In der Aufregung um die Qualität der Bauarbeiten beim im Auftrag der Telekom in Lohr laufenden Glasfaserausbau gibt es neue Aspekte.
So korrigiert der Lohrer Polizeichef Wolfgang Remelka seine in einer ersten Stellungnahme getätigte Aussage, wonach die Baustellenbeschilderung und Absicherung nach Wahrnehmung der Polizei stets ordnungsgemäß gewesen sei.
Daneben meldete sich ein weiterer baukundiger Anwohner bei dieser Redaktion. Auch er brachte wie schon zuvor der Wombacher Baufachmann Walter Siegler sein Entsetzen über die Qualität der Arbeiten beim Lohrer Glasfaserausbau zum Ausdruck: "Mit Pfusch ist das noch milde beschrieben." Die Qualität der Bauausführung sei "unterste Stufe".
Umfangreiche Kritik
Wie berichtet hatte der Wombacher Walter Siegler vor eineinhalb Wochen in einem offenen Brief an die Stadt Lohr auf eklatante Mängel bei den derzeit laufenden Bauarbeiten zum Glasfaserausbau hingewiesen.
Er schilderte dabei, dass beim Wiederverfüllen der in Wombach und anderen Stadtteilen bereits kilometerweit angelegten Gräben gegen Vorgaben zum Unterbau von Gehweg und Fahrbahnen verstoßen werde.
Materialschichten seien viel zu dünn, statt des vorgeschriebenen Mineralbetons werde einfach der zuvor ausgebaggerte, mit Erdreich durchmischte Schotter wieder in die Gräben gefüllt. Da es eine Reihe weiterer Verstöße gegen geltende Baustandards gebe, sei zu befürchten, dass die Stadt nach Ablauf der Gewährleistungsfristen in großem Stil aus eigener Tasche Reparaturen ausführen müsse, so Siegler.
In Garagen uriniert
Er schilderte auch untragbare Zustände im Umfeld der Baustellen. So hätten beispielsweise Bauarbeiter wiederholt in offenstehende Garagen uriniert.
Siegler warf dem Rathaus vor, die Ausführung der Bauarbeiten nicht in ausreichendem Umfang überwacht zu haben. Bei konsequenter Qualitätskontrolle müsste seiner Einschätzung nach ein Großteil der verfüllten Gräben wieder geöffnet und danach ordnungsgemäß verfüllt werden.
Das sieht ein weiterer Wombacher Anwohner ebenso. Auch er war früher viele Jahre in verantwortlicher Position in der Baubranche und im Leitungsbau tätig. Nach Erscheinen des ersten Artikels meldet er sich am Donnerstag zu dem Thema in dieser Redaktion. Dabei bezeichnete er die Zustände auf den Lohrer Glasfaser-Baustellen als "untragbar".
Gräben nicht gesichert
So schildert der Anwohner, dass offene Gräben vor Hauseingängen über Nacht nicht abgesichert gewesen seien. Auch er habe beobachtet, dass beim Verfüllen der Gräben technische Vorgaben zum Unterbau in keiner Weise eingehalten würden.
So seien Kabel seiner Wahrnehmung nach ohne die erforderliche Sandabdeckung eingebaut worden. Sobald das überdeckende, steinige Material verdichtet werde, seien so Schäden vorprogrammiert, so der Mann. "Wenn das bei mir vor dem Haus auch so gemacht wird, rufe ich die Polizei", sagt der Wombacher, bis zu dessen Anwesen die Baukolonne noch nicht vorgedrungen ist.
Die Zustände ließen darauf schließen, dass es bei der Baustelle keine sorgfältige Bauleitung oder Baustellenführung gebe. Der Fachkräftemangel führe dazu, dass am Bau immer mehr Firmen mit überwiegend ausländischem Personal arbeiteten, wobei es offenbar an Qualifikation oder Kenntnis der deutschen Vorgaben fehle.
Alle Gräben wieder auf?
Auch er stelle sich die Frage, wie sich die Stadt vor Folgekosten schützen will, sagt der Bauexperte. Normalerweise müsse man nun alle bereits verfüllten Gräben wieder öffnen, um die Qualität des Unterbaus beurteilen zu können. Bei dem, was er gesehen habe, sei er "überzeugt, dass man schon nach zwei Jahren Frostschäden sehen wird".
Ein Vertreter der im Auftrag der Telekom mit den Arbeiten befasste Firma Circet Deutschland hatte in einem Telefonat mit der Redaktion eingeräumt, dass man bei dem wiederum von Circet beauftragten weiteren Subunternehmer wohl besser auf die Arbeitsqualität achten müsse. Nach den Schilderungen von in die Garagen pinkelnden Bauarbeitern habe man sich sofort von dem betreffenden Subunternehmer getrennt, so die Darstellung des Circet-Bereichsleiters.
Pressetermin kommende Woche
Die Stadt Lohr hatte auf Anfrage der Redaktion in einer ersten Stellungnahme geschrieben, dass alle festgestellten Mängel beseitigt werden müssten. Für die nächste Woche hat das Rathaus einen Pressetermin mit verschiedenen mit dem Thema befassten Akteuren angekündigt.
Mit dem Thema befasst war auch die Lohrer Polizei. Deren Leiter Wolfgang Remelka hatte zunächst geäußert, dass man Absicherung und Beschilderung der Glasfaserbaustellen kontrolliert habe. Dabei seien keine Mängel festgestellt worden.
Frau bei Radunfall verletzt
Am Donnerstag nun korrigierte Remelka diese Aussage: Ihm sei mittlerweile bekanntgeworden, dass es bereits vor zwei Wochen in Ruppertshütten einen Unfall gegeben habe. Dabei sei eine Radfahrerin im Bereich der Ortseinfahrt im Baustellenbereich gestürzt, nachdem sie die Gefahrenstelle aufgrund der ungenügenden Beschilderung und Absicherung zu spät erkannt habe.
Die Frau verletzte sich beim Sturz leicht. Die Verantwortlichen der Baufirma sehen sich daher in Lohr nicht nur mit der Kritik an ihrer Arbeit konfrontiert. Die Polizei führt daneben auch Ermittlungen wegen fahrlässiger Körperverletzung gegen die Firma.
Wie berichtet, hat es in der Region schon wiederholt Ärger in Verbindung mit dem privatwirtschaftlichen Glasfaserausbau gegeben, so beispielsweise 2020 in verschiedenen Gemeinden im Westspessart. Dort waren unter anderem Gas- und Stromleitungen beschädigt worden.
Ander, als am Donnerstag berichtet, war das Unternehmen Deutsche Glasfaser dabei jedoch nicht etwa im Auftrag der Telekom unterwegs, sondern in Eigenregie.