
Esselbach liegt an einer uralten Ost-West-Verbindung. Dieser Verkehrsweg führte bereits im Mittelalter bei Lengfurt über den Main und quer durch den Spessart. Viele Reisende wurden auf dieser Straße durch den Wald geleitet, zu ihrem Schutz und zum Transport des Gepäcks. Hierbei haben sich auch Fuhrleute und Bauern ein Zubrot verdient.
Im Jahr 1615 wurde unter Lamoral von Taxis die Postlinie Prag beziehungsweise Wien – Nürnberg – Würzburg - Frankfurt – Köln – Brüssel eingerichtet und zwischen Würzburg und Frankfurt mit den Stationen Büttelbrunn, Esselbach, Bessenbach, Dettingen und wahrscheinlich auch schon Hanau ausgestattet. Hiervon blieb lediglich die Poststation in Esselbach über die Jahrhunderte bestehen, während die anderen immer wieder verlegt wurden.
Erster Posthalter war ein "harter Mann"
Die Station lag von Würzburg kommend vor dem ausgedehnten Spessartwald. Der erste Posthalter war Conrad Voith. Er hat zunächst sein Pferd den Reisenden zur Verfügung gestellt und zu Fuß die Begleitung übernommen, bis er sich ein zweites Pferd leisten konnte, um selbst mitzureiten. Es ist überliefert, dass er ein „harter Mann“ gewesen sei, ohne Kopfbedeckung und mit weit geöffnetem Hemd. Er kam zu Ansehen und Wohlstand, so dass ihm als erstem die Führung der Esselbacher Poststation anvertraut worden war.
Die Poststation blieb in der Hand einer Familie, die jedoch durch Weitergabe über eine wiederverheiratete Witwe oder die jeweilige Tochter mehrmals den Namen wechselte. Auf den Familiennamen Voith folgten die Namen Weiß, Dürr, Winheim und Hertlein. Der Name „Voith“ ist in der jetzigen Schreibweise „Väth“ heute noch häufig in Esselbach vertreten.
Immer wieder gab es Überfälle. An einen tödlichen Raubüberfall im Jahr 1609 erinnert noch heute das Schweinfurter Kreuz bei Rohrbrunn. Auch der Bildstock an der Staatsstraße Richtung Rohrbrunn aus dem Jahr 1712 soll anlässlich eines Überfalls gesetzt worden sein.
Räuber überfielen die Postkutsche
Am Geiersberg, der höchsten Erhebung des Spessarts mit 586 m ü. NN., steht heute noch ein Gedenkstein von 1787 mit einem eingemeißelten Kreuz und den Buchstaben „PWB“ für „Postwagenberaubung“. Aus den umfangreichen Prozessakten geht hervor, dass eine Bande von sechs Räubern die von Würzburg kommende Postkutsche schon längere Zeit beobachtet und dabei festgestellt hatte, dass der Kutscher ein alter Mann war. Während vier der Räuber schon vorausritten, hielten sich zwei zur weiteren Beobachtung in der Esselbacher Poststation auf. Einer der Räuber sagte dem Kutscher noch dreist, dass sie den Postwagen angreifen würden. Diese Aussage wurde wohl nicht ernst genommen. Am Geiersberg wurden die Reisenden schließlich überfallen und gefesselt. Ein Engländer, der kein deutsch sprach, wurde niedergeschlagen. Jeder der Täter nahm sich aus der Beute den stolzen Betrag von 800 Gulden.
Georg Voith, der Sohn des ersten Posthalters Conrad Voith, ließ in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts ein neues Gebäude errichten, das heute noch als ältestes erhaltenes Postgebäude Unterfrankens erhalten ist. Es steht, von Kredenbach kommend, am Ortseingang auf der linken Straßenseite. Das Gebäude ist mit reich verziertem Fachwerk ausgestattet, das leider hinter dem Verputz verborgen liegt.

Das zur Straße und zum Hof hin ausgerichtete Eckzimmer im Obergeschoss zeichnet sich schon von außen durch seine größeren Fenster als die gute Stube des Hauses aus. Dieser Raum wird noch heute als Napoleonszimmer bezeichnet.

Die heute noch erhaltene prächtige Stuckdecke zeigt im zentralen Medaillon ein Kind mit einem Zepter in der linken und einem flammenartigen Gebilde in der rechten Hand. Mit wehendem Umhang wird es von einem Adler, der als Reichsadler gedeutet werden kann, durch die Lüfte getragen, die durch Gewölk symbolisiert werden. Unwillkürlich drängt sich der Vergleich mit dem Götterboten Hermes auf, wobei es sich hier wohl um eine Allegorie für das Postwesen handelt.

