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GRÄFENDORF
Erholung im beschaulichen Gräfendorf
Carolin Schulte
 und  Michael Mahr
 |  aktualisiert: 02.04.2019 10:05 Uhr

„Teilweise kamen die Leute mit dem Fahrrad aus Hanau zu uns in die Ferien“, erzählt Elisabeth Auth. Urlaub in Gräfendorf war in vor 75 Jahren.

Die meistens seien allerdings mit dem Zug angereist und wurden von ihr oder einer ihrer zwei Schwestern vom Bahnhof abgeholt. „Zur Pension unserer Eltern war es von da schon ein gutes Stück zu Fuß, bestimmt 15 Minuten“, erinnert sie sich.

Sonderzug mit Urlaubern

Damit der Spaziergang für die Gäste erholsam war, zogen Auth oder ihre Schwestern das Gepäck auf einem Handwagen. „Manchmal kam auch ein Sonderzug mit Urlaubern aus Berlin, dann kam der Bauer mit dem Leiterwagen, um die vielen Koffer zu transportieren.“

Zehn Zimmer hatte die „Pension Bürger“ im Luftkurort Gräfendorf. Auths Großeltern hatten sie aufgebaut, die Eltern übernahmen das Geschäft. Später führte Auths Schwester die Pension noch einige Jahre weiter. Die heute 95-jährige Elisabeth Auth war dort als Jugendliche voll eingespannt.

„Wir haben die Gäste mit Frühkaffee, Mittag, Kaffee und Abendessen versorgt. Das Obst und Gemüse dafür kam aus unserem eigenen Garten, und auch alle Torten haben wir selbst gebacken.“ Buttermilch gab's vom Gutshof. Daneben mussten die Zimmer gereinigt und die Wäsche gewaschen werden -- viel zu tun für die fünfköpfige Familie.

Spaziergänge in schöner Landschaft

Das Leben in Gräfendorf war in der Regel beschaulich, die Urlauber kamen wegen der schönen Landschaft, gingen spazieren und schwammen in der Saale.

Ein paar Höhepunkte gab es dennoch: „Silvester, Schützenfest und Kirchweih, da ging's rund im Ort.“ Auch an Fasching war viel los: „Das Prinzenpaar fuhr mit dem Auto nach Wolfsmünster und kam mit dem Zug zurück in den Ort. Vorm Bahnhof haben sich dann alle versammelt, um sie zu begrüßen.“ Die Prozession zog anschließend durch Gräfendorf, „und dann war Tanz!“

1942 und 1943 muss die 20-jährige Kriegshilfsdienst leisten und in einer Munitionsfabrik in Nürnberg arbeiten. Dort erlebt sie auch Fliegerangriffe in einem Luftschutzkeller. Im Chaos einer solchen Situation verdreht sie sich das Knie, und wird daraufhin für drei Wochen von der Arbeit befreit.

„Das Lachen wieder lehren“

So kam es, dass sie 1943 zum ersten Mal selbst „Urlaub“ in der Pension ihrer Eltern macht. Sie verbringt ihre Zeit mit einer Runde Stammgäste. „Denen hab ich wohl irgendwie gefallen“, sagt sie und lacht. Elisabeth Auth hat ihn so sehr gefallen, dass die Runde ihr ein Gedicht nachschickte, als sie wieder nach Nürnberg abgereist war.

„Das Klagelied der Tischrunde in der Pension Bürger:

Liebwert Frl. Elisabeth! Seit Sie von uns sind fortgegangen, sieht man viel traurige Köpfe hangen. Es fehlt uns oft Ihr holdes Lächeln, das uns so lieblich konnt' umfächeln. Wir sitzen manchmal still und stumm am groß- und kleinen Tisch herum und sagen dann:„Zum Donnerwetter, es wäre doch um vieles netter, wenn Sie recht bald schon wiederkehrten und uns das Lachen wieder lehrten!“

„Die alte Oma“

Zehn Leute aus der Tischrunde haben den Brief unterschrieben, aber nicht alle mit ihrem richtigen Namen. „Die alte Oma“ lautet eine der Unterschriften. „Die war schon 80 und kam aus Würzburg“, erinnert sich Auth auch heute noch an die Dame.

Den Brief entdeckte Elisabeth Auth erst kürzlich wieder, als sie alte Fotoalben durchblätterte. Die 95-Jährige lebt heute in der Seniorenresidenz „Mainbrücke“ in Marktheidenfeld.

Die „Pension Bürger“ in Gräfendorf gibt es schon lange nicht mehr. Das Haus aber gehört nach wie vor zu den auffälligen Gebäuden des Ortes. Gabriele Göckeritz, eine Nichte Auths, die heute hier wohnt, hat das Anwesen nach einigen Jahren Unterbrechung wieder als eine Pension geführt, bis vor etwa einem Jahr.

Elisabeth Auth ist 95. Mit der Pension ihrer Eltern verbindet sie viele Erinnerungen.
Foto: Martin Harth | Elisabeth Auth ist 95. Mit der Pension ihrer Eltern verbindet sie viele Erinnerungen.
Sogar aus Berlin kamen Gäste nach Gräfendorf in die Pension von Elisabeth Auths Eltern. Mit Postkarten wie dieser konnten sie Grüße an die Daheimgebliebenen senden. Das Pfarrhaus links von der Pension ist inzwischen abgerissen, das dahinter stehende Gasthaus „Zum Schiff“ geschlossen.
Foto: Archiv E. Auth | Sogar aus Berlin kamen Gäste nach Gräfendorf in die Pension von Elisabeth Auths Eltern. Mit Postkarten wie dieser konnten sie Grüße an die Daheimgebliebenen senden.
Das Haus, in dem früher die Pension Bürger war, fungierte nach einer Unterbrechung bis vor etwa einem Jahr erneut viele Jahre als Pension, nun betrieben von Gabriele Göckeritz.
Foto: Michael Mahr | Das Haus, in dem früher die Pension Bürger war, fungierte nach einer Unterbrechung bis vor etwa einem Jahr erneut viele Jahre als Pension, nun betrieben von Gabriele Göckeritz.
 
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