt es automatische Detektoren – sie kosten 100 000 Euro je Müllauto. Davon hielten die Kreisräte des Umweltausschusses Main-Spessart allerdings nichts. Letztlich waren alle für mehr Aufklärung und Öffentlichkeitsarbeit, ohne sich Illusionen zu machen, dass das ausreichen werde. Derzeit erlauben die Satzungen allerdings nicht, die Bürger zu disziplinieren, also etwa falsch gefüllte Biotonnen nicht auszuleeren. Rein politisch sei es aufgrund der Diskussion um den Klimawandel und mehr Umweltbewusstsein eine gute Zeit, so etwas einzuführen, hieß es.

Infozettel für jeden Haushalt

Er gab auch schon konkrete Vorschläge. So sprach Werner Herrbach davon, jedem Haushalt per Brief Infozettel oder Flyer zu schicken, was in die Biotonne darf. Er regte aber auch an, gerade im ländlichen Bereich Sammelplätze oder Container für Grünabfälle zu etablieren. Walter Heußlein schlug vor, analog zu den "gelben Säcken" mit Hinweisen bedruckte Biomüllbeutel aus Papier zu verteilen.

Der Verschlag von Wolfgang Küber, über den einstimmigen Beschluss für ein System mit mehr Sortenreinheit und Kontrollen hinaus auch "auf jeden Fall an die Schulen zu gehen", dürfte effektiv sein. Würde so doch eine "Armee aus kleinen Mülldetektiven" entstehen, hieß es.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Wernfeld
Karlstadt
Jürgen Kamm
Abfall
Bioabfall
Biomaterialien
Folien
Kreistage
Kunststoffe und Kunststoffprodukte
Papier
Polystyrol
Wolfgang Küber
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • W. P.
    Hier hilft nur hartes Durchgreifen, sprich die Tonne stehen zu lassen oder ein Bußgeld zu verhängen. Die Aufklärungsarbeit wird vermutlich auf taube Ohren stoßen.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten