In der Alltagssprache werden Straßen noch immer „geteert“, obwohl seit mittlerweile 40 Jahren kein Steinkohlenteer beziehungsweise Straßenpech im Straßenbau verwendet wird. Die Entsorgungskosten für derartige Straßenbeläge explodieren derzeit. Der Kreisbauausschuss beschloss nun einstimmig, dass keine Straßenbauprojekte mehr angestoßen werden, bei denen große Mengen belasteten Asphaltaufbruchs zu erwarten sind.
Konkret genannt wurde die Sanierung der Kreisstraße MSP 1 zwischen Altbessingen und Schwebenried, bei der 3500 Tonnen PAK-haltiger Straßenaufbruch anfallen würde. Außerdem soll die Verwaltung klimafreundliche und nachhaltige Entsorgungswege für solches Material suchen. Auch die Kalkulation eines Zwischenlagers auf der Kreismülldeponie oder sogar ein eigener Deponieabschnitt sollen in Auge gefasst werden.
PAK steht für polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffverbindungen wie Benzopren, das als krebserregend gilt. Andere Substanzen wie Phenole sind wasserlöslich und werden vom Regen ausgewaschen. Bisher wurden solche alten Straßenbeläge zu Asphaltgranulat recycelt und wieder eingebaut, aber nicht als oberste Schicht, sondern weiter „unten“ zum Beispiel als Tragschicht. Die Fachbehörden legten bei geförderten Projekten, was Straßensanierungen praktisch immer sind, großen Wert auf Umsetzung der Handlungsempfehlungen der Fachbehörden: Hochwertige und sichere Wiederverwertung möglichst direkt vor Ort.
Wiederverwertung eingeschränkt
Wie Gerhard Pülz, Leiter des Kreisbauamtes, im Kreistag erklärte, baute der Landkreis Main-Spessart allerdings nach Möglichkeit schon seit Jahren keine PAK-haltigen Fundationsschichten mehr. Auch die Staatlichen Bauämter und die Autobahndirektionen hätten die Wiederverwertung bereits eingeschränkt. Die Zwischenlager an Asphaltmischanlagen seien voll, die Annahmepreise hätten sich verdoppelt. Nun plant das Landesamt für Umweltschutz, dass aus Gründen der Vorsorge und im Sinne nachhaltiger Lösungen PAK-belastetes Material nicht mehr recycelt werden soll.
Insbesondere wird der Freistaat Bayern als Baulastträger von Bundes- und Staatsstraßen solches Material nicht mehr verbauen. Damit müsste PAK-haltiger Straßenaufbruch verwertet werden. Eine Möglichkeit wäre die thermische Behandlung, eine zweite die Deponierung.
„Es gibt in ganz Deutschland keine geeignete Anlage, die nächste ist in Rotterdam“, erklärte Gerhard Pülz zur Wiederverwertung. Den Straßenaufbruch nach Rotterdam zu transportieren, sei problematisch. Dieser wenig klimafreundliche Weg stünde dem Kreis mit Blick auf das beschlossene Klimaschutzkonzept nicht gut zu Gesicht. Auch würden dabei neue Schadstoffe (Abgase) entstehen. Das Restvolumen der Kreismülldeponie für den Straßenaufbruch zu verbrauchen, hält er aber auch nicht für sinnvoll.
Dass es in Holland eine solche Verwertungsanlage gibt, erklärte er damit, dass das Land über keine Steinbrüche verfügt. Gebrochenes Gestein für den Straßenbau sei Mangelware. Nach der thermischen Verwertung kann das nahezu schadstofffreie Gesteinsmaterial wieder verwaedet werden, es entstehen Granulat, Füllstoffe und Gips.
Erst einmal abwarten
Den Straßenaufbruch des MSP 1 zu entsorgen, würde derzeit zu Mehrkosten von 350 000 Euro führen. Der Bauamtschef schlug vor, einfach abzuwarten. Da alle Straßenbaubehörden und Kommunen vor diesem Problem stehen, würden sich bestimmt Entsorgungsmöglichkeiten in der Nähe auftun. Denkbar wären auch ein Zwischenlager auf der Deponie oder gar der Bau eines neuen Deponieabschnitts. Nachdem seit 2012 auch die Entsorgungspreise für andere entsorgungspflichtige Materialien erheblich anzogen, könnte die Wirtschaftlichkeitsuntersuchung heute anders ausfallen.
Die Kreisräte reagierten unterschiedlich. Die Hoffnung von Elmar Kütt, der Kreis habe doch genug Flächen für Zwischenlager, zerschlug Landrat Thomas Schiebel: Auch für ein Zwischenlager gebe es Anforderungen vom Abdichten des Untergrundes bis zum Auffangen des ablaufenden Regenwassers. Auch in Hinblick auf die Kommunen sei es deshalb sinnvoll, ein reguläres Zwischenlager zu bauen.
Gerhard Kraft verwies darauf, dass seine Fraktion (Grüne) den Ausbau des MSP 1 in diesem Bereich angesichts von nur 950 Fahrzeugen für unnötig halte. Michael Kleinfeller hielt ihm entgegen, in den Fahrzeugen säßen Menschen, die unfallfrei ans Ziel kommen wollen. Weiter sagte Kraft, bei solchem Straßenaufbruch gehe es um krebserregende und gesundheitsschädliche Stoffe, bei denen viel zu lange weggeschaut wurde. Wer jetzt von einer Zumutung spreche, sei im Kreistag falsch.