Vom kleinen Handwerksbetrieb zum weltweit agierende Technologieunternehmen – diesen Weg hat die Lohrer Firma Nikolaus Sorg in den vergangenen 150 Jahren beschritten. Kürzlich feierten die Inhaberfamilie sowie rund 400 aktuelle und ehemalige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Glasofenbauers dieses Jubiläum auf dem Firmengelände an der Stoltestraße. Dabei wurde nicht nur deutlich, wie sehr Sorg durch seine Entwicklungen den technischen Fortschritt einer ganzen Branche weltweit geprägt hat, sondern auch, was die Grundsteine der erfolgreichen Firmengeschichte sind.
Als einer dieser Grundsteine können Haltung und Einsatz der Unternehmerfamilie über Generationen hinweg gelten. Mit Alexander und Michael Sorg ist mittlerweile die fünfte Generation in Geschäftsführerfunktion. Zweiter Grundstein sind die Mitarbeiter, von denen nicht wenige über Jahrzehnte bei Sorg arbeiten. Das tiefe technische Wissen um die Prozesse des Glasschmelzens sowie der Erfahrungsschatz sind die Garanten, die Sorg an der Spitze des Marktes halten.
Gedenken an Mitarbeiter
In welcher Form Unternehmerfamilie und Belegschaft verbunden sind, zeigte sich gleich zu Beginn der Jubiläumsfeier – auf traurige Weise: Michael und Alexander Sorg erinnerten beide an den tragischen Tod eines Mitarbeiters vor wenigen Tagen. Man habe überlegt, die Feierlichkeiten abzusagen, sich dann jedoch anders entschieden, weil es wohl der Wunsch des Mitarbeiters gewesen wäre, sagte Michael Sorg. Die Gäste gedachten dem Kollegen mit einer Schweigeminute.
Mit Blick auf das Jubiläum sprach Michael Sorg (35) von einem denkwürdigen Tag für Unternehmen und Familie. Er erinnerte an die wechselvolle Geschichte und die Neugründung 1949 in Lohr durch Emil Sorg. Es sei in der Folge besonders die vierte Familiengeneration mit Klaus, Karl-Heinz und Helmut Sorg gewesen, die das stetige Wachstum des Unternehmens ermöglicht habe.
Alexander Sorg (55), neben seinem Onkel und Seniorchef Karl-Heinz Sorg Geschäftsführer der Nikolaus Sorg GmbH & Co. KG, beschrieb in Anekdoten, wie ihm das "Erlebnis Familienunternehmen mit der Muttermilch verabreicht" wurde. Mitarbeiter hätten zur Familie gehört, aus Kunden und Geschäftspartnern seien häufig Freunde geworden. Selbst am Weihnachtstag sei sein Vater bei Bedarf zu technischen Problemlösungen abgerückt.
Stetiges Wachstum
Die Firma wuchs stetig. Hatte sie in den 1950er-Jahren fünf Mitarbeiter, darunter die drei Gesellschafter, waren es 1970 schon 25, 1980 bereits 115 und 1990 gut 280. Das anhaltende Wachstum resultierte daraus, dass die vierte Unternehmergeneration das Geschäftsfeld von Bau und Unterhalt von Schmelzöfen erfolgreich ums Entwickeln neuer technischer Lösungen erweiterte und dabei Meilensteine in der Branche setzte.
Heute beschäftigt Sorg weltweit fast 600 Mitarbeiter, hat Kunden in über 70 Ländern. Die Unternehmensgruppe umfasst zwölf Tochterfirmen mit Niederlassungen in China, Thailand, Portugal, Indien und den USA. Auch in der Ukraine hatte Sorg erst jüngst eine Niederlassung eröffnet, deren Zukunft durch den Angriff auf das Land ungewiss ist. Nicht nur deshalb wirkten sich die Folgen des Krieges direkt auf das Unternehmen aus, so Alexander Sorg.