In den Ecken sind vier Büsten zu erkennen, vergleichbar mit der Darstellung römischer Senatoren. Die Decke ist gegliedert durch Profilrahmen und verziert mit Akanthusblättern als verbindende Elemente zwischen den einzelnen Feldern. Die Stilmittel weisen in dieser Ausprägungsform auf das letzte Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts hin.
Auf der Hofseite des Gebäudes befindet sich im Obergeschoss ein weiteres Zimmer mit Stuckdecke. Hier sind die Zierrahmen flach und wirken damit sehr elegant. In fünf Kartuschen wird unter anderem eine Jagdszene gezeigt. Sie sind umgeben von Voluten und Festons. Die Stilelemente weisen auf das frühe 18. Jahrhundert hin.

Die Posthalter in Esselbach brachten es zu großem Wohlstand, von dem noch heute Gegenstände im Besitz der weit verzweigten Familie zeugen. Im frühen 19. Jahrhundert erreichte die Posthalterei ihren Höhepunkt. Mit 40 bis 50 Pferden im Stall war sie eine der größten im deutschsprachigen Raum. Fast die ganze Gemeinde stand im Dienst des Posthalters.
Einige Burschen verdienten sich ihr Geld als Bereiter damit, die ausgespannten, erhitzten Pferde eine Weile herumzuführen. Acht Personen waren alleine mit Strohschneiden beschäftigt. Vier Schmiede waren hauptsächlich für die Posthalterei tätig. Wagner, Sattler und Seiler wurden benötigt. Mehrere Gasthäuser kümmerten sich um Verpflegung und Übernachtung. Nicht zuletzt war der Postillon ein sehr begehrter Beruf, zumal er vom Heeresdienst befreite. Von Esselbach aus wurden 14 Hauptorte postalisch versorgt, wozu auch Lohr und Wertheim gehörten.

Die Esselbacher Posthalter traten auch als Wohltäter auf. So wurde die Madonnenfigur am Marienaltar in der Esselbacher Pfarrkirche von ihnen gestiftet. Ebenso ein barocker Hostienkelch von 1705 und ein Trinkkelch des frühen 18. Jahrhunderts, der im Stil des Empire eine Seltenheit darstellt. Auch die Ölberggruppe am Fuße des Kreuzbergs in Marktheidenfeld geht auf eine Stiftung der Esselbacher Posthalter zurück.

Napoleon war mehrmals zu Gast
Namhafte Persönlichkeiten hielten in Esselbach Rast. So zum Beispiel Kaiser Franz II., Zar Alexander I., Fürst Metternich und König Ludwig I von Bayern. Napoleon Bonaparte war 1806, 1812 und 1813 in Esselbach und hat sich wohl auch im noch heute nach ihm benannten Zimmer aufgehalten.
Neben dem Wohlstand brachte die Poststation dem Ort aber auch Krankheiten und Plünderungen, vor allem in der napoleonischen Zeit. 1796 kamen am Fest der Kirchenpatronin Margaretha 30 000 Franzosen durch Esselbach, verfolgt von den kaiserlichen Truppen. Im gleichen Jahr war eine große Viehpest. 1805/06 grassierten Pocken und Typhus. 1814 zogen Kriegstruppen durch den Ort. In der Esselbacher Orgel ist auf einem Schildchen vom Hoforgelbauer Philipp Seufert zu lesen, dass er seine Instandsetzungsarbeiten am 8. Juli 1813 durchführte „bey starcker Einquartirung der Franzoßen“. Zwischen 1850 und 1857 mussten wegen der Rotzkrankheit in der Poststation zweimal alle Pferde gekeult werden, was zu einem immensen Schaden führte.
Mit der Eröffnung der Eisenbahnlinie zwischen Würzburg und Aschaffenburg im Jahr 1854 war der allmähliche Niedergang der Posthalterei in Esselbach nach ca. 250 Jahren besiegelt.
Zum Autor: Reiner Väth ist zweiter Bürgermeister der Gemeinde Esselbach und Verfasser des örtlichen Kirchenführers. Er bietet regelmäßig Führungen und Vorträge zur Ortsgeschichte an.
Literatur: A. Lehr, Alte Postbauten in Unterfranken. In: Archiv für Postgeschichte in Bayern Dezember 1927, S. 74 – 79.
Lesetipp: Den Einstieg in die Serie verpasst? Die bisher erschienenen Serienteile finden Sie unter /dossier/geschichte-der-region-main-spessart