Im Rahmen des internationalen Fachkräfteaustauschs mit Japan im Sport hat eine Delegation aus dem Land der aufgehenden Sonne Station in Lohr gemacht. Bei einem Gespräch mit dem TSV Lohr ging es vor allem um den Kinder- und Jugendsport. Denn Japan möchte sein Sportsystem umbauen.
Lohr stand auf dem Programm der Delegation, weil Carmen Burk, Co-Vorsitzende und Geschäftsführerin des TSV Lohr, im Rahmen des Fachkräfteaustauschs bereits mehrfach in Japan war und dort Kontakte geknüpft hat. Der Austausch wird seit über einem halben Jahrhundert von der Deutschen Sportjugend organisiert.
Das Sportsystem in Japan unterscheidet sich deutlich vom deutschen. Beliebteste Sportart ist Baseball und die meisten Vereine bieten nur eine Sportart an. Versuche der Regierung, mit staatlicher Förderung Mehrspartenvereine zu etablieren, sind gescheitert. Der Hauptunterschied ist aber die Anbindung des Sports an die Schulen.
Lehrkräfte belastet
Grundschüler gingen noch in die Vereine, hieß es aus den Reihen der Delegation. Nach der 6. Klasse, wenn die Grundschule endet, verlören die Vereine aber die meisten Kinder und Jugendlichen, weil der Sport dann an die weiterführenden Schulen und später an die Universitäten gekoppelt sei. Das führe zu einer starken Belastung der Lehrkräfte, die nachmittags noch Sportgruppen führen müssten.
Um die Lehrkräfte zu entlasten, wolle die Regierung verstärkt Jugendliche von den Schulen in die Sportvereine bringen. Japan gehe damit den umgekehrten Weg wie Deutschland, wo Ganztagsschulen und Mittagsbetreuung immer mehr ausgebaut würden.
Der zweite Grund für das Interesse der Sportfachkräfte an jungen Leuten ist der demografische Wandel. Mit ihm habe Japan stark zu kämpfen, "die Jugend wird immer weniger", berichtete ein Delegationsmitglied. Um Kinder und Jugendliche für die Sportvereine zu gewinnen, sollen zunächst verstärkt Übungsleiter ausgebildet werden.
In diese Richtung gingen dann auch viele Fragen der Delegation. Sie bestand aus zwei Frauen und sechs Männern aus dem ganzen Land, die verschiedene Sportarten repräsentierten. Auf Seiten des TSV Lohr waren neben Burk Abteilungsleiter, Übungsleiter und Trainer aus verschiedenen Abteilungen anwesend.
Sehr interessiert zeigten sich die Gäste aus Ostasien an der von Burk vorgestellten Kindersportschule, die der TSV Lohr vor einem Jahr gestartet hat. Sie erfuhren von ihr, dass das Angebot nichts mit den öffentlichen Schulen zu tun hat und es nur um Sport geht. Nötig für die Kindersportschule sei ein Zertifikat vom Bayerischen Turnverband.
Delle überwunden
Für Staunen sorgte die Überwindung der "Corona-Delle" bei den Mitgliederzahlen. Wie es der Verein geschafft habe, von unter 2000 wieder auf aktuell knapp 2500 Mitglieder zu kommen, wollten die Japaner wissen. "Unsere Abteilungen arbeiten sehr gut", machte Burk klar. Es liege auch sehr stark an den Trainern.
Carmen Burk betreute nach eigenen Angaben 2016 eine Gruppe junger Erwachsener in Lohr. Mit dem Austauschprogramm der Deutschen Sportjugend war sie 2017, 2023 und in diesem Jahr in Japan. Bei einem ersten Vorbereitungsseminar habe man ihr vom "Japan-Virus" erzählt, worunter sie sich nichts habe vorstellen können. Bei ihrem ersten Besuch in Japan "war er da, der Virus". Die Besuche seien "für uns alle ein unvergessliches Erlebnis" gewesen, berichtete sie. Die Deutschen seien als Fremde gekommen und als Freunde gegangen. Sport sei eine universelle Sprache, die Menschen unabhängig von Herkunft, Tradition und Kultur zusammenbringe.
Besonders fasziniert hat Burk, wie sich die jungen Deutschen durch den Besuch in Japan weiterentwickelten. Sie seien selbstständiger geworden und hätten viel für sich mitnehmen können. Sie habe "noch nie so viele leuchtende Augen auf einmal gesehen" wie beim Besuch in diesem Sommer als Teil des Leitungsteams für 100 Jugendliche.
Weitere Programmpunkte am Mittwoch waren ein Besuch im Lohrer Rathaus mit Empfang beim Bürgermeister und ein Gang durch die Altstadt mit Besichtigung des Schlosses, speziell des Schneewittchenzimmers. Am Nachmittag ging es weiter nach Frankfurt.