30 Jahre nach der Eröffnung ihrer Praxis für Frauenheilkunde in Lohr schließt Angela Weismantel (67). Bislang hat sich niemand gemeldet, der die Praxis übernehmen möchte. Wir haben mit der Ärztin über ihre Anfangszeit, ihre Erfahrungen in drei Jahrzehnten und ihre Zukunft gesprochen.
Angela Weismantel: Jura stellte sich für mich als ein etwas zu trockenes Fachgebiet heraus. Da ich immer schon von Naturwissenschaften fasziniert war, habe ich mich dann für Medizin entschieden.
Weismantel: Es ist eine positive Erfahrung, Patientinnen in schwierigen wie auch in sehr schönen Phasen ihres Lebens zu begleiten und sie zu unterstützen.
Weismantel: 1989 wurde mein Sohn geboren. Deswegen habe ich meinen Vertrag an der Uni-Frauenklinik Erlangen nicht verlängert. Ich hatte eine bestimmte Vorstellung, wie ich als Frauenärztin tätig sein wollte. Der Klinikbereich war damals noch eine männerdominierte Welt. Ich wollte in der ambulanten Tätigkeit selbstbestimmt Entscheidungen treffen und einen persönlicheren Umgang mit den Frauen pflegen. Außerdem spielte die Familie eine Rolle: In der Praxistätigkeit entfielen die Nachtdienste und die Sprechzeiten konnte ich flexibler einteilen.
Weismantel: Die Mutter meines Mannes, der am Lohrer Gymnasium unterrichtet hat, lebte in Lohr. Sie konnte unseren Sohn betreuen, während ich arbeitete. Es waren zunächst vor allem logistische Gründe. In Würzburg wäre ich auch gerne geblieben, aber es war die richtige Entscheidung. Das Angebot, Belegbetten am Lohrer Krankenhaus zu übernehmen, habe ich damals ausgeschlagen. Das hätte wieder Bereitschaftsdienst und Nachtdienst bedeutet, was ich mit Kleinkind nicht leisten wollte. Die Zusammenarbeit mit dem Krankenhaus hat trotzdem gut funktioniert.
Weismantel: Keine.
Weismantel: Auf alle Fälle. Die Menschen, die eine Geburtshilfe im Landkreis fordern, erwarten einen hohen medizinischen Standard. Das dafür erforderliche medizinische Fachpersonal zu bekommen, ist schwierig. Bessere fachärztliche Versorgung kann man nur durch Zentralisierung erreichen.
Weismantel: Ja, manche Frauen entscheiden sich dafür, was man in einer Stadt mit Nähe zu einer geburtshilflichen Abteilung vertreten kann.
Weismantel: Ich habe mich seit mehr als zwei Jahren intensiv um eine mögliche Nachfolge für meine Praxis bemüht, hatte auch mehrere aussichtsreiche Optionen, die dann leider an persönlichen Umständen oder auch rechtlichen Sachzwängen scheiterten. Als ich mit der Facharztausbildung angefangen habe, gab es in der Klinik ein, zwei sogenannte Alibifrauen. Das hat sich inzwischen eher ins Gegenteil gewendet. Früher galt das Fach als operatives und damit anstrengenderes Fach, also als eher etwas für Männer. Das hat sich geändert. Die Frauen möchten aber häufig Teilzeitarbeit, weil an ihnen immer noch die Familie hängt. Dieses Phänomen sieht man auch in anderen Bereichen. Heute achten Frauen wie Männer mehr auf die Work-Life-Balance. Und was in meinem Fall dazu kommt: der Standort Lohr. Hierher kommt nur jemand, der Bezug zur Region hat. Es gibt auch woanders attraktive Praxen zum Übernehmen. Viele gehen lieber in die größeren Städte. Im Umkreis von München suchen Ärzte Praxen, in Franken ist es umgekehrt.
Weismantel: Anfangs hat mir das städtische Umfeld etwas gefehlt. Aber vor allem im Sommer bin ich gerne in Lohr. Im Winter schätze ich die Angebote einer größeren Stadt. Jemand, der neu hierherkommt, muss erst mal Fuß fassen und soziale Kontakte knüpfen. Aber das ist auf dem Land nicht schwierig und hier zu leben ist sehr familienfreundlich. Wer seine Facharztausbildung in der Großstadt macht, dem fehlt meist der Bezug zum Leben in ländlicher Umgebung.
Weismantel: Es haben sich manche Therapien verändert, was sich aber nicht grundlegend auf meine Arbeit im Praxisalltag ausgewirkt hat. Wesentliche Fortschritte und Veränderungen von medikamentösen und operativen Therapien finden sich eher im stationären Bereich.
Weismantel: Ständig neue rechtliche Vorgaben und Auflagen im Bereich Digitalisierung, Dokumentation und Datenschutz kosten viel Zeit und bringen den Patientinnen wenig. Aber trotzdem kann man seinen Weg finden. Als Facharzt in der Klinik ist man frei von dem unternehmerischen Risiko, hat geregelte Arbeitszeiten und soziale Absicherung. Das ist für sehr viele attraktiv. Eine Praxis möchte nur der betreiben, dem eine selbstbestimmte medizinische Tätigkeit wichtig ist.
Weismantel: Junge Frauen bei ihrer Familienplanung und Schwangere zu begleiten ist etwas sehr Positives. Aber es gibt auch tragische Ereignisse, vor und nach der Geburt eines Kindes. Daneben gibt es im gynäkologischen Alltag zahlreiche schwere Krankheitsbilder. Viele Patientinnen kenne ich seit Jahrzehnten, sie sind mit mir älter geworden und ich mit ihnen. Das ist ein wesentlicher Unterschied zur Klinik. Die Arbeit mit meinen Patientinnen hat mich immer bestärkt, weiterzumachen. Genervt hat schon öfter mal die Abhängigkeit von Softwarefirmen.
Weismantel: Schwangere betreut, Menschen bei Kinderwunsch beraten, Frauen in schwierigen Situationen beraten und unterstützt. Spannend fand ich immer, wenn es neue Fragestellungen gab, wenn ungewöhnliche Probleme zu lösen waren.
Weismantel: In Anbetracht der aktuellen Pandemie mit erschwerten Arbeitsbedingungen fällt der Ablöseprozess leichter. Es hat sich herumgesprochen, dass ich Ende Juni schließe. Viele wollen noch mal einen Termin haben. Dazu kommen Patientinnen von der Gynäkologiepraxis in Lohr, die schon vor Wochen geschlossen hat. Richtig wehmütig werde ich wahrscheinlich, wenn die Praxis aufgelöst ist. Es hängt viel Herzblut daran. Auch für meine Mitarbeiterinnen bedauere ich, dass sie sich nun einen neuen Arbeitsplatz suchen müssen. Vielleicht geschieht ja noch ein Wunder und es taucht eine Kollegin oder ein Kollege auf, die oder der im letzten Moment doch die Praxis übernehmen möchte. Das wäre wunderbar. Meine Unterstützung in jeder Form wäre gewiss.
Weismantel: Ich möchte zum Beispiel Freunde, die in Deutschland verstreut sind, besuchen. Dafür hatte ich während meiner Berufstätigkeit zu wenig Zeit. Sicher werde ich eine neue Herausforderung suchen und manches ausprobieren. Ich möchte weiterhin Neues lernen, etwas Sinnvolles tun.