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MÜHLBACH
Erfolg durch Gemeinschaftsleistung
Von unserem Mitarbeiter Günter Roth
 |  aktualisiert: 10.11.2014 17:03 Uhr

Auf eine Zeitreise durch die Karlstadter Kinogeschichte begleitete der in der Region bekannte Cineast Horst Köhler aus Marktheidenfeld gut drei Dutzend Filmbegeisterte bei der sonntäglichen Matinee in den Mühlbacher Burg-Lichtspielen anlässlich deren 60. Geburtstags. Anschließend konnten die Besucher den gerade einmal zwei Jahre jüngeren Filmklassiker „Die Brücke am Kwai“ genießen.

Im September 1900 erlebten die Karlstadter ihre Kino-Premiere im Saal der Gastwirtschaft „Zum Goldenen Anker“ durch „Dölles Theater lebender Photographien“. Vier Jahre später ist eine Jahrmarktsattraktion dokumentiert, die durch „Fey und Lailichs Weltcinematographen“ mitten auf dem Kübelmarkt präsentiert wurde, und so um 1912 konnte man im „Kannengießerzelt“ im damaligen Blissinggarten den Untergang der Titanic miterleben.

Der Festredner Köhler wartete aber nicht nur mit Fakten auf, vielmehr würzte er seinen Rückblick mit cineastischen Anekdoten. So zum Beispiel zum Eröffnungsfilm des ersten Kinos von Oswald Dix, das im Februar 1927 als LIKA in der Färbergasse mit dem gar erschröcklichen Familiendrama „Das deutsche Mutterherz“ Premiere hatte. In dem Streifen gab ein damals völlig unbekannter Jungschauspieler namens Heinz Rühmann sein Filmdebüt als muttermordender Verbrecher. Als übrigens Rühmanns Mutter diesen Film in einem Münchener Kino sah, soll sie weinend aus dem Saal gelaufen sein. Ob Rühmann deswegen später überwiegend komische Rollen gespielt hat, sei nicht überliefert, schmunzelte Köhler.

Die Geburtsstunde der Burg-Lichtspiele schlug dann am 16. Dezember 1954 mit der Oscar prämierten Musik aus dem damals äußert erfolgreichen Psychothriller „Es wird immer wieder Tag“, den der große Hollywoodstar John Wayne nicht nur produziert, sondern in dem er auch die Hauptrolle gespielt hatte. Die Titelmelodie war über Monate die Nummer Eins der seinerzeit so beliebten Radio-Wunschkonzerte des Bayerischen Rundfunks.

Prüfung als Filmvorführer

Seit Ende der 1950er Jahre ist dann auch der jetzige Inhaber Wilfried Dunst wesentlicher Teil der Burg-Lichtspiele. Der gelernte Schriftsetzer interessierte sich bereits als 17-Jähriger für alle Arten von Kinotechnik, jobbte manchmal im Dixi und in der Filmbühne, hauptsächlich aber in den Burg-Lichtspielen, wo der junge Mann von Monsieur Louis Flamme regelrecht zum Vorführen von Kinofilmen ausgebildet wurde. Seine Prüfung als Filmvorführer bestand er an einer Ingenieurschule in Frankfurt, was ihm dann auch die Türen zu den Vorführräumen aller namhaften Würzburger Filmtheater öffnete, bis er dann im Oktober 1991 das Mühlbacher Kino von seinem Vorgänger Flamme übernahm. Mittlerweile waren in den beiden anderen Lichtspielhäusern der Stadt die Lichter längst ausgegangen.

Den Erfolg der Burg-Lichtspiele bis heute schreibt Horst Köhler der Gemeinschaftsleistung zu. Das Unternehmen, in dem alle Familienmitglieder eingebunden seien, habe das Kino mit erheblichem finanziellen Aufwand über die Jahre Schritt für Schritt bis hin zur Volldigitalisierung von Bild und Ton komplett runderneuert und „mutig als cinephiler David den Kampf gegen den nur wenige Bahnkilometer entfernten Goliath der Großkinos“ aufgenommen, indem er die Mühlbacher Kinotradition nicht nur bewahrte, sondern diese auch inhaltlich mit frischen Ideen neu belebte“, so der Festredner.

Dass es Wilfried Dunst und seiner Familie über die Jahre gelungen sei, diesen Kinostandort „gegen den medialen Overkill unserer Unterhaltungsindustrie“ für die Bürger von Karlstadt und Umgebung zu erhalten, das verdiene hohe Anerkennung. Grund dafür sei gewiss auch die nostalgisch-kuschelige Atmosphäre eines eingespielten, kommunikationsfreundlichen Familienunternehmens, die – ganz im Gegensatz zum vergleichsweise anonymen Betrieb der XXL-Kinos – das besondere Flair der Burglichtspiele ausmache: das Flair einer Oase der Entspannung für alle, die das Gemeinschaftserlebnis eines Kinobesuchs noch zu schätzen wissen, eines Kinos, in dem sich der Chef nach Ende der Vorstellung auch gerne die Meinung seines Publikums anhöre und auch mal fünf Minuten mit dem Beginn der Matinee warte, wenn die Predigt beim sonntäglichen Gottesdienst etwas länger als üblich gedauert hat.

 
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