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Adelsberg
Ultramarathon Taubertal: Erst laufen die Füße, dann der Kopf und dann das Herz
Der Ultramarathon Taubertal 100 über fast 161 Kilometer von Rothenburg nach Gemünden verlangt den Läuferinnen und Läufern alles ab. Am Schluss erreichen 16 das Ziel.
Serhii Popov wird nach seinem Zieleinlauf zum Ritter des Taubertal 100 Ultramarathons geschlagen.
Foto: Frank Zagel | Serhii Popov wird nach seinem Zieleinlauf zum Ritter des Taubertal 100 Ultramarathons geschlagen.
Frank Zagel
 |  aktualisiert: 08.02.2024 14:20 Uhr

Die Qual, seinen eigenen Körper an die Grenzen des Möglichen zu führen, ist bei Ultraläufer Serhii Popov vom Salomon Running Club beim Einlauf an der Versorgungsstation in Lohr-Steinbach zu erkennen: Er stöhnt laut und spricht leise, seine Beine würden schmerzen. 140 Kilometer ist der Ukrainer bereits mit einer beachtlichen Geschwindigkeit auf seinen Beinen.

Um 6 Uhr verließ er die Stadt Rothenburg zum Taubertal 100 Ultramarathon. Weitere 20 Kilometer hat der 40-Jährige noch vor sich, bis er am Abend nach 13 Stunden und 23 Minuten den 100-Meilen-Lauf über genau 160,934 Kilometer in Adelsberg bei Gemünden als Bester der 16, die ins Ziel einlaufen werden, die Festhalle erreicht.

"Alles tut mir weh, ich bin müde, aber auch glücklich", sagt Popov beim Gespräch mit Veranstalter Hubert Beck. 32 Extremsportler hatten sich für den 100-Meilen-Lauf, der im Rahmen des Taubertal 100 zum dritten Mal angeboten wurde, angemeldet.

Weltrekordversuch nach Lebensmittelvergiftung abgesagt

Mit der vierfachen Weltrekordhalterin über Ultramarathon-Distanzen, Camille Herron, hatte sogar eine der prominentesten Vertreter dieses Genres zugesagt. Herron plante ihren eigenen Weltrekord von 12:42 Stunden zu unterbieten. Eine Lebensmittelvergiftung zwang sie in letzter Minute zum Abbruch, erklärt Beck gegenüber der Redaktion. Dennoch zeigt sich Beck mit dem Ablauf der Veranstaltung höchst zufrieden: "Alleine die Tatsache, dass Camille Herron einen neuen Weltrekord bei uns laufen wollte, macht uns stolz. Zudem lief Serhii Popov eine neue Bestzeit für sich und für unseren 100-Meilen-Lauf."

Popov wird einige Kilometer vor der Steinbacher Versorgungsstation - alle zehn Kilometer können sich die Läufer hier mit hochkalorischen Speisen, Obst und isotonischen Getränken stärken – von dem Lohrer Julius Gabel begleitet. Jede Versorgungsstation wird von Ehrenamtlichen, meistens sind das Laufvereine, betreut. Gabel führt Popov unter donnerndem Applaus seiner etwa 20 Vereinskollegen des RV Viktoria Wombach zum Sportheim. Während sich Popov an Chiasamen und Mineralgetränken stärkt, sprechen die Hobbyläufer mit ihm, bauen ihn auf und loben ihn für seine Leistung.

Steffen Wiesner wurde auf mehreren Streckenabschnitten zeitweise auch von der Tochter begleitet.
Foto: Yvonne Wiesner | Steffen Wiesner wurde auf mehreren Streckenabschnitten zeitweise auch von der Tochter begleitet.

Als Amateur 24 Stunden zumeist in Marschgeschwindigkeit

"Diese positive Bestärkung ist sehr wichtig für die Psyche eines Läufers", erklärt Steffen Wiesner aus Hausen in Main-Spessart, der die 100 Meilen absolvierte. Müdigkeit und Erschöpfungszustände heißt es während des Laufes zu überwinden. Wiesner läuft knapp 24 Stunden – eine hervorragende Zeit für einen Amateur. Den größten Teil der Strecke in Marschgeschwindigkeit, sagt der 40-Jährige am Tag nach seiner Zielüberschreitung am Telefon. "Am Anfang laufe ich mit den Füßen, später mit dem Kopf und die letzten Kilometer mit dem Herzen", so Wiesner.

Popev nimmt nach seiner Stärkung im Steinbacher Sportheim langsam wieder Schritt für die letzten 20 Kilometer auf. Es dauert, bis er nach einigen hundert Metern wieder in den Jogging-Modus übergeht. Gelotst wird er die ganze Strecke über von einem Radfahrer. Der letzte Kilometer in Adelsberg ist mit leuchtenden Orientierungsmarkern geschmückt, als Popov mit dem Einbruch der Dunkelheit um 19:20 Uhr das Ziel an der Festhalle erreicht.

Nach dem Interview mit Veranstalter Hubert Beck möchte sich der Athlet nur noch setzen. "Überall standen Menschen am Wegrand und auf ihren Balkonen. Alle haben mich angefeuert", sagt der jetzt schnellste 100-Meilen-Läufer der Ukraine abschließend. "Auch für all diese Leute wollte ich das Rennen so gut wie möglich beenden."

 
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Kommentare
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  • R. B.
    Ich bin die normale Marathon-Distanz mehrfach gelaufen und ich kann bestätigen, dass es der Kopf ist, der über Ankommen oder Aussteigen bestimmt. Eine Distanz über 160 Km ist physischer und psychischer Horror.
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  • H. S.
    Glückwunsch....die wenigsten können sich die Strapazen vorstellen. Als ich damals von Sibirien heimlaufen musste, bin ich auch täglich ca. 100km gelaufen...hatte allerdings schlechtere Schuhe und es war etwas kälter.
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  • G. S.
    Hut ab für die Leistung der Sportler. Ihren Kommentar können sie sich sparen
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  • C. L.
    Tolle Leistung, Hut ab.
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  • J. F.
    @attheendoftheday: 'Tolle Leistung' - Aber: For what? Mein Hut bleibt wo er ist.
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