
"Wir wollen unseren Eußenheimer Gemeindewald kommerzialisieren", eröffnet Gemeindeförster Ralf Schmidl die Sitzung. Wer bei diesen Schlagworten zunächst Bilder von abgeholztem Lebensraum für Plantagen oder Luxushotels hat, denkt in Eußenheim falsch. Nicht nur waldschonend, sogar waldfördernd soll mit einem neuen und dennoch bewährten Konzept der Gemeindewald profitabel werden: Die Rede ist von CO₂-Zertifikaten.
Auf europäischer Ebene gibt es seit 2005 einen verpflichtenden Emissionshandel mit limitierten Zertifikaten, beispielsweise für große Energieerzeuger und Industriebetriebe. Diese müssen ihre ausgestoßenen Schadstoffe am Ende eines vorgegebenen Zeitraums mit dem Kauf von CO₂-Zertifikaten ausgleichen.
Die Eußenheimer allerdings setzen auf Kunden, die mit CO₂-Zertifikaten ihre Emissionen freiwillig kompensieren wollen, um sich als Unternehmen offiziell "klimaneutral" nennen zu dürfen. Doch soweit sind die Planungen des Gemeinderats noch nicht. Zunächst steht die Durchführung einer Machbarkeitsstudie zusammen mit der Firma Ocell aus München an.
Auf die Machbarkeitsstudie soll eine genaue Datenerhebung und das Erstellen eines Projektszenarios folgen, um die Zahl der den Eußenheimern jährlich zustehenden Zertifikaten zu ermitteln. Ist die Prognose positiv, wird der Gemeinderat dem Projekt final zustimmen. Um schlussendlich klimabewusste Käuferfirmen zu finden, vermittelt Ocell mit einer Kommission, deren genaue Höhe sich aus verschiedenen Bestandteilen des Projekts ergibt.
Gemeinde schlägt weniger Holz ein als zulässig
Doch warum ist Gemeindeförster Ralf Schmidl vom Potenzial der Eußenheimer Wälder für dieses Konzept so überzeugt? "Als Gemeinde schlagen wir jedes Jahr weniger Holz als zulässig, das können wir finanziell nutzen", erklärt er. Der Erhalt von Waldflächen sowie das Aufforsten werden im Projekt zertifiziert. In einer groben Rechnung erklärt Schmidl das Prinzip: Auf einen jährlichen Holzzuwachs von mindestens 8200 Festmetern im Eußenheimer Forst kommt ein planmäßiger Einschlag von 7250 Festmetern. Die Differenz, hier 750 Festmeter, wird in 900 Tonnen durch den Wald jährlich gebundenes CO₂ umgerechnet.
Dieser Wert kann nun als Zertifikate an Firmen verkauft werden, bei einem aktuellen Preis von 50 Euro pro Tonne CO₂ bedeuten das insgesamt 45.000 Euro Erlös. Bürgermeister Achim Höfling betont, dass der genaue Betrag aktuell noch schwierig zu nennen ist, da die Zertifikatsanzahl von vielen Parametern abhängt. Zudem schwankt der Verkaufspreis der Zertifikate.
Unternehmen seien bereit, für Klimaneutralität zu zahlen
"Das ist die Zukunft, so können wie die enorme Leistung unserer Wälder profitabel machen", ist sich Gemeindeförster Schmidl sicher. Mit steigendem Klimabewusstsein in der Gesellschaft und steigenden moralischen Ansprüchen an Unternehmen seien diese heutzutage bereit, für Klimaneutralität zu zahlen. Die Möglichkeit, als Forstbetrieb eigene CO₂-Zertifikate zu verkaufen, gibt es seit 2021, meint Schmidl. Verantwortliche anderer Forstbetriebe hätten ihm durchwegs positive Rückmeldungen geben können.
Der Zweite Bürgermeister Markus Bähr äußert das Bedenken, durch die Laufzeit der Projektbindung über mehrere Jahre und die damit verbundenen Auflagen nicht mehr "Herr der eigenen Sache" sein zu können.
Die Entscheidung, Bäume länger stehenzulassen, wenn Zertifizieren im Vergleich zum Verkauf als Brennholz rentabler ist, könne laut Schmidl kurzfristig getroffen werden. "Der Aufwand ist nur administrativ, dann ist das Projekt ein Selbstläufer", so der Gemeindeförster.