Dass er nicht das allernormalste Leben lebt, das ist Extremkletterer Thomas Huber bewusst. Andererseits sei es in der heutigen Zeit aber „gar keine so schlechte Eigenschaft“, ein bisschen verrückt zu sein, sagte er am Freitagabend in der Stadthalle. Dort nahm er, auf Einladung der Lohrer Weltenbummlerfamilie Zagel, knapp 300 Leute mit in die Welt der senkrechten Wände und schroffen Gipfel.
„Sehnsucht Torre“ war der Multivisionsvortrag des 51-Jährigen überschrieben, und so ging die „wilde, rockige Reise“ (O-Ton Huber, der auch Sänger und Songschreiber der Stoner-Rock-Band Plastic Surgery Disaster ist) schwerpunktmäßig denn auch ans andere Ende der Welt, ins südamerikanische Patagonien, das Land des Cerro Torre (Turm-Berg).
Dieser rund 3130 Meter hohe Berg mit steil aufragenden, glatten Granitwänden, die im oberen Bereich größtenteils mit Raureifeis bedeckt sind, gilt unter Bergsteigern als einer der schwierigsten und zugleich schönsten Gipfel der Welt.
Der von den patagonischen Winden gezeichnete Cerro Torre, der „wie eine Rakete aus Stein und Eis“ in den Himmel rage, sei ein Berg, der einen Teil seiner Lebensgeschichte mit Erfolgen, Niederlagen, Verlusten und Trauer erzähle, sagte Huber.
Als er 2005 das erste Mal in den patagonischen Bergen unterwegs gewesen sei, seien der Cerra Torre und die Überschreitung aller Gipfel des Torre-Massivs zum realen Bild seiner Sehnsucht geworden. Zusammen mit dem Schweizer Andi Schnarf sei er 30 Stunden nonstop über den Cerro Standhart zum Torre Egger geklettert. Darauf seien Jahre mit anderen Herausforderungen gefolgt, beispielsweise der Besteigung des Mount Asgard in Baffin Island in der Arktis. Doch trotz dieses Erfolgs habe der Cerro Torre weiter in ihm gelebt, er habe ihn einfach nicht mehr losgelassen.
Extremklettern ist kein Sonntagsspaziergang. Das wurde in Hubers Vortrag, garniert mit zahlreichen Bildern und Filmausschnitten, mehr als deutlich; etliche seiner Kletterkollegen haben ihre Leidenschaft mit dem Leben bezahlt. An der Nordwand des Siebentausenders Latok I in Pakistan war Huber zweimal, ohne in den Berg einzusteigen, weil das Wetter extrem stürmisch war.
Er kennt die Frage vieler Menschen: „Warum macht man das?“ Klettern bedeute „absolutes Glück“, sagte er, „deswegen sind wir in den Bergen unterwegs.“ Es gehe um die Lust am Abenteuer und den Mut und die Freiheit, diese Lust auszuleben.
Huber schwärmt von den Sonnenuntergängen in den Bergen Patagoniens und den unbeschreiblichen Gefühlen beim Erreichen eines Gipfels. Der schönste Moment seines Lebens aber sei gewesen, als ihm der Arzt vor sechs Jahren nach der Entfernung eines gutartigen Nierentumors gesagt habe: „Thomas, du bist gesund.“
Der Cerro Torre habe ihn gefordert, aber der Berg habe ihm auch gezeigt, dass man mutig sein solle, sagt Huber nach fast drei Stunden und zeigt einen Filmausschnitt vom Auftritt seiner Band und dem Song „Desire“ – auf Deutsch: „Sehnsucht“.
„Seid's wirklich mutig“, ruft er schließlich seinem begeistert applaudierenden Publikum zu. Die Gesellschaft sei derzeit „unheimlich feige“, zu wenige machten das, was ihnen ihr Herz sage. „Das Leben“, sagt Huber, „ist viel zu wertvoll, um Kompromisse zu machen.“
Zur Person
Thomas Huber ist ein deutscher Bergsteiger und Bergführer. Er und sein jüngerer Bruder Alexander machten sich als „die Huberbuam“ einen Namen als Extremkletterer. Thomas Huber klettert seit seinem zehnten Lebensjahr. Er lebt mit seiner Frau und seinen drei Kindern in Berchtesgaden.
Im Juli 2016 stürzte er bei Filmaufnahmen an einer Felswand am Brendlberg bei Berchtesgaden 16 Meter im freien Fall ungesichert ab und erlitt eine Schädelfraktur; im August 2016 ging er bereits wieder auf Expedition. Von ihm stammt der Spruch: „Ich bin eine brutale Maschine. Wenn ich losgehe, gehe ich.“ wde