Er sprach jedoch auch von gefüllten Auftragsbüchern und einem stabil guten Geschäft mit einem Umsatz von jährlich um die 140 Millionen Euro. "Hätte sich Nikolaus Sorg das damals vorstellen können", fragte er mit Blick auf Entstehung und Erfolg des Unternehmens.
Die Sorg-DNA
Michael und Alexander Sorg betonten beide, dass dieser Erfolg ohne die Mitarbeiter nicht möglich gewesen wäre. Als Kern der "Sorg-DNA" bezeichnete Alexander Sorg Eigenschaften wie Einsatz, Verlässlichkeit, Loyalität, Begeisterung und nicht zuletzt Teamarbeit. Im Sorg-Team könnten daher "alle zusammen stolz sein auf das Erreichte", so Alexander Sorg.
Man könne sich aber "nicht auf den Lorbeeren ausruhen". Es gebe im Markt eine Vielzahl an Mitbewerbern. Überdies stelle der Standort Deutschland durch "überbordende Bürokratie" Unternehmen vor Herausforderungen. Auch die Personalgewinnung ist ein Problem. Wie viele andere sucht auch Sorg Fachkräfte und Auszubildende verschiedenster Berufe. Das Unternehmen, das entgegen seines Stellenwerts als Arbeitgeber und Gewerbesteuerzahler meist dadurch auffiel, in der Lohrer Öffentlichkeit kaum aufzufallen, will daher sichtbarer werden. Ein Zeichen dafür sind Plakate, mit denen Sorg seit Kurzem in Lohr um Auszubildende wirbt.
Baupläne im Industriegebiet
Die Bedeutung des Unternehmens für Lohr hob Bürgermeister Mario Paul hervor. Er bezeichnete die Ansiedlung des Unternehmens als "Glücksfall für die Stadt Lohr". Seine Verbundenheit mit der Region zeige Sorg durch die Unterstützung des Lohrer Gründerzentrums. Die Stadt habe 2019 das letzte große freie Grundstück im Industriegebiet an Sorg verkauft, erinnerte Paul und sagte, dass das Unternehmen "hervorragend zu Lohr passt". Wie Sorg-Pressesprecher Hartmut Hegeler gegenüber der Redaktion erklärte, hat Sorg nach wie vor den Plan, auf diesem Grundstück ein Gebäude zu errichten. In ihm sollen Lager und Werkstatt unterkommen, die Sorg derzeit in Gemünden hat, eventuell auch Büros.
Ralf Jahn, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Würzburg, überreichte eine Urkunde zum 150-jährigen Firmenbestehen. Nur 115 der über 60.000 Unternehmen in Mainfranken seien 150 Jahre oder älter, unterstrich Jahn den Stellenwert des Jubiläums. In Main-Spessart gebe es gerade zwölf Firmen mit solch langer Geschichte. Jahn lobte auch die hohe Ausbildungsleistung von Sorg: Von den aktuell 293 Beschäftigten an den Standorten Lohr und Gemünden absolvieren rund zehn Prozent eine Ausbildung oder ein duales Studium.
Erinnerung an Seniorchef
Der ehemalige Sorg-Entwicklungsleiter Matthias Lindig erinnerte in sehr persönlichen Worten schließlich an den vor zwei Jahren im Alter von 81 Jahren verstorbenen Seniorchef Helmut Sorg. Dieser habe mit Akribie und großem Einsatz die Entwicklungsarbeit im Unternehmen vorangetrieben.
Während das Firmenjubiläum firmenintern gefeiert wurde, will Sorg den Anlass in zwei Wochen bei einer Fachmesse in Berlin auch mit Kunden, Geschäftspartnern und der Branche angemessen begehen. Zu diesem Zweck hat Sorg, wie sollte es anders sein, vom Wertheimer Glaskünstler Hans Ittig eigens Glasmünzen prägen lassen – passend zum Firmenlogo in roter Farbe.