
Vier Schülerinnen des Friedrich-List-Gymnasiums stehen im Klassenzimmer und blicken sorgenvoll an die Leinwand. "Wir schreiben morgen eine Physik-Ex", liest eine der Neuntklässlerinnen laut vor. "Und wir haben nicht gelernt." Was nach Schulalltag klingt, ist zum Glück nur ein Spiel. Genauer gesagt ein Rätselspiel. Denn die vier Schülerinnen durchlaufen heute einen sogenannten Escape-Room, einen Rätselraum. In diesem sind die Lösungen der Stegreifaufgabe irgendwo versteckt. Findet man diese, ist das Spiel gewonnen.
Die Idee eines solchen Rätselraums, auch als Exit-Game bekannt, kommt aus Amerika und ist mittlerweile in Deutschland ein beliebter Zeitvertreib. Die Idee dahinter: Spieler werden in einem Raum gefangen und müssen in einer bestimmten Zeit verschiedene Rätsel lösen, um wieder aus dem Zimmer zu gelangen. Klingt nach Abenteuer, nur was hat das mit Schule zu tun?
45 Minuten Zeit, um die Stegreifaufgabe zu finden

Acht Gemündener Schüler aus der 12. Klasse haben in diesem Jahr das Projektseminar "Escape-Room" belegt. Betreut von Lehrerin Hannah Amthor haben sich die Schüler dafür ein Konzept erarbeitet, einen Raum organisiert, Rätsel ausgedacht und Aufgaben erstellt. Entstanden ist ein Klassenzimmer, in dem zahlreiche Hinweise versteckt sind, die gefunden werden müssen. "Ziel ist es hier, dass man alle Rätsel löst und dadurch am Ende das Zahlenschloss des Lehrer-Koffers öffnen kann", sagt Schülerin Charlotte Weber. In dem Koffer sind die rettenden Physik-Lösungen versteckt. Findet man diese, ist das Spiel gewonnen.
"Hintergrund des Seminars ist natürlich, die Schüler in Projekten arbeiten zu lassen, sich als Team zu organisieren und auch kreativ zu sein", sagt Lehrerin Amthor, die sichtlich zufrieden mit ihren Schülern ist. Während eine Schülergruppe im Rätselraum nach Hinweisen sucht, sitzen die Entwickler im Flur und beobachten das Geschehen über ein Smartphone. Denn im Raum ist eine Kamera aufgebaut. Warum? "Damit wir ihnen zur Not Tipps geben können, wenn sie nicht weiter wissen", erklärt der 17-jährige Michael Kühlwein. 45 Minuten hat jede Gruppen Zeit. "Die stellen sich heute echt gut an, die Elftklässler waren da langsamer", sagt Lea Brand, ebenfalls Teilnehmerin des P-Seminars.
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P-Seminar soll Schüler auf die Berufswelt vorbereiten
Im Rätselraum herrscht angespannte Stimmung, die Zeit läuft. Die Schülergruppe hängt Bilder von der Wand, durchblättert Bücher und durchforstet Stiftemäppchen. Immer auf der Suche nach Hinweisen. "Ich hab was", schreit plötzlich eine Schülerin, während sie einen Leuchtstift entdeckt. "Und wie bringt uns der weiter?", fragt eine andere. Und was hat es eigentlich mit der Gitarre in der Ecke auf sich? Wenig später entdecken die Schülerinnen mithilfe des Leuchtstiftes versteckte Zahlen auf dem Instrument. Zahlen, die sie für ein Zahlenschloss an einer Büchertasche benötigen. Deren Inhalt bringt sie wiederum zu einem neuen Rätsel. Und so grübeln sich die Schüler von Aufgabe zu Aufgabe. Und letztlich schaffen sie es auch, das Schloss am Koffer mit den rettenden Physik-Lösungen zu knacken.

Lehrerin Amthor freut sich über den funktionierenden Rätselraum. Vor allem aber freut sie sich über die Teamarbeit ihrer Schüler. "Sie lernen dadurch auch, wie man sich strukturiert, wie man Aufgaben verteilt", sagt sie zufrieden. Sollten sie im Berufsleben mal personelle Auswahlverfahren oder ein Assessment-Center durchlaufen, wären sie bestens vorbereitet, ist Amthor überzeugt.
"Escape-Room" zählt in die Abiturnote
"Mich hat das einfach interessiert, es ist mal was anderes", sagt etwa Lea Brand. Wöchentlich, manchmal sogar in der Freizeit, arbeiteten die Schüler gemeinsam an dem Projekt. Als sogenanntes P-Seminar zählt der Rätselraum sogar in der Abiturnote. "Leider viel zu wenig, verglichen mit dem Aufwand, den die Schüler betrieben haben", findet Amthor. Doch unabhängig von der Note hofft sie, dass die Schüler etwas von der Teamarbeit mitnehmen.
Die meisten Schülergruppen haben den Escape-Room mittlerweile durchlaufen. Das große Finale aber wartet noch. Denn auch die Lehrer des Friedrich-List-Gymnasiums wollen sich noch an den Rätselaufgaben versuchen. Einer der Schülerinnen sagt dazu scherzend: "Die müssen das dann erstmal besser hinkriegen als wir Schüler.“ Im Koffer liegen übrigens keine Physik-Lösungen, sondern Gummibärchen und ein Zettel mit der Aufschrift: "Geschafft".
