
Ralf Biermann ist kein Warmduscher. Der Frammersbacher hüpft auch im Winter gerne mal mit Kleidung für ein kleines Bad in einen Tümpel am Radweg nach Partenstein, taucht ein paar Mal unter und läuft dann in nasser Kleidung heim. Warm geduscht hat der 49-Jährige schon lange nicht mehr. Warum? Er fühle sich dabei lebendig, härtet sich dadurch ab und bereitet sich für Extremhindernisläufe vor, bei denen man kilometerlang durch eiskaltes Wasser und Schlamm, über Hindernisse und unter Stacheldraht durch muss. Dafür trainiert er auch bei Minusgraden mitunter mit freiem Oberkörper.
Früher war Biermann – gelernter Schlosser und bei Bosch Rexroth in der Produktion tätig – Kegler in der Bundesliga. Erst mit 45 Jahren kam er über seinen Bruder zum Laufen. Nach einem ersten anstrengenden, elf Kilometer langen Berglauf hatte er Blut geleckt. Weil er schon immer gern ins Fitnessstudio geht, dachte er sich: Laufen kannst du, Kraft hast du, probier doch mal einen Hindernislauf aus. Wenn er früher auf dem Sofa saß und sich bei Kälte und Regen dachte, „da gehe ich lieber nicht vor die Tür“, gebe es für ihn jetzt kein schlechtes Wetter mehr. „Diese Komfortzone habe ich verlassen“, sagt er. Er habe es geschafft, den inneren Schweinehund, die Barriere im Kopf, zu überwinden. Dass er schon lange keine Erkältung mehr gehabt hat, führt er auf diese Abhärtung zurück.
Das Umwerfen eines 140-Kilo-Radladerreifen ist eine „super Ganzkörperübung“
Die Freizeitanlage in Partenstein, oberhalb vom Tennisclub, nutzt er für sein Workout. Dort schwingt er im Freien einen 20-Kilo-Hammer und lässt ihn auf einen Reifen sausen, wirft auf der Tartan-Bahn einen 140–Kilo-Radladerreifen immer wieder um, was wie eine Sisyphusarbeit wirkt – „eine super Ganzkörperübung, das trainiert die Beine, den Rücken, die Arme“ –, macht zig Liegestütze und Klimmzüge. Ein typisches Workout sind für ihn 50-mal Reifenumwerfen, 50 Hammerschläge und 50 Liegestützen, dann alles 40-mal, dann 30-mal, dann 20-mal und am Ende noch 10-mal. „Danach ist man fertig.“ Biermann trainiert etwa fünfmal die Woche – Laufen, Workout, Fitnessstudio.
Was er auch immer wieder macht: Mit einer 25-Kilo-Kette, die er sich um den Hals legt, läuft er gern fünfmal neben dem Frammersbacher Skilift hoch und wieder runter. Und mit einem umgeschnallten 22-Kilo-Reifen auf Alufelge, den er hinter sich herzieht, macht er 15- bis 20-Kilometer-Läufe, bei denen er Steigungen, einbaut.
Extremer Sportler, ausgeglichener Typ
Verrückt? Vielleicht. Extrem? Auf jeden Fall. Wobei Biermann nicht wie ein extremer Typ wirkt. Der durchtrainierte 49-Jährige macht eher einen ruhigen, ausgeglichenen Eindruck. „Meine Persönlichkeit hat sich die letzten drei Jahre komplett geändert“, so Biermann. An seine Grenzen zu gehen, Hindernisse zu überwinden stärke das Selbstbewusstsein. So helfen ihm drei Meter hohe Wände oder eiskalte Wasserbecken, bei denen man zwischen Stämmen durchtauchen muss, auch dabei, Hindernisse im wirklichen Leben zu überwinden, sagt er.
Beim Training in Partenstein hat der 49-Jährige immer wieder auch seine beiden Söhne, 9 und 11 Jahre alt, dabei. Denen mache die Bewegung im Freien Spaß, zudem tue sie ihnen gut. Mittlerweile ist Biermann der 140-Kilo-Reifen, mit dem er trainiert, etwas zu klein, er hätte gern einen 200-Kilo-Reifen.
Er will wieder am härtesten Hindernislauf Europas teilnehmen
An vier bis fünf Extremläufen nimmt er jedes Jahr teil. Bei den Hindernisläufen gehöre er zu den Älteren, aber was zählt, seien die körperlichen Voraussetzungen, eine „gewisse Ganzkörper-Fitness“. 2017 stehen der „Stubai Ultratrail“ hinauf auf den Stubaier Gletscher ebenso auf dem Plan wie ein Lauf auf den Großglockner, einer hoch zur Zugspitze und ein „Spartan“-Extremhindernislauf. Die ultimative Herausforderung wird jedoch der „Getting Tough“-Lauf im thüringischen Rudolstadt im Dezember, den der Veranstalter als härtesten Hindernislauf Europas bezeichnet (im Sommer soll es in der Rhön erstmals einen Sommer-„Getting Tough“-Lauf geben). Biermann will an diesem Rennen schon zum zweiten Mal teilnehmen. Vorvergangenen Dezember war sein erstes Mal.
Da musste er durch eiskaltes Wasser und mit den nassen Klamotten dann weiterlaufen und Hindernisse überwinden. „Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie so gefroren.“ Manche treten bei dem Rennen mit freiem Oberkörper an. Theoretisch könnte man natürlich einen Neoprenanzug anziehen, aber mit dem 25 Kilometer zu laufen und Hindernisse zu überwinden, sei auch keine Freude, sagt er. Bei Wettbewerben, bei denen manche Hindernisse nicht alleine überwunden werden können, erlebe Biermann ein tolles Gemeinschaftsgefühl.
„Es hilft jeder jedem, man kommt schnell mit Leuten ins Gespräch“, sagt er. „Es ist immer eine super Atmosphäre.“
Ab September hüpft er zur Vorbereitung täglich in einen kalten Tümpel
Für den diesjährigen „Getting tough“ hat Biermann einen weiteren Frammersbacher zum Mitmachen begeistern können. Der rede schon von nichts anderem mehr und hat sich einstweilen einen etwas leichteren Hammer von ihm ausgeliehen. Für Ralf Biermann beginnt ab September die heiße Phase der Vorbereitung auf den Extremlauf in Rudolstadt. Dann geht es auf jeden Fall wöchentlich in den Tümpel. Das sei reine Gewöhnungssache, versichert der Frammersbacher.