Die Karlstadter Firma URT fertigt Anlagen, mit denen Elektro- und Elektronikschrott, aber auch Kühlgeräte recycelt werden. Diese Anlagen werden in die ganze Welt verkauft. Der ehemalige EU-Parlamentspräsident, Ex-SPD-Chef und einstige Kanzlerkandidat Martin Schulz sowie die SPD-Europaabgeordnete und Europakandidatin Kerstin Westphal besuchten URT am Montag. Dabei wurde deutlich, wie wichtig ein gemeinsames Europa für solche Firmen ist.
Norwegen und die Schweiz sind nicht in der EU. "Wenn einer unserer Mitarbeiter nach Norwegen muss, brauchen wir zwei Monate Vorlauf", schilderte Thomas Gundersdorf, kaufmännischer Geschäftsführer von URT. Wird dieser Mitarbeiter krank und es wird ein Ersatzmann benötigt, so geht auch das nicht spontan. Eine weitere bürokratische Hürde ist zum Beispiel die Einkommensteuerpflicht für den Mitarbeiter in Norwegen. Gundersdorf: "Das ist Gängelei. Hätten wir nur Aufträge in Norwegen oder der Schweiz, bräuchten wir eine Vollzeitkraft alleine für das Drumherum."
EU-Normen werden weltweit geachtet
Der technische Geschäftsführer Peter Heßler betonte die Wichtigkeit von Normen. "Unsere Kunden werben damit, dass unsere Anlagen und letztlich ihre Arbeit EU-Normen erfüllt." Gundersdorf, Heßler und Schulz waren sich einig, dass das Gejammer über EU-Bürokratie und die Form von Gurken Stammtischparolen sind. Gundersdorf: "Europa wird oft schlechtgeredet. Wir können uns nur lobend über die EU äußern."
Der Euro sei eine weltweit anerkannte Währung, dessen Bedeutung die D-Mark nie alleine erreicht hätte. Wie es in der Zeit vor dem Euro aussah, zeigt folgendes Beispiel: Anfang der 1990er Jahre hatten die Karlstadter einen Auftrag aus Spanien. Bis das Projekt abgewickelt war, hatte die spanische Währung um fast 30 Prozent nachgegeben. Die Karlstadter Firma und der spanische Auftraggeber teilten sich den Währungsverlust.
"Der Vorteil ist den meisten nicht klar"
Martin Schulz bedauerte: "Der EU-Binnenmarktsvorteil ist den meisten Menschen auf der Straße überhaupt nicht klar." Zwar ist die Schweiz kein Mitgliedsstaat, aber ohne deren Einbindung in die EU wäre sie ein "verlorenes Land", führte er aus. Und Norwegen könne sich seine Sonderrolle nur aufgrund seins Reichtums durch Ölvorräte leisten. Dazu äußerte er den schönen Satz: "Norwegen kann sich seines Reichtums nur durch Weltuntergang entziehen."
Eingangs hatte Peter Heßler die Herstellerverpflichtung als Triebfeder für die Recyclingbranche und den Umweltschutz dargestellt. Sie bedeutet, dass Hersteller für die spätere Entsorgung ihrer Ware aufkommen müssen. "Das war revolutionär, und alle Staaten mussten das in nationales Recht umwandeln." Die Förderung des Recyclings auch in ärmeren EU-Mitgliedsstaaten hat URT letztlich auch Aufträge zum Beispiel aus Rumänien ermöglicht. Und inzwischen mache dieses Gesetz weltweit Schule, auch zum Beispiel in China. Und selbst in Afrika gibt es erste Ansätze. Heßler sprach von einer besonderen Verantwortung gegenüber Afrika, das über Jahrzehnt die Abfalldeponie Europas gewesen sei